Polizei-, Feuerwehrautos und Ambulanzen: Wer den typischen Blaulicht-Bubentraum erleben möchte, ist in der Werkstatt des Unternehmens Londero im zürcherischen Volketswil an der richtigen Adresse. Hier bereitet Firmengründer Raphael Londero mit fünfzehn Angestellten und vier Lehrlingen konventionelle Nutzfahrzeuge auf ihren Einsatz für Sicherheit und Gesundheit vor.

Bei unserem Besuch ist viel los in der grossen Industriehalle. Hier steht ein Mercedes Sprinter, der zur vollwertigen Ambulanz ausgebaut wird. Dort ein Mercedes Benz V-Klasse, der für eine benachbarte Polizeiwache instand gesetzt wird. Auch viele Feuerwehren aus dem Zürcher Oberland zählt Londero zu seinen Kunden. «Unser Brot-und-Butter-Geschäft sind aber klar die Rettungswagen», sagt der Firmengründer. Aufgrund der umfangreichen Normierungen, Zertifizierungen und staatlichen Vorschriften brauche es bei diesen sehr viel Spezialistenwissen, wie es in der Schweiz praktisch nur Londero vorweisen könne. «Ein normales Polizeiauto kann jeder Handwerker bauen.»

 

Mit dem LKW auf Weltreise

Mit schnellen Schritten durchmisst der Firmenchef seine Werkstatt. Als Laie auf dem Gebiet der Blaulichtnutzfahrzeuge ist es nicht immer leicht, ihm zu folgen. Seine Schilderungen zeugen von grossem technischem Verstand – vor uns steht ein Mann mit grosser Leidenschaft für sein Gebiet. Technische Expertise für Ambulanzen hat sich Raphael Londero während vieler Jahre als Rettungssanitäter angeeignet. Später war er in einer Führungsfunktion sozusagen auf der Käuferseite unterwegs. «Ich wusste genau, was die kritischen Punkte sind, welche Bauteile häufig kaputtgehen und so weiter.» Also machte er sich vor gut fünf Jahren selbständig. «Unser erster Auftrag war allerdings ein LKW im Auftrag eines Kunden, der darin zehn Jahre lang auf Weltreise gehen wollte – mit Windgeneratoren, Lichttherapie, Verbrennungs-WC und vielen anderen aufwendigen Ausbauten.»

Londero arbeitet intensiv an einer dritten Eigenentwicklung, am vollelektrischen Rettungswagen e-Lo.

Die Basis für die Londero-Ambulanzen ist in den meisten Fällen das Chassis eines Mercedes Sprinter. Diese werden mit einer speziellen Kabine («Häuschen») eines Drittanbieters aus Deutschland angeliefert. «Europaweit hat Mercedes bei den Ambulanzen einen Marktanteil von sicher 90 Prozent.» Den ganzen Rest macht dann Londero. Der Firmenchef führt uns in einen Bürocontainer innerhalb seiner Produktionshalle, in dem verschiedene Messgeräte stehen. «Wir bauen jedes Auto auseinander und setzen es wieder zusammen, jedes Kabel und jede Antenne wird auf ihre Funktionalität geprüft.» Noch die kleinste Schraube werde mit einem Newtonmeter kontrolliert. «Alleine bei den Blaulichtbalken gibt es so viele Varianten und spezifische Anforderungen, dass alles sehr genau geprüft werden muss.»

Verschiedene Bauteile stellt das Volketswiler Unternehmen sogar selbst her. Besonders erwähnenswert sind die von Londero entwickelte Luftfederung und das Schliesssystem für Kofferaufbauten, also innen oder aussen an der Kabine angebrachte Schränke. Londero führt uns zu einem Mercedes Sprinter mit einem grösseren Aussenschrank. «Darin befindet sich ein Treppenstuhl für den Transport von nicht gehfähigen Patienten über Treppen.» Das Schliesssystem von Londero sei weniger anfällig auf Verschleiss, die Türen würden sehr dicht schliessen. Auch sei es einfach zu verbauen. «Und wenn die Elektronik ausfällt, verklemmt es nicht.» Zudem lasse es sich in die Zutrittssysteme der Spitäler integrieren. «Dann dient der Mitarbeiter-Badge mit den hinterlegten Berechtigungen beispielsweise als Schlüssel für das Auto oder für den Medikamentenschrank.» Dieses System habe Londero rund fünfzigmal verbaut, bevor Engpässe bei den chinesischen und deutschen Lieferanten für die elektronischen Komponenten aufgetreten seien. «Eigentlich hätten wir es tausendfach verkaufen können.» Jetzt sei Londero an der Entwicklung geeigneter Alternativen ohne grosse Abhängigkeiten von einzelnen Zulieferern.

