Für seine Anhänger ist Toni Iwobi der negro bergamasco, für seine Feinde ist er ein Verräter an der Sache der Schwarzen. Bei den Parlamentswahlen am 4. März wurde Iwobi als Ita­liens ­erster schwarzer Senator gewählt, und zwar, was viele besonders schockierend fanden, als Kandidat der Lega, der populistischen Partei, die von den Mainstream-Medien normaler­weise als rassistisch, rechts-extrem und fremdenfeindlich bezeichnet wird.

Tatsächlich ist Toni Iwobi der einwanderungspolitische Sprecher der Lega, deren Standpunkt nicht klarer sein könnte: Alle illegalen Einwanderer sind auszuweisen, und jede weitere illegale Zuwan­derung über das Mittelmeer nach Italien muss beendet werden. «Che vergogna!» (Welche Schande!), twitterte der schwarze italienische Profi­fussballer Mario Balotelli (mit ghanaischen Wurzeln) nach der Wahl von Toni Iwobi.

Zu Balotellis Kommentar will sich der schwarze Senator, der entschlossen ist, den Zustrom schwarzer Migranten (er und seine Partei sprechen von einer «Inva­sion») zu beenden, nicht äussern. Sein unerschrockener Parteichef Matteo Salvini, ein leidenschaft­licher Fan der AC Milan, erklärte jedoch: «Ich habe von Balotelli auf dem Platz noch nie viel gehalten, abseits des Platzes noch viel weniger.»

Ist Iwobi also ein Rassist, ist die Lega eine rassistische Partei, als die sie von der scheidenden linken Regierung und grossen Teilen der Medien gern bezeichnet wird?

Anfang als Strassenkehrer

Darauf hat Iwobi eine klare Antwort: «Was ist Rassismus? Rassismus ist, wenn eine Person oder eine Gruppe von Personen sich einer anderen Person oder Gruppe von Personen aufgrund ihrer Hautfarbe überlegen fühlt. Wenn eine Partei für Kultur, Grenzen und Traditionen ihres Landes eintritt, ist das rassistisch? Wenn ja, dann wäre Rassismus das falsche Wort.»

Der 62-jährige neue Senator besitzt eine Computerfirma in der Nähe von Bergamo in der Lombardei, beschäftigt acht Mitarbeiter (wegen der Wirtschaftskrise, die Italien seit 2011 fest im Griff hat, musste er vier Leute entlassen). Vor vierzig Jahren kam er aus Nigeria mit einem Studentenvisum nach Italien, um Maschinenbau zu studieren. Er jobbte als einfacher Arbeiter, etwa als Strassenkehrer in Mailand, bevor er seine Firma gründete.

Er ist Katholik, mit einer Italienerin verheiratet, hat zwei Kinder und besitzt die doppelte Staatsbürgerschaft. «Ich bin ein Italo-Nige­rianer und fühle mich auch so», sagt er. Sein Lieblingsgericht ist polenta e coniglio, eine Bergamasker Spezialität.

Und er besteht darauf: «Ich versichere Ihnen, die Lega verfolgt absolut keine Politik, die man als rassistisch bezeichnen könnte.»

Sehen das seine Gegner nicht ein wenig anders? «Schauen Sie, Sie sind Journalist. Sie kommen in der Welt herum. Kennen Sie ein zweites Land, wo – wie in Italien – illegale Einwanderung legal ist?» Damit bezieht er sich auf die Tatsache, dass illegale Einwanderung von einer der vier linken Regierungen seit Berlusconis Rücktritt im Jahr 2011 ent-kriminalisiert wurde. Und genau das will die Lega rückgängig machen.

Im Wahlkampf war die Migrantenkrise das wichtigste Thema, wichtiger noch als die Wirtschaftskrise.

Wut über Absurdität

Mehr als eine halbe Million Migranten sind in den letzten vier Jahren über Libyen nach Italien gekommen, die allermeisten auf Booten von Hilfsorganisationen und EU-­Marineschiffen.

