Eigentlich ist Russland für seine Internet-Troll-Fabriken und Desinformationskampagnen bekannt. Während der Konflikt auf dem Schlachtfeld noch längst nicht entschieden ist, hat Kiew aber die Nase in der psychologischen Kriegsführung und bei der Propaganda vorne. Auch dank unzähliger Aktivisten in den sozialen Medien schafft es das Land, sich als sympathischen David zu präsentieren, der sich dem mächtigen Goliath mit Erfolg entgegenstellt.
Alle Fernsehsender haben sich inzwischen zu einem Kanal zusammengeschlossen mit dem Namen Ukraine 24. Ihn verfolgen die Bewohner Kiews und anderswo nun unablässig auf ihren Mobiltelefonen und Fernsehbildschirmen. Gezeigt werden ausgebrannte russische Panzerwracks, russische Kriegsgefangene, aber keine ukrainischen Toten, ausser Zivilisten, die bei russischen Artillerieangriffen ums Leben kamen.
An Beobachter im Ausland richten sich ukrainische Aktivisten und Propagandaprofile auf Twitter und Telegram. Sie geben zum Teil offizielle Verlautbarungen wieder und Videos von Ukraine 24, häufig aber auch Bilder, die Zivilisten aufgenommen haben. Ein Beispiel ist die Sequenz, in der ein älterer Mann einen russischen Kampfpanzer zu stoppen versucht, indem er sich vor diesen stellt.
Dabei werden auch Legenden kreiert wie der «Geist von Kiew», angeblich ein Kampfpilot einer ukrainischen Mig-29. Er soll als Fliegerass – je nach Quelle – bis zu zehn russische Flugzeuge vom Himmel geholt haben. Auf Twitter zirkuliert ein Video, das zeigen soll, wie der «Geist» einen russischen Kampfjet über Kiew abschiesst und mit seinem Flugzeug anschliessend eine Rolle dreht. Es stammt in Wirklichkeit aber aus einem Videospiel.
Unabhängig von dieser Legenden- und Mythenbildung kann aber niemand ernsthaft in Abrede stellen, dass die ukrainische Luftwaffe – trotz aller russischen Angriffe – immer noch existiert und zum Teil mit Drohnen sogar Offensivoperationen durchführt. Wenn man ukrainischen und ausländischen Medienberichten Glauben schenken darf, werden mehrere osteuropäische Nato-Staaten der Ukraine eine grössere Zahl ihrer Mig-29 aus den Zeiten des Warschauer Pakts zur Verfügung stellen.
Russland hat sich dagegen mit seiner plumpen Propaganda ins Abseits manövriert. Präsident Putins Behauptung, es gehe ihm mit seiner Invasion um die «Entnazifizierung» der Ukraine, könnte aus Sowjetzeiten stammen. Immerhin wird das angegriffene Land von einem demokratisch gewählten jüdischen Staatschef angeführt, der in seiner Selbstdarstellung wesentlich sympathischer und mutiger daherkommt als Putin. Auch hier hat die ukrainische Propaganda hervorragende Arbeit geleistet.