Stimmt das Volk am Sonntag dem CO2-Gesetz zu, hat Petra Gössi dem rot-grünen Lager zu einem wichtigen Triumph verholfen. Vielleicht wird die FDP-Präsidentin mit SP-Umweltministerin Simonetta Sommaruga, den Chef-Genossen Mattea Meyer und Cédric Wermuth und dem Grünen-Präsidenten Balthasar Glättli sogar um die Wette lachen.

Doch ihrer Partei leistete die Schwyzer Nationalrätin einen Bärendienst. Einerseits verweigern grosse Teile der eigenen Wählerschaft gemäss Umfragen ihrer Chefin die Gefolgschaft. Und das, obwohl die Parlamentarierin in den letzten Wochen nicht müde wurde, das Klimadekret als «freisinnig geprägte Vorlage» zu verkaufen.

Trotz diesen Beteuerungen nahmen Kritik und Unzufriedenheit über Gössis doktrinäre Unterstützung des Gesetzes zu. Einzelne kantonale Sektionen wie der Aargau empfehlen ein Nein, der Zürcher Stadtrat Filippo Leutenegger getraute sich plötzlich aus der Deckung und wirbt mit «Teuer, nutzlos, bürokratisch» gegen das Gesetz. Und zum Schluss verweigert ausgerechnet auch noch ein langjähriger politischer Weggefährte und Parteikollege aus Gössis Heimatkanton Schwyz ihr die Gefolgschaft.

 

«Finanzpolitischer Unfug»

Kaspar Michel trat Anfang Juni dem Schwyzer Wirtschaftskomitee «Nein zum CO2-Gesetz» bei. Mit anderen Gegnern kämpft der freisinnige Finanzdirektor mit Inseraten für eine Ablehnung. Was eigentlich unüblich ist. In der Regierung des Zentralschweizer Kantons gilt nämlich die ungeschriebene Vereinbarung, dass sich ihre Mitglieder zurückhalten, wenn es um das Mitmachen bei politischen Unterstützungsplattformen geht. Was belegt, wie ernst es Michel ist, um kurz vor dem Urnengang gegen den Vorschlag anzutreten.

Dass der Fünfzigjährige mit seinem Vorgehen ausgerechnet in Fundamentalopposition zu seiner Parteipräsidentin geht und mithilft, ihr Prestigeprojekt auf der Zielgeraden zu gefährden, spricht Bände. Die beiden verbindet eine langjährige Freundschaft.

Als er 2010 den Sprung in die Exekutive schaffte, leitete sie die Fraktion im Kantonsrat, später arbeiteten sie eng und bestens zusammen, sie als Leiterin der FDP Schwyz, er als Mitglied des obersten Führungsgremiums. Wie alle anderen FDP-Exponenten profitierte auch Michel vom frischen Wind und von der positiven Stimmung, die die Wahl Gössis an die Spitze der Partei vor fünf Jahren im Kanton Schwyz auslöste.

Warum also der Angriff in letzter Minute, so kurz vor der Ziellinie? Der Historiker und Staatswissenschaftler zögert beim Treffen zum Kaffee in Schwyz keine Sekunde mit einer Antwort: «Das Gesetz ist kein liberales Gesetz, es bedeutet einen finanzpolitischen Unfug.»

Grund sei der milliardenschwere Klimafonds. Mit Preiserhöhungen auf Benzin, Heizöl und der Flugticketabgabe soll er geäufnet werden. «Wie dieses Geld am Schluss verwendet wird – wer davon profitiert und wer nicht –, entscheidet die Verwaltung. Es wird der parlamentarischen Kontrolle weitgehend entzogen», sagt Michel.

Solche Sonderfinanzierungen seien falsch und aus ordnungspolitischen Gründen unbedingt abzulehnen. Es sei absolut unverständlich, dass Parteien eine Vorlage befürworteten, die ihre demokratischen Mitsprachemöglichkeiten limitiere, und diese einfach an den Beamtenapparat übertrügen.

Was ihn ebenfalls stört: Die Staatsquote würde bei einer Zustimmung erhöht, das Gesetz käme einer faktischen Steuererhöhung gleich. «Das ist im aktuellen Umfeld das völlig falsche Signal.» Das sagt der Säckelmeister eines Kantons, der im letzten Jahr mit 205 Millionen Franken so viel wie noch nie in den nationalen Finanzausgleich zahlte und pro Kopf hinter Zug am zweitmeisten Geld für den Topf beisteuerte, um schwächeren Gebieten zu helfen.

Während auf Bundesebene Mitte-links zusammen mit dem Freisinn die Bürger mehr belasten will, denkt die Schwyzer Regierung über eine Steuerfussreduktion nach. Der Überschuss in der Staatsrechnung von fast hundert Millionen Franken macht solche Pläne möglich. «Wir gehen sorgfältig mit unseren Mitteln um.» Wenn der Bund mit solchen Vorlagen die Bürger noch stärker belaste, sei das für seinen Kanton «mehr als ärgerlich».

 

Sparsamer Umgang mit Geld der Bürger

Dieser Vorwurf kommt nicht von ungefähr. In der Zentralschweiz geht man mit Steuergeldern sparsamer um als anderswo. Die Exekutive geht dabei selber mit gutem Beispiel voran. Ein Schwyzer Regierungsrat verdient mit – per Gesetz festgelegten – 177 000 Franken jährlich gut die Hälfte seines Walliser Staatsratskollegen. Sogar die Parkplätze in der Garage im Kantonshauptort werden den Magistraten separat vom Salär abgezogen. Die Schwyzer Staatskarosse, kein Mercedes, BMW oder Tesla, sondern ein Occasionsfahrzeug der Marke Volvo, bleibt praktisch ungebraucht. Sie kommt fast nur für Gäste zum Einsatz.

