Als Micheline Calmy-Rey als Aussenministerin während einer Botschafterkonferenz die rhetorische Frage aufwarf, ob man auch mit Terroristen reden solle, und dies bejahte, ging ein Sturm der Entrüstung durchs Land. Calmy-Rey wolle mit dem von der ganzen westlichen Welt gesuchten Superterroristen Osama bin Laden reden, kommentierten einzelne Medien etwas spöttisch den Auftritt.

Von dieser Doktrin hat die Schweiz gestern Abschied genommen – vorübergehend wenigstens.

Nachdem die Landesregierung nach dem Anschlag der islamistischen Palästinenserorganisation auf Israel die Hamas bereits als Terrororganisation eingestuft hatte, will sie diese nun für fünf Jahre verbieten lassen. Sie reagiert damit auf Forderungen des Parlamentes und entsprechende Motionen.

Das ist wieder so eine typische Schweizer Scheinlösung: Was soll das bringen, die Hamas fünf Jahre lang zu verbieten?

Entweder handelt es sich hier um eine Bande von Kriminellen, dann gehört sie einfach verboten – ohne Wenn und Aber. Oder sie ist auch eine politische Formation, die im Gazastreifen die Macht hat. Und dann hat sich die Schweiz als neutrales Land ins diplomatische Abseits manövriert.

Die Argumente, welche der Bundesrat als Begründung zu diesem Schritt nannte, wirken vorgeschoben: Das Verbot erlaube es Strafverfolgungsbehörden, einfacher Einreiseverbote oder Ausweisungen zu verfügen und auch gezielter gegen Unterstützer der Hamas vorzugehen. Also bitte. Wir haben längst Gesetze, um gegen radikale und terroristische Organisationen vorzugehen.

Es ist auch keine Überraschung, wenn jetzt just einer aus der früheren Diplomatentruppe Calmy-Reys, der frühere Topdiplomat und Alt-Nationalrat Tim Guldimann (SP), gegenüber dem Westschweizer Radio-RTS-«Forum» grosse Bedenken zum bundesrätlichen Entscheid äussert und auf den Staat Norwegen verweist, der keine derartigen Entscheide gefällt habe — um die diplomatischen Kanäle für Friedensgespräche offenzuhalten. Dazu muss man wissen, dass die Schweiz und Norwegen seit Jahrzehnten um die Führungsrolle bei internationalen Friedensgesprächen sozusagen wetteifern.

Man fragt sich eigentlich bloss: Wo war Guldimanns Aufschrei, als der Bundesrat die gegen Russland gerichteten Sanktionen übernahm und sich damit als neutrale Vermittlerin im Ukraine-Krieg unmöglich machte?

Aber irgendwie hat er halt trotzdem recht.