Was bedeutet Ihnen Mode?» – «Lifestyle, Inspiration und sich immer wieder überlegen: ‹Wie gut will ich heute aussehen?› Und ‹Kleider machen Leute› ist ein alter Satz, aber er hat immer noch seine Berechtigung.» – «Sie sind oft ähnlich angezogen, heller Anzug und farbiges Hemd, Ihre Uniform sozusagen?» – «Das ist eine subjektive Wahrnehmung. Ich hab das Gefühl, ich sei mutiger in der Kleidung als viele. Wenn ich eine fast neongelbe Hose anhabe oder eine neongrüne, fühle ich mich ein wenig wie ein Kanarienvogel; zwischendurch eine kurlige Farbe zu tragen, stellt mich auf, aber es ist nicht die Regel, die meiste Zeit bin ich in Blau oder Beige oder Grau.» – «Taki Theodracopulos, der in die ‹Best-Dressed List’s Hall of Fame› aufgenommen wurde, ein Modegott also, sagt, es gebe keinen Grund, mit der Mode zu gehen. Was sagen Sie dazu?» – «Ich hab ein wenig déformation professionelle, weil ich in dem Umfeld [Mode] aufgewachsen bin. Und weil ich das bin, versuche ich, mit der Mode zu gehen.» – «Sie sind, sagen wir, über 50. Wie schaffen Sie es, dranzubleiben an der Mode?» – «Ich habe ­einen inneren Motor, und ich reise viel. Und dann sehe ich unglaublich viel mit all den Marken, die ich habe.»

Sami Bollag, 71, ist vielleicht der wichtigste Schweizer Modeunternehmer, von dem man noch nie etwas gehört hat (ausser man ist aus der Branche). Seine Bollag-Guggenheim Fashion Group vertreibt Kleider von über ­einem Dutzend Marken in der Schweiz, darunter Guess, Marc O’Polo, Henry Cotton’s und Iro. Zudem betreibt das Unternehmen mit zirka 150 Mitarbeitern mehr als zwanzig Geschäfte, die Mode dieser Marken verkaufen. Angefangen hat Bollag bei der damals neuen Firma Esprit, deren Kleider er in die Schweiz holte und deren Esprit für ihn laufbahnentscheidend war. Seine Frau, die das Unternehmen mitgründete, kümmert sich seit einiger Zeit zur Hauptsache um die Kunstsammlung, die er angefangen hat aufzubauen. Das Paar hat zwei erwachsene Töchter und lebt in Zürich.

«Geht man als Mann eher overdressed oder underdressed an einen Anlass?» – «Das kommt auf die Persönlichkeit drauf an. Wenn einer im Leben ein Exot ist, muss er sich auch exotisch geben. Ich habe einen Kollegen, der in Holland für Esprit arbeitete, ein casual Typ; er musste einmal auf die Bank, wegen eines Kredits. Er zog dafür eine Schale an – und bekam den Kredit nicht. Danach sagte er: ‹Ich zieh nie mehr einen Anzug an, ich komme nur noch so, wie ich bin.›» – «Welches Kleidungsstück muss eine Frau diesen Sommer tragen?» – «Die Mode wurde demokratisiert, es gibt kein Mode­diktat mehr. Im Moment sind schöne Blumendruckkleider aktuell, eher eng, körperbetont, tailliert, nicht zu lang, ein bisschen sexy. Ein aktueller Trend sind Salopettes, Latzhosen und Overalls, für die Mutigen.»

«Weshalb soll ein Kunde ein Polohemd von Marc O’Polo kaufen, das zweieinhalbmal so viel kostet wie ein gleiches No-Name-Polo?» – «Eine Marke hat eine Begehrlichkeit. Und, nach unseren Kriterien, eine Preisskala. Und diese Skala messen wir, wenn wir sagen, wir wollen die begehrteste Casual-Marke Europas sein, an unseren Benchmarks [Referenzgrös-sen]. Dann kommt man zu einem Preisgefüge, von dem man glaubt, der Konsument akzeptiere es nicht nur, sondern er wolle es. Und wir versuchen, optimale Qualität zu liefern.» – «Sind Sie ein diskreter Geschäftsmann? Es gibt nicht den grossen recherchierten Bericht über die Bollag Guggenheim Holding . . .» – «Ich würd mich so definieren: Ich hatte das Glück als junger Bursche, einen Visionär kennenzulernen, Douglas Tompkins, den founder von Esprit. Und habe mich mein ganzes Leben an mein Vorbild, meinen Mentor gehalten – ich bin im Hintergrund, und die Marke ist im Vordergrund.» – «Und in der Bilanz-Reichsten­liste habe ich Sami Bollag auch nicht gefunden . . .» – «Nein, dort bin ich nicht drauf.» – «Geben Sie Zahlen bekannt?» – «Es ist eine private Firma. Und es stellt sich immer die Frage: Was für einen Umsatz gibt man an, Wholesale [Grosshandel] oder Retail [Einzelhandel]? Aber ich kann sagen: ‹Wir sind gut gewachsen.›»

«Sie sind ausserdem Schweizer Präsident von Keren Hajessod, der Organisation, die Spenden sammelt für Israel [seit zwölf Jahren, er wendet zwei Tage je Woche dafür auf]. Warum sollte jemand im Ausland Israel unterstützen?» – «Das ist eine Verpflichtung. Weil jede jüdische Person mit einem Bein, mit ihrer Identität, mit Israel verwachsen ist.»

Sein liebstes Restaurant: «Ich würd sagen, dort wo ich am meisten hingehe, das ist die ‹Kronenhalle›.»
«Kronenhalle», Rämistrasse 4, Zürich, Tel. 044 262 99 11.