Neun Monate Haft ohne Bewährung. So lautet das Strafmass für den Beststellerautor Akif Pirinçci. Grund: «Volkverhetzung». Zielgruppe der Angriffe des deutsch-türkischen Schriftstellers waren Muslime und «Afros». Auf seinem Blog habe der Autor «gegen Teile der Bevölkerung zum Hass aufgestachelt und die Würde anderer Menschen verletzt», heisst es in einem WDR-Bericht. Bevölkerung zum Hass aufstacheln? Würde anderer Menschen verletzen?

Pirinçci schreibt von Ausländern, die 2015 und 2016 als «Schmarotzer» nach Deutschland gekommen seien, und er meint, diese Ausländer seien für eine «bis heute nicht abreissende Serie bestialischer Verbrechen vor allem an Frauen» verantwortlich. An dieser Stelle geht es nicht um eine juristische Bewertung des Falls, sondern um Fragen, die sich aufdrängen. Was darf man in Deutschland noch ungestraft sagen?

Und: Wie war das mit dem Hass und der Hetze gegen die Gruppe der ungeimpften Mitbürger? Was ist davon zu halten, wenn eine Gruppe von Mitbürgern von einem Politiker öffentlich als «gefährliche Sozialschädlinge» bezeichnet wird? Der Mensch als ein Insekt, dass andere Lebewesen befällt und ihnen schadet? Noch mehr lässt sich der Mensch sprachlich kaum abwerten. Geschrieben hat das der FDP-Politiker Rainer Stinner auf Facebook.

Oder: Wie soll mit einem Artikel umgegangen werden, der die Überschrift trägt «Die Gesellschaft muss sich spalten»? Und dann heisst es: «Was es jetzt braucht, ist nicht mehr Offenheit, sondern einen scharfen Keil. Einen, der die Gesellschaft spaltet. […] Richtig und tief eingeschlagen, trennt er den gefährlichen vom gefährdeten Teil der Gesellschaft.» Geschrieben hat das Christian Vooren auf Zeit online. Wie soll man es nennen, wenn ein Journalist fordert, dass eine Gruppe von Menschen durch einen Beilschlag vom Rest der Gesellschaft abgeschlagen wird?

Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Sie soll reichen, so weit es überhaupt nur geht. Was aber, allgemein gesprochen, nicht geht: eine Rechtsprechung, die den Eindruck erweckt, Recht und Unrecht mit einem politischen Auge zu betrachten.

Marcus Klöckner ist Journalist und Autor. Zuletzt von ihm erschienen: «Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen. Das Corona-Unrecht und seine Täter», Rubikon.