Das Problem ist altbekannt. In den südlichen Ländern haben Süssspeisen und Getränke oft einen derart hohen Zuckergehalt, dass sie für Nordeuropäer ungeniessbar sind. Doch zu viel Zucker erhöht das Risiko von Diabetes und Fettleibigkeit.

Rechtzeitig zur Generalversammlung von Nestlé hat die NGO Public Eye nun eine Kampagne lanciert: Mit überzuckerter Kinder- und Babynahrung schaffe der Lebensmittelkonzern in Entwicklungsländern gezielt ungesunde Gewohnheiten und Abhängigkeiten.

Die auf allen medialen Kanälen kritiklos weiterverbreitete Kampagne hält einer nüchternen Prüfung nicht stand. Tatsache ist, dass Nestlé bloss das verkauft, was alle verkaufen und was die Konsumenten wünschen. Würde der Konzern das nicht tun, überliesse er einfach den Konkurrenten das Feld.

Es stimmt auch nicht, dass Kindernahrung in Entwicklungsländern nicht reglementiert wäre. Im Gegenteil. Doch Gewohnheiten lassen sich nicht so einfach diktieren. Vier bis fünf Löffel Zucker im Kaffee sind in tropischen Ländern normal – und wenn er fehlt, fügen ihn die Leute einfach hinzu.

Wollte Public Eye wirklich etwas für die Kinder in der Dritten Welt tun, würde sich die NGO vor Ort mit konkreten Programmen für eine gesündere Ernährung einsetzen. Doch solche Projekte verkaufen sich schlecht. Baby-Kampagnen gegen Multis dagegen kosten wenig und generieren viel Spenden.

Vor exakt fünfzigJahren landeten die Vorgänger von Public Eye mit der Kampagne «Nestlé tötet Babys» einen Kassenschlager. Der Vorwurf: Indem der Lebensmittelkonzern Spitäler in Entwicklungsländern gratis mit Babynahrung versorge, verführe er stillende Mütter dazu, auf künstliche Milch umzusteigen.

Auch jene Kampagne war auf Sand gebaut. Gerade die ärmeren Frauen rechnen scharf; ihnen fehlt schlicht das Geld für künstliche Nahrung; sie sind ein denkbar schlechter Markt. Doch auch unter ihnen gibt es Mütter, die zu wenig eigene Milch generieren. Für sie war der Gratis-Ersatz ein Segen.

Die Kampagne von Public Eye offenbart das Grundübel der Entwicklungshilfe: Sie unterstellt, dass die Menschen in der Dritten Welt zu dumm seien, um für sich selbst Verantwortung zu tragen – und dass der Kapitalismus für alles Elend dieser Welt verantwortlich sei.

Mit diesen letztlich kolonialistischen und paternalistischen Gemeinplätzen wirtschaften die linken NGOs nicht nur in ihre eigenen Taschen, sie schaden auch jenen, denen sie angeblich helfen wollen.