Persönliche Mitarbeiter, departementale Kommunikationsberater oder überhaupt grosse Stäbe kennen die Schwyzer nicht. Und Regierungsräte machen hier oft noch konkrete Sachbearbeitung in ihren Bereichen. Auch das traditionelle gemeinsame Mittagessen nach den Regierungsratssitzungen wird selber berappt. Man bleibt bescheiden. Dabei hat der sparsame Umgang mit dem Geld der Bürger eine lange Tradition im Urkanton. Kaspar Michel, der vor seiner Wahl als Staatsarchivar amtete, sagt: «Bis weit in die 1960er Jahre hinein arbeiteten die Regierungsräte von zu Hause aus. Ein Regierungsgebäude galt sowieso lange Zeit als unnötig und teuer.» Als Mitte der 1920er Jahre die Exekutive ein Gebäude für sich und die Verwaltung bauen wollte, gab es grosse Widerstände. «Die Bevölkerung wehrte sich mit allen Mitteln. Es gab sogar Handgreiflichkeiten», erzählt Michel.

Kein Wunder, schauen viele Schwyzer mit Argusaugen nach Bern, wenn neue Gesetze beschlossen werden, die die Bürger zusätzlich belasten. Für den Säckelmeister ist die FDP bei Öko-Themen «falsch eingespurt». «Ich bin nicht gegen Klimaschutz. Die FDP muss hier aber ihre eigenen Ideen einbringen. Es reicht nicht, einfach ein grünes Mäntelchen anzulegen», sagt Michel. Alle Massnahmen müssten marktwirtschaftlichen Kriterien entsprechen und nicht dirigistischen, vom Staat verordneten. «Sonst sind sie wie im vorliegenden Fall von einer wirtschaftsfreundlichen Partei wie der FDP abzulehnen.»

Für den Oberst im Militärstrategischen Stab des Chefs der Armee steht das Gesetz stellvertretend für den momentanen Zeitgeist und den Linksrutsch der bürgerlichen Gruppierungen. «Mir ist klar, dass ich schon immer dem rechten Flügel meiner Partei angehört habe. Klar ist aber auch, dass eine solche Vorlage noch vor kurzer Zeit in der FDP keine Zustimmung gefunden hätte.» Der Politiker aus Rickenbach, der bei Umfragen zur Beliebtheit regelmässig obenauf schwingt, sieht es deshalb als seine Pflicht, auf die Gefahren der Vorlage hinzuweisen.

Vehement in Abrede stellt Michel die Gerüchte und Mutmassungen, dass hinter seinem Engagement gegen das CO2-Gesetz Kalkül stecke. Obwohl er bei den Wahlen 2019 als aussichtsreicher Kandidat galt, schaffte er den anvisierten Sprung in den Ständerat nicht. Die Schwyzer entschieden sich für Othmar Reichmuth von der Mitte, der die offene Unterstützung der SP hatte. Böse Zungen erzählen nun, dass der Regierungsrat auch in Opposition zur FDP geht, um sich für die nächsten Wahlen 2023 in Position zu bringen.

Klar ist, dass die SVP-Anhänger seine Ablehnung positiv notieren werden. In ihren Kreisen schadet das seiner Popularität sicher nicht. In zweieinhalb Jahren dürfte Alex Kuprecht – nach zwanzig Jahren im Stöckli – seinen Rücktritt bekanntgeben. Wenn Michel diesen Sitz holen würde, stünde die Rechtspartei ohne Vertreter da, nachdem sie bis 2019 beide Mandate beanspruchte. Michel winkt ab: «Es wäre falsch, wenn die SVP mit einem kantonalen Stimmenanteil von einem Drittel ausgerechnet im Kanton Schwyz keinen Ständerat mehr hätte.» Das würde die Bevölkerung kaum verstehen.

 

Lächeln mit den Linken

Unabhängig vom Ausgang am Sonntag: Viel zu gewinnen gibt es für Petra Gössi nicht. Zu viel parteiinternes Geschirr ist zerschlagen, zu viele Parteischwergewichte erteilten ihr eine Absage, und zu viele Leute im bürgerlichen Lager verstehen die Position ihrer Leiterin in dieser Frage nicht. Das Verrückte daran ist, dass sich weder Kaspar Michel, Filippo Leutenegger noch die anderen Kritiker des CO2-Gesetzes fragen lassen müssen, warum sie auf der Gegenseite von Petra Gössi stehen.

Sie haben ihre Positionen gehalten, ihre Präsidentin hat in den letzten Jahren links abgebogen. Als sie im April 2016 ihren Job als Präsidentin startete, freute sich sogar die SVP. Damals galt sie als rechts und unterstützte viele Anliegen der Rechtspartei. Bei der Ausschaffungsinitiative wollte sie wie die Exponenten der SVP einen Automatismus beim Rauswurf krimineller Ausländer. Bei der sogenannten Milchkuh-Initiative war sie sogar im Initiativkomitee. Das Begehren der Autolobby verlangte, dass Einnahmen aus dem Individualverkehr nur noch für die Strasseninfrastruktur verwendet werden.

Heute lächelt sie mit den Linken um die Wette. Fragt sich, wie lange noch.