Die Wut der Italiener, die sich über diese absurde Situation empören, hat zu einem beträchtlichen Stimmenzuwachs für die Lega geführt, die bei den letzten Wahlen auf fast 18 Prozent kam (2013 waren es noch knapp über 4 Prozent gewesen). Die Lega wurde damit zum ersten Mal die führende ­Partei innerhalb der Rechtskoalition, noch vor Berlusconis Forza Italia, die auf 14 Prozent kam (gegenüber 21,5 Prozent im Jahr 2013).

Die Rechtskoalition errang insgesamt 37 Prozent der Stimmen, mehr als jede andere Partei oder Koalition, blieb aber deutlich unterhalb der 40 Prozent, die für eine parlamentarische Mehrheit notwendig sind. Die Fünf-Sterne-Bewegung schnitt mit 33 Prozent der Wählerstimmen am besten ab, während die scheidende linke Regierungskoalition auf gerade einmal 22 Prozent kam. Italien befindet sich nun, wieder mal, in einem komplizierten Prozess der Regierungsbildung.

Iwobi trat vor 25 Jahren der Lega bei. Warum die Lega? «Nirgendwo steht geschrieben, dass ein Schwarzer einer linken Partei beitreten muss», sagt Iwobi und lacht schallend. «Mein Hauptmotiv war, dass die Lega fiskalischen ­Föderalismus einführen wollte. In Nigeria haben die Regionen Autonomie, und auch wenn das nicht immer hundertprozentig funktioniert, so konnten doch viele schwierige Pro­bleme gelöst werden. Mir schien, in Italien könnte ein solches System ähnlich vorteilhaft sein.» Iwobi sagt, er habe in der Partei nie Rassismus erlebt, nur «gegenseitigen Respekt» und «sehr viel Freundschaft».

Wie viele illegale Migranten gibt es derzeit in Italien?

«Nach Angaben des Innenministeriums sind zwischen 2013 und Mitte letzten Jahres 700 000 Personen eingetroffen – und nur 10 Prozent davon seien echte Flüchtlinge.» Die anderen 90 Prozent müssten zurückgeschickt werden, sagt Iwobi, und das bedeutet, dass bilaterale Abkommen mit den betreffenden Ländern geschlossen werden müssen.

Unlängst hat die libysche Küstenwache angefangen, Migranten auf See aufzugreifen und sie wieder an Land zu bringen, was nach Aussagen vieler Betroffener bedeutet, dass sie in einem rechtlosen Staat in Konzentrations­lagern gefangen gehalten werden.

«Fast alle wollen nach Hause»

«Schauen Sie, Nigeria hat im letzten Jahr mit Libyen ein Rückführungsabkommen geschlossen und bereits 6000 Nigerianer auf­genommen. Wir müssen diesen jungen ­Männern in ihren Herkunftsländern helfen. Hier in Italien werden sie wie Tiere behandelt. Sie können nicht arbeiten, ihre Situation ist hoffnungslos – genau das ist Rassismus, linker Rassismus.»

Wie viele Migranten werden ausgewiesen? «Praktisch niemand. Ich kenne viele, fast alle wollen nach Hause, aber sie haben kein Geld. Wir müssen jungen Afrikanern klarmachen, dass Italien nicht das gelobte Land ist und dass es hier keinen Platz gibt. Wissen Sie, wie viele junge Italiener emigrieren müssen? Die Jugendarbeitslosigkeit beträgt 35 Prozent. Wenn es für Ihren eigenen Sohn keine Arbeit gibt, dann gibt es auch für den Sohn Ihres Nachbarn keine Arbeit.»

Die Massenmigration, sagt der negro bergamasco, sei nichts anderes als «moderne Skla­verei» – und es sei Zeit, diese Verhältnisse zu ­beenden: «Basta, finito!»

 

Aus dem Englischen von Matthias Fienbork