Es war höchstens Liebe auf den zweiten Blick. Oder den vierten. Und es war von Anfang an eine Ménage-à-trois. Denn meine künftige Liebe musste ich zuallererst mit meiner holden Gattin teilen. Aber fangen wir von vorne an . . .

Die ersten grossen Motorradtouren bestritten meine Frau und ich auf einer Yamaha, der legendären FJ 1200. Ein in allen Aspekten grosszügiges Motorrad. Bulliger Motor, viel Platz für Sozia, Köfferchen und Krimskrams, durchzugsstark und tolerant, was Übergepäck, Fahrkönnen oder Drehzahl anbelangte. Sie verzieh alle Fehler – nur Gelände, Kies oder Waldwege konnte sie nicht leiden. Da schwamm sie wie ein Drittklässler während der Mathearbeit. Trotzdem brachte sie uns nach Ungarn, in die DDR, in die Wachau oder auf eine grandiose Tour de France.

Dann hiess es Abschied nehmen. Denn das Herz des Töfffahrers flog der nächsten Schönheit zu. Einer sehr sportiven zudem. Honda CBR XX 1100 hiess das verschärfte Teil. Von ihren Verehrern ehrfürchtig «Blackbird» geheissen, drückte der Dampfhammer über 150 PS auf die Strasse und war für zwei Jahre mit 290 km/h das schnellste Serienmotorrad der Welt. Aber der schwarze Vogel war zwar teuflisch schnell, jedoch nicht wirklich tourentauglich.

Dass Schmerzen an Handgelenken und am Rücken, eingeschlafene Füsse oder ein steifer Nacken nicht zum Tourenfahren gehören, wurde mir erst klar, als die beste Ehefrau von allen vom Sozius auf ihre eigene BMW R 1100 R stieg. Das war jetzt endlich Motorradfahren in seiner entspannten Form! Aufrechte Sitzposition, die Hände entlastet, der Rücken ausbalanciert – kultiviertes Fahren.

 

Wachsende Zuneigung

Und dann kam der legendäre «Summer of ’06», der Beginn einer grossen Liebe in Etappen. Die erste kam mit einem folgenschweren Tipp. Wir standen drei Wochen vor einer Töfftour in die slowenischen Berge. Die Gattin war zwar zufrieden mit der R 1100 R, mehr aber auch nicht. Da ich schon mehrmals eine GS gefahren war, empfahl ich ihr die GS für eine Probefahrt. Was kurz vor der Reise auch geschah. Und geschehen war es damit auch um die R 1100 R. Meine Frau war so angetan von der GS, dass die Maschine kurz vor dem Start in die Ferien noch bestellt werden musste.

Wer denkt, eine GS lenke man mit dem Lenker, liegt ziemlich falsch.

Ein unternehmerisch denkender Töffhändler – «Geht nicht, gibt’s nicht!» – überstimmte seine Verkäufer. Der legendäre Kurt Mader sorgte dafür, dass pünktlich, kurz vor der Abfahrt, die erste GS in unserer Garage stand. Bald folgte die zweite Maschine für mich selbst, und seither ist die BMW in verschiedenen Modelljahrgängen so etwas wie die gemeinsame Liebe unseres Lebens.

Auch wenn die Zuneigung nicht sofort gross war: Denn gross war zunächst vor allem die Maschine und für eine Frau mit gestreckten 1,72 Metern nicht einfach zu zähmen. Sitzhöhe fast 800 Millimeter, getankte 250 Kilo schwer, das liess beim Manövrieren nicht viel Spielraum. Aber nach einem ersten Abwurf in den Wäldern Nordsloweniens drängten immer stärker die Vorzüge anstelle der Macken in den Vordergrund. Ich hatte mich nach dem hochgetunten Vierzylinder an den traktorigen Boxer gewöhnt, und meine Frau lernte die Dimensionen der GS zu meistern und die Stärken zu lieben.

Und Stärken hat die BMW R 1200 GS reichlich. Sie ist erstaunlich handlich, sie verzeiht fast alle Fahrfehler, sie ist gutmütig, kann aber auch zulangen. Ihr rauer Boxermotor ist vielleicht nichts für Ästheten, aber er hält und hält und hält. Aber was wohl das Wichtigste ist: Sie hat ein Fahrwerk, das von Beginn weg zu den Besten in der Szene gehörte und mit jedem Modell noch besser wurde.

Wer denkt, eine GS lenke man mit dem Lenker, liegt ziemlich falsch. Eigentlich steuert man sie mit dem Allerwertesten. Sie spricht auf jede Bewegung sofort an, neigt sich entspannt in die Kurve, stellt sich ohne Zicken wieder auf. Stoisch fährt sie ihren Weg, ohne lästiges Lenkerschlagen, Schlingern oder Stottern. Gelände-Unebenheiten schlucken Fahrwerk und vor allem der geniale Telelever, diese BMW-eigene Aufhängung des Vorderrads.

Es ist diese spielerische Leichtigkeit eines stattlichen Brockens in Kombination mit einem bedingungslosen Urvertrauen, das man ihr entgegenbringen kann, welches die GS in den letzten vierzig Jahren zum mit Abstand wichtigsten Reisemotorrad gemacht hat. Die GS ist ein Long- und Bestseller, regelmässig steht das Motorrad an der Spitze der Verkaufszahlen. Daran kann auch ein Preis, der deutlich über den meisten vergleichbaren Modellen liegt, nichts ändern. Und die Konkurrenz ist mittlerweile gross. KTM, Ducati, Yamaha, Honda oder auch Triumph bieten Reisemaschinen in hoher Qualität und verschiedenen Ausprägungen an. Aber am Ende kann es nur einen Liebling der Massen geben.

 

Begeisterung seit zwanzig Jahren

Die BMW R 1200 GS begleitet uns jetzt seit bald zwanzig Jahren. Meist standen gleich zwei in der Garage. Sie haben uns von Nordschottland bis nach Rumänien, von Portugal bis nach Litauen begleitet. Sie haben uns über den Balkan getragen, das Périgord oder die Basilicata entdecken lassen, sie hatten die Nordsee vor den langen, charakteristischen Nasen, standen paarweise vor den Cliffs of Moher und zirkelten über die schmalen Weinstrassen der Toscana. Sie gingen mit uns durch die Hitze Zentralspaniens und durch die Regenwände in der Wachau. Und sie haben uns (fast) nie im Stich gelassen.

Mit den Jahren wurden die GS mit Gimmicks aufgepeppt, mit elektronischer Unterstützung wie Berganfahrhilfe, Tempomat, Kurven-ABS, Antischlupfregelung, und bei der neusten Modellreihe, der neuen BMW R 1300 GS gibt es sogar einen Radar-Abstandhalter. Viel wichtiger ist aber: Über all die Modelle und Jahre ist dieses unglaubliche, fast schwerelose Gleiten durch die Kurven, dieser Tanz über Hügel und Pässe, geblieben. Ein starkes Gefühl, das einen nicht mehr loslässt.