Ähnlich innovativ wie das Schliesssystem ist die von Londero konzipierte Luftfederung, bestehend aus feuerverzinkten Materialien. «Die Luft darin wird zusätzlich beheizt und befeuchtet, so dass die Fahreigenschaften immer gleich sind.» Die Direktsteuerung jedes einzelnen Luftfederbalgs garantiere beim langsamen Fahren eine besondere, schwammähnliche Weichheit – eine Qualität, die von den Patienten besonders geschätzt werde. «Bei schnellen Blaulichtfahrten wird unser Federungssystem dagegen automatisch zu einer Art Sportfahrwerk.»

Besonders intensiv arbeitet Londero derzeit an einer dritten Eigenentwicklung, nämlich am vollelektrischen Rettungswagen e-Lo. Das Kürzel steht für die Marke, unter der Londero das Fahrzeug dereinst vertreiben möchte. Die Basis für Londeros e-Lo ist der Mercedes Sprinter, allerdings ergänzt durch ein 800-Volt-System, bestehend aus zwei Batterien mit 22 kW Ladeleistung und einer elektrisch angetriebenen, zusätzlichen Achse. «Die Achse beziehen wir aus den USA, die Batterien aus Süddeutschland.» Beide Komponenten seien derzeit das Nonplusultra des technisch Machbaren in Sachen Elektromobilität, «und gerade deswegen sind sie für den Einsatz in normalen Nutzfahrzeugen deutlich zu teuer». Bei der Investitionsentscheidung für eine Ambulanz falle das weniger ins Gewicht, weil diese ohnehin sehr kostspielig sei. «Für die elektrische Ambulanz zahle ich zwar vielleicht 500 000 Franken, anstatt 300 000 Franken für eine konventionelle, aber dafür ist die Lebenserwartung der batteriebetriebenen mit rund zehn Jahren doppelt so lang.»

 

Zwischen Flux und Designwerk

Der Firmenchef ist überzeugt, dass seine neue Elektroambulanz ein Verkaufsschlager wird. «Obwohl sie erst als Konzept besteht, verzeichnen wir bereits ein riesiges Interesse, insbesondere aus den nordischen Ländern und aus dem arabischen Raum.» Der elektrische Londero sei in der Gewichtsklasse zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen das technisch beste Produkt. Es gewährleiste eine vollelektrische Reichweite im anspruchsvollen Rettungsbetrieb von 450 Kilometern. Ähnlich hochstehende vollelektrische Nutzfahrzeugantriebe bieten die beiden Winterthurer Unternehmen Flux Mobility und Designwerk, «Flux Mobility für Fahrzeuge unter 3,5 Tonnen, Designwerk für LKW». Aus Sicht der grossen Hersteller im Massenmarkt seien diese Technologien noch uninteressant, weil zu teuer. Sie geben sich mit Systemen zufrieden, die unter Realbedingungen mit einer vollen Batterieladung vielleicht 200 Kilometer weit kommen.

In dieser doppelten Nische – einmal in Bezug auf die Gewichtsklasse und einmal in Bezug auf die hohen Anforderungen im Ambulanzenalltag – habe Londero weltweit ein Alleinstellungsmerkmal. Wie rasch sich dieses in kommerziellen Erfolg verwandeln lasse, hänge im Wesentlichen von den Investoren und von möglichen Partnerschaften ab. In gutschweizerischer Manier wolle er die Kontrolle über seine Entwicklung behalten und das Know-how im Land. Zurzeit wartet er auf die Lieferung der Achse aus den USA für den Prototyp. «In ein paar Monaten sind wir damit auf der Strasse», so Londero.