Werte lassen sich nachhaltig steigern, wenn sich Geschäftsmodelle an die Zeit anpassen. Dazu gehört in vielen Branchen die Bereitschaft, mit dem richtigen Timing bisherige revenue streams zugunsten von künftigen Geldquellen abzustellen. Das nennt man Strategie, und das Verb dazu heisst innovieren.

Apple etwa hatte mit dem iPhone sich selber kannibalisiert und den iPod in die Elektroschrotthalden befördert.

Nicht wenige Strategieexperten halten den Elektroauto-Hersteller Tesla für das überschätzteste Unternehmen, das es gibt – Tesla sei nur ein weiteres Auto, sagen sie, und mit Innovation habe dies gar nichts zu tun. Das Urteil ist hart. Im Lichte dessen, was Tesla-Gründer und seit einiger Zeit Twitter-Besitzer Elon Musk mit dem Mikrobloggingdienst gerade fuhrwerkt, aber auch nicht unbegründet.

Im harten Wettbewerb gegen Meta (Whatsapp, Instagram) oder Google den Zwitscherdienst zu einer Super-App für alles nach dem chinesischen Vorbild Wechat zu entwickeln, mag plausibel sein. Mit Wohlwollen könnte man auch sagen, dass das «X» als neuer Name als Subsummierung dieser umfassenden Dienste zumindest nicht falsch ist. Doch es scheint, als würde Musk mit Twitter nicht den Rubikon überschreiten, sondern big-time absaufen. Die ikonische Bildmarke mit dem Vögelchen war noch das einzig Sympathische an Twitter. Dieses Identifikations-Merkmal wurde in die ewigen Jagdgründe geschickt und durch ein grobschlächtiges «X» ersetzt, das Leser in der Schweiz vielleicht an die blindwütige Aktion des einstigen tschetschenischen Xamax-Präsidenten erinnert, der dem Fussballclub ein Logo verordnete, das an Traditions- und Geschmacksbefreiung nicht mehr zu überbieten war.

Das Verifikationshäkchen steht nicht mehr für die Echtheit eines Kontos, sondern dafür, dass es von jemandem bezahlt wurde. Damit ist nicht nur der Vogel tot, sondern auch das Vertrauen hin.

Musk mag recht damit haben, Twitter in neue Ertragsfelder zu entwickeln. Strategie allerdings ist nichts Wert ohne ihre Umsetzung. Alles deutet gerade auf eine rasante Vernichtung des Markenwerts hin. Vielleicht schafft Musk damit einen neuen Rekord.

David Schärer ist Marketing- und Werbeexperte.

Die 3 Top-Kommentare zu "Tod des Twitter-Vogels: Elon Musk ersetzt das sympathische Vögelchen durch ein grobschlächtiges «X». Es scheint, als würde er mit Twitter nicht den Rubikon überschreiten, sondern «big-time» absaufen"
  • Alpensturm

    Die echte "Marke" ist Elon Musk, nicht "X". Normalerweise würde so eine Namensänderung nicht gut ausgehen, aber hier redet die ganze Welt darüber, auch SIE, weil Musk es macht. Mit ist der Name egal, solange die App zensurfrei bleibt. Ähnlich wie die Kommentarspalte der Weltwoche.

  • bgasser

    Und noch dies: Ohne Twitter/X wäre es mit der Meinungsfreiheit schlecht bestellt! Da spielt ein Logo weiss Gott keine Rolle…Ich bin dankbar, dass Elon Geld nicht vor Prinzipien stellt. Das nenne ich ‚authentisch‘, etwas, was man heute bei den Politikern schmerzhaft vermisst.

  • Nichtswisser

    Wetten viele unabhängige Marketing und Werbeagenten liegen hier falsch, weil sie nicht aus ihrer Box herausdenken können.