Wie kein anderer Schweizer Verlag hat sich während der Pandemie das Haus Ringier geradezu nibelungentreu hinter den Corona-Kurs von Gesundheitsminister Alain Berset gestellt. Die Ringier-Kollegen agierten als eigentliche Bodyguards, als schreibender Arm des Bundesrats. Im Gegenzug belohnte sie der Magistrat mit exklusiven Vorab-Informationen, in der Regel einen Tag bevor die Regierung an ihren Medienkonferenzen das allgemeine Publikum orientierte. In trauter, allzu vertrauter Eintracht ziehen die Mediensprecher Bersets und die Journalisten Ringiers, für alle gut sichtbar, durch die Wandelgänge des Bundeshauses.

Die ungesunde Nähe zwischen Regierung und Medien war im Fall Ringier von Anfang an augenfällig. Deshalb muten die Aussagen von CEO Marc Walder an einem Video-Talk der Schweizerischen Managementgesellschaft, den der Nebelspalter entdeckte, wie ein unfreiwilliger Offenbarungseid an. Im Gespräch mit Führungskräften anderer Firmen erklärte Walder auf eine Frage, dass es eine ganz bewusste Haltung seines Hauses sei, in der Covid-Pandemie die Politik der Regierungen zu unterstützen. Man wolle «keinen Keil zwischen Volk und Regierungen treiben». Walder bat die Zuhörer fast entschuldigend, man möge sein Bekenntnis doch bitte vertraulich behandeln.

Natürlich hat Walder als Chef eines Medienhauses das Recht, seine Journalisten auf einen bestimmten Kurs zu trimmen. Es ist ja niemand gezwungen, für Ringier zu arbeiten. Auch die Offenheit, mit der Walder die überdeutliche, unübersehbare Tatsache ausspricht, dass sein Verlag aufgrund bewusster Managemententscheide auf Regierungstreue eingeschworen ist, hat nichts Verwerfliches. Das Problem ist die Haltung, das journalistische Credo der Firma Ringier an sich, ihre zu grosse Nähe zu den Mächtigen, ihre devote Obrigkeitsfrömmigkeit, die Walder zu einem Akt staatsbürgerlicher Verantwortung schönzureden probiert.

Gerade die Pandemie hat doch gezeigt: Nichts ist wichtiger als eine offene Debatte, als eine Diskussion. Es geht gerade nicht darum, die Regierungen und ihre Experten zu «unterstützen», sondern im Gegenteil sie schonungslos zu hinterfragen, denn was wir heute erleben, ist eine ungesunde Vermachtung der Wissenschaft, eine Verklumpung zwischen Staatsgewalt und Medizin, die den wissenschaftlichen Prozess gefährdet, der ja ausschliesslich vom offenen Widerspruch lebt, von der stets drohenden Widerlegung des für wahr Geglaubten durch bessere Erkenntnisse. Diese Erkenntnisse entstehen nur in einer offenen, herrschaftsfreien Auseinandersetzung.

Gerade hier hat Walder, hat der Ringier-Verlag als massenwirksamer Industriekonzern versagt. Nicht nur haben die Ringier-Medien die Anordnungen der Regierungen unkritisch begleitet. Sie haben darüber hinaus auch systematisch, inquisitorisch die grosse Mehrheit der Kritiker, Skeptiker und Dissidenten, die Nicht-Einverstandenen angegriffen, als Schwurbler und Covidioten angeprangert, verleumdet, ausgegrenzt und damit mitgeholfen, ein verklemmtes, blockiertes Klima zu schaffen, in dem das Thema Pandemie mit der ganzen Komplexität der damit verbundenen Fragen, auch der politischen, nicht mehr offen und unverkrampft diskutiert werden konnte. Damit haben sie zu einer Spaltung der Gesellschaft beigetragen, die ironischerweise die Arbeit der Regierung erschwert hat, die sie doch eigentlich «unterstützen» wollen.

Vollends unglaubwürdig macht sich der Ringier-Verlag mit seinen staatstreuen Bekenntnissen dadurch, dass er sich gleichzeitig für das neue Medienförderungsgesetz engagiert, mit dem die Journalismusbranche mit Millionen von Subventionen noch mehr an den Staat gekettet werden soll. Gerade wenn man, wie Walder, der Meinung ist, dass die Aufgabe der Medien während Corona darin besteht, den Kurs der Regierungen mitzutragen, ist der Kampf für staatliche Subventionen wie Salzsäure an den Wurzeln der eigenen Glaubwürdigkeit. Unterstützen die Ringier-Medien den Bundesrat, weil sie seine Politik richtig finden, oder weil sie sich die Gunst des Bundesrates als Subventionsgeber sichern wollen?

Vielleicht aber sind Walders Bekenntnisse ein rechtzeitiger Augenöffner vor der Volksabstimmung. Die Schweiz braucht kein Mediengesetz, das die heute schon viel zu grosse Nähe zwischen Regierung und Journalismus durch Millionensubventionen institutionalisiert. Gerade die Schweiz mit ihrer direkten Demokratie ist angewiesen auf einen vielstimmigen Journalismus, der nicht einfach nachbetet, was oben in Bern verlautbart wird, um Steuerzahlermillionen einzukassieren.