Volkswagen steckt in der Krise. Deutschlands grösster Konzern schwächelt, und einiges ist hausgemacht: teure Elektromodelle, Software-Probleme – und jetzt Überkapazitäten. Manches davon ist möglicherweise nicht auf mangelnde Qualität bei den technischen, sondern den menschlichen Komponenten zurückzuführen.

Da ist zum Beispiel der zwanzigköpfige Aufsichtsrat. Zwei Mitglieder sind dort von entscheidender Bedeutung, weil gegen ihr Veto nichts geht. Es sind die Abgesandten aus der niedersächsischen Landesregierung, die dank VW-Gesetz ihre Plätze in dem Kontrollgremium sicher haben, ganz gleich, wie viele Anteile das Land besitzt. Der eine von ihnen ist der SPD-Ministerpräsident des Landes, Stephan Weil, ein studierter Jurist, dem als Landeschef Managementaufgaben nicht fremd sind.

Die andere ist Julia Willie Hamburg, 38-jährige grüne Kultusministerin, ehemalige Fraktionsvorsitzende mit Abitur und abgebrochenem Studium der Politikwissenschaft, Philosophie und Philologie. Die grüne Landespolitikerin hatte im Wahlkampf 2022 hundertfach ihre Plakate im Wahlkreis Hannover aufgehängt, auf denen stand, dass sie «für Niedersachen» antrete. Das «s» aus dem Namen war verschwunden, und keiner hatte es gemerkt.

Sie ist alles andere als eine Auto-Enthusiastin. Nach eigenem Bekunden ist sie lieber mit dem Velo unterwegs. Schon im Wahlkampf hatte sie deutlich gemacht, was sie als VW-Aufsichtsrätin in Wolfsburg anders machen würde. «Wir Grünen wollen uns dafür einsetzen, dass VW sich stärker als Mobilitätsdienstleister versteht und nicht nur auf den Individualverkehr setzt.» Volkswagen solle zudem noch stärker auf die Elektromobilität setzen. Als sie damals in den Aufsichtsrat zog, drohte die Vereinigung der Aktionärsschützer in Deutschland mit Klage dagegen. Wegen Kompetenzmangel sah man den Aktienkurs in Gefahr, am Ende aber wurde nichts daraus.

Seither sitzt Julia Willie Hamburg da. Ein Weckruf ist von ihr nicht überliefert. In Reden hat sie sich in jüngster Zeit mehr zur «Abschottungspolitik» der EU gegen Migranten geäussert. Sie hat sich «für gute Einwanderungsstrukturen» ausgesprochen und will eine «demokratische Schulstruktur» einführen. All das ist ihr Job. Volkswagen aber eben auch. VW hat inzwischen die Tarifverträge gekündigt, in denen unter anderem die seit drei Jahrzehnten geltende Beschäftigungssicherung geregelt war. Analysten glauben, dass zwei bis drei Werke schliessen müssten. Die meisten stehen im ganz realen Niedersachsen – mit «s» übrigens.