Mir sind persönlich verschiedene Leute bekannt, die im Falle eines Lottogewinns als Erstes einen Mercedes der G-Klasse bestellen würden. Der «G» – G wie Geländewagen – ist der Traum vieler Autoliebhaber und insbesondere vieler Frauen, denen die kastenartige Form, die über dem Strassengeschehen schwebende Sitzposition und der scheinbar unverwüstliche Auftritt des Allradfahrzeugs grosses Vertrauen auszudrücken scheinen.

Dieser Geländewagen ist eine Ikone der Robustheit und in einer sich vor lauter Innovationen überschlagenden (Auto-)Welt ein Bekenntnis zu traditionellen Werten und Tugenden. Denn auch wenn mittlerweile die vorderen Räder nicht mehr an einer Starrachse hängen, sondern einzeln aufgehängt sind, und auch wenn die G-Klasse heute viele Attribute moderner SUVs hat, sind die Wagen der G-Klasse, die seit 1979 nur wenig verändert wurde, trotzdem keine SUVs.

Ein Autofreund sagte mir im Gespräch über die G-Klasse – und darüber kann man mit dem richtigen Gegenüber sehr lange sprechen –, der Mercedes sei zwar in kaum einer Disziplin besser als vergleichbare Modelle, aber trotzdem einfach begehrenswert. Ich fuhr eine Woche lang einen Mercedes-AMG G63, der in der G-Manufaktur an verschiedenen Stellen individualisiert worden war: mit einer Speziallackierung, schwarzem Stern auf der Front oder schön verarbeitetem Leder mit roten Kontrastnähten.

Aus ästhetischer Sicht erlaubt einem dies einen Auftritt, der kaum unbeachtet bleibt. Aus praktischer Sicht ist eine G-Klasse sicher nicht das nützlichste Allradfahrzeug der Welt. Das Reserverad am grossen Heckportal ist oft im Weg, die Platzverhältnisse – vor allem hinten und im Gepäckraum – sind überraschend bescheiden, der Wendekreis ist so gross wie bei einem Lastwagen, und so gestaltet sich auch der Einstieg in die erhabene Fahrerposition: Man zieht sich am Lenkrad hoch wie ein LKW-Fahrer, um am Steuer eines fahrbaren Metallschranks Platz zu nehmen.

Sich dem «G-Feeling» zu entziehen, ist dennoch nahezu unmöglich, dafür müsste man in Autofragen schon ein ziemlich kaltherziger Feind fortgeschrittener Mechanik sein. Wenn der V8-Biturbo-Motor fast ein wenig drohend und donnernd startet und einen auf jedem Meter mit einer gutdosierten Klangkulisse wie ein nahendes Gewitter begleitet, ist das im Leben jedes PKW-Fahrers ein besonderer Moment.

Wer im Lotto gewonnen hat oder aus anderen Gründen in der Lage ist, beim Mercedes-Händler eine G-Klasse zu bestellen, muss ausserdem auch etwas Geduld mitbringen – bis zu zweieinhalb Jahre, wie man hört. Die Kapazitäten beim Hersteller Magna Steyr in Graz sind beschränkt, die Beliebtheit des Autos ist ungebrochen gross. Wer sich einmal auf die Fahrerposition hochgezogen hat, weiss warum.

Mercedes-AMG G63

Motor/Antrieb: Biturbo V8, Allradantrieb 4 Matic, 9-Gang-Automatik; Hubraum: 3982 ccm; Leistung: 585 PS (430 kW); max. Drehmoment: 850 Nm bei 2500–3500 U/min; Beschleunigung (0–100 km/h): 4,5 sec; Höchstgeschwindigkeit: 220 (240) km/h; Verbrauch (WLTP): 13,2 l / 100 km; Preis: Fr. 212 100.–, Testauto: Fr. 256 132.–