Trotz Sommerzeit laufen die Drähte heiss in Westminister. Nach eigenem Bekunden erhält Nigel Farage viel Zuspruch aus allen politischen Lagern. Der frühere Finanzminister Kwasi Kwarteng spricht öffentlich von einem «unheimlichen» Vorgang. Der konservative Daily Telegraph behandelt das Thema auf der Frontseite.

Was ist passiert?

Die vor über 300 Jahren gegründete Privatbank Coutts hat im Frühling entschieden, das Bankkonto von Nigel Farage zu saldieren. Offiziell wurde dem geschassten Kunden bedeutet, er unterschreite den Schwellenwert von einer Million Pfund.

Auf juristischem Weg setzte der Politiker die Herausgabe seines Kundendossiers durch. Und siehe da: Den Ausschlag für die Kündigung gab ein 40-seitiges Dossier, das die Bank über Farages politische Tätigkeit und Meinungen angefertigt hatte.

Der Bericht ist garniert mit allerlei Verdachtsberichterstattung aus der britischen Presse über angebliche Russland-Verbindungen Farages. Im Wesentlichen störte die Bankmanager dessen verbreitete Wahrnehmung als «xenophob» und «kontrovers».

Insgesamt seien Farages öffentlich vertretene Positionen «unvereinbar mit unserer Haltung als inklusive Organisation». Gleichwohl handle es sich nicht um eine politische Entscheidung, sondern es gehe um «Inklusion und purpose».

Mit anderen Worten: Die Bank hatte den Eindruck, ihre Werte zu verraten, indem sie jemanden mit der Weltanschauung und politischen Tatkraft von Nigel Farage ein Konto führen lässt.

Dieses Dossier straft jene Medienberichte Lügen, welche zunächst die Fassung verbreitet hatten, Farage werde aufgrund seines zu tiefen Kontostands der Bank verwiesen. Pikanterweise traf sich die Chefin der Muttergesellschaft von Coutts, Dame Alison Marie Rose-Slade, mit einem BBC-Journalisten zum Abendessen – just einen Tag bevor dieser als Erster schrieb, Coutts beende die Kundenbeziehung zu Farage aufgrund des nicht erreichten Schwellenwerts. Bankkundengeheimnis?

Nigel Farage ist nicht der erste politisch missliebige Mensch, der es mit Vergeltungsmassnahmen seiner Bank zu tun bekommt. Etlichen seiner Brexit-Mitstreiter fiel die Eröffnung eines Bankkontos schwer. Die Schweizer Postfinance warf den österreichischen Pegida-Mann Martin Sellner heraus. Und in den USA untersucht der Kongress, ob die Bank of America dem FBI unaufgefordert eine Liste von Kunden gesandt hat, die um den 6. Januar 2020 – dem Tag der Unruhen im Kapitol – ihre Bankkarten in Washington, DC, verwendet hatten.

Diese Vorfälle zeigen, dass sich manche Banken zunehmend als politische Sittenwächter und Vollzugsbeamte des Zeitgeistes verstehen. Es bestehen starke Zugkräfte in diese Richtung, denn am Ende des Tages werden Banken vom Staat beaufsichtigt und erhalten von diesem überhaupt erst Zugang zum grossen Finanz-Casino und zur Notenbank.

Es sieht so aus, als habe sich diese Systematik im Fall Farage derart überhitzt, dass für einmal auch politisch andersdenkende Geister not amused sind.

Die 3 Top-Kommentare zu "Sittenwächter im Bankenwesen: Briten-Bank saldiert Konten von Brexit-Politiker Nigel Farage. Die Meinung des Geschassten sei «unvereinbar» mit der Organisation"
  • kustodies

    Sind die Banken wirklich "nur Vollzugsbeamte" oder machen sie einfach aktiv Politik und setzen auch die Cancel Culture ein? Darum schau dir die Bank genau an, der du dein Geld anvertraust.

  • telegram@newsofehrmedia

    Ist sonst noch jemandem aufgefallen, dass mittlerweile die AGBs von Unternehmen als 'geltendes Recht' ausgelegt werden, welches nicht selten sogar über den verfassungsmässig "garantierten" Rechten der Bürger stehen', ohne dass der Bürger etwas dazu zu sagen hat und oft auch keine Rechtsweggarantie besitzt? Er ist also der Willkür der Grossunternehmen ausgeliefert. Und wieder einmal hat es die Wirtschaft, mithilfe der Politik, geschafft, die Grundrechte der Bürger erfolgreich auszuhebeln.

  • Padeno

    Kein Wunder, keine Überraschung was da passiert. Banken sind doch feste Bestandteile des jeweiligen politischen Systems eines Landes und daher stets strikt politisch linientreu.