Weltwoche: Herr Bührer, wie geht es Ihnen?

Gerold Bührer: Mir geht es in jeder Hinsicht gut. Ich geniesse die gewonnene Freizeit, gehe meinen Hobbys nach, habe mehr Zeit für die Familie und meine Frau Elisabeth und pflege interessante, bereichernde Freundschaften.

Weltwoche: Sie waren sechzehn Jahre lang für die FDP im Nationalrat – vermissen Sie die Politik eigentlich nicht, oder sind Sie noch aktiv?

Bührer: Als ich mich 2012 mit Abschluss des Präsidiums von Economiesuisse nach dreissig Jahren in politischen Ämtern von der Bühne zurückzog, hatte ich keine Entzugserscheinungen. Das war wirklich eine interessante Zeit. Klar, wenn man so lange politisch mitwirken konnte, kann und soll man nicht von heute auf morgen abschalten. Ich verfolge von daher die politische Szenerie weiterhin intensiv.

Weltwoche: Was hat Sie dazu bewogen, 1982 als Schaffhauser Kantonsrat in die Politik einzusteigen?

Bührer: Ich war schon während des Studiums ein politisch interessierter Mensch. Eindrücke von einer Reise mit achtzehn Jahren an die Berliner Mauer und ein Sprachaufenthalt im ökonomisch darniederliegenden Grossbritannien haben mich zum Liberalismus geführt. Von da an war mir bewusst, ich muss mich für die freiheitlichen Ideale in Politik und Wirtschaft einsetzen.

Weltwoche: Was läuft in der Schweizer Politik gut, was nicht?

Bührer: Gut finde ich in unserem System, dass bei einzelnen Fragen auch über die Fraktionsgrenzen hinweg Lösungen gefunden werden, wie beispielsweise bei den jüngsten energiepolitischen Beschlüssen. Schade finde ich, dass sich die Tendenz zugunsten des Kurzfristigen und zulasten der strategischen Ausrichtung in den letzten Jahren noch verschärft hat. Und was mich als ehemaliger Finanzpolitiker insbesondere stört, ist, dass man zwar Nachhaltigkeit predigt, in der Finanzpolitik und in der Altersvorsorge jedoch die Zügellosigkeit trotz Schuldenbremse Vorrang gewonnen hat.

Weltwoche: Und in der Wirtschaft?

Bührer: Mit dem Leistungsausweis der Wirtschaft dürfen wir im internationalen Vergleich sehr zufrieden sein. Dank der guten Stellung unserer Unternehmen konnte all den Krisen zum Trotz die Arbeitslosigkeit niedrig gehalten werden, und der Staat profitierte von deutlich steigenden Steuereinnahmen. Leider wird all dies in der breiten Bevölkerung zu wenig wahrgenommen. Hier besteht auch eine Bringschuld seitens der Unternehmen. Sie müssen sich der Öffentlichkeit gegenüber besser und verständlicher erklären und engagieren. Für mich persönlich war dies immer wichtig.

Weltwoche: Womit beschäftigen Sie sich heute hauptsächlich?

Bührer: Nachdem ich mit siebzig aus den Vizepräsidien von Swiss Life und Georg Fischer ausgeschieden bin und vor einem Jahr auch das Präsidium bei den Schaffhauser Nachrichten abgegeben habe, habe ich heute lediglich noch zwei Mandate inne. Die Beschäftigung mit medienpolitischen Fragen hat mich immer interessiert. Ich nutze die freie Zeit mit viel Lektüre. Hie und da greife ich auch zur Feder und publiziere Artikel. Insbesondere verfolge ich die politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen und die Lage an den Finanzmärkten intensiv. Was mir aber am meisten Freude bereitet, ist, dass ich für meine Frau Elisabeth und die Enkelkinder viel Zeit habe. Wir unternehmen mehr Reisen, besuchen Konzerte und sind im Winter und Sommer vermehrt in unserem Feriendomizil in Villars-sur-Ollon unterwegs.

Weltwoche: Wie halten Sie sich fit?

Bührer: Ich habe nie so viel Sport betrieben wie jetzt. Wandern, Joggen, Skifahren, Schneeschuhlaufen und Schwimmen stehen zuoberst auf der Agenda. Dabei freut es mich besonders, dass wir dies bisher mit guter Gesundheit zusammen unternehmen können. Wenn keine besonderen Termine anstehen, versuche ich pro Woche fünfzig Kilometer zurückzulegen. Die Natur, vor allem in den Bergen, geniesse ich so richtig.

Der Schaffhauser Gerold Bührer, Jahrgang 1948, sass zwischen 1991 und 2007 im Nationalrat. Von April 2001 bis November 2002 war er FDP-Präsident, von 2007 bis 2012 Economiesuisse-Chef. Bührer ist in zweiter Ehe mit Elisabeth Zölch verheiratet und hat ein erwachsenes Kind.