Donald Trump erklärte seinen Anhängern die Beziehung zwischen den USA und Saudi-Arabien mit dem ihm eigenen Biertisch-Humor: «Ich sagte zu König Salman: ‹König, wir beschützen dich. Du würdest keine zwei Wochen ohne uns überleben. Du solltest für dein Militär bezahlen.›» Trumps erste Auslandsreise ging 2017 nach Saudi-Arabien, wo er mit den Prinzen einen traditionellen Säbeltanz aufführte, nachdem er einen Deal über Waffenlieferungen von mehr als hundert Milliarden Dollar abgeschlossen hatte. Trump twitterte damals: «Jobs, jobs, jobs».

Zu dieser Zeit bombardierte die saudische Luftwaffe schon seit zwei Jahren Tag für Tag den Jemen. Die Golfmonarchie führt an der Spitze einer Militärallianz arabischer Länder seit 2015 einen Krieg gegen den Jemen. Laut Angaben aus Riad war das Kriegsziel, den Aufstand der vom Iran unterstützten Huthi-Miliz Ansar Allah zu beenden und den geflohenen jemenitischen Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi wieder in Amt und Würden zu bringen. In Wirklichkeit geht es dem saudischen König Mohammed bin Salman um weit mehr als Verfassung und Rechtmässigkeit im Jemen.

USA, Grossbritannien, Frankreich helfen

Saudi-Arabien betrachtet das kleine südliche Nachbarland als seinen Hinterhof, in dem es aus geostrategischen Gründen für Ordnung zu sorgen hat. Seit Mitte des letzten Jahrhunderts haben die Saudis sechs Mal im Jemen militärisch eingegriffen. Bei der jüngsten Intervention leisteten vor allem die USA, Grossbritannien und Frankreich Unterstützung.

Der Jemen war schon vor dem Krieg das ärmste Land der arabischen Welt. Es fördert zwar Gas und Öl, aber die Vorkommen werden auf nur 0,2 Prozent der Weltreserven geschätzt. Das Land liegt jedoch an einer strategisch wichtigen Meerenge, einem Nadelöhr zwischen Rotem Meer und Golf von Aden, wo täglich vier Millionen Barrel Öl durchgeschleust werden.

Im Jemen wird der Machtkampf zwischen den USA und dem Iran der Ajatollahs ausgetragen.

Der Westen nimmt also im Jemen die bekannten «vitalen Interessen» wahr. In einer überparteilichen Studie zuhanden des US-Kongresses wurden Ende letzten Jahres die Gründe für den Krieg aufgeführt. Im Jemen agierten «internationale Terroristengruppen», heisst es da, und ein gescheiterter Staat Jemen wäre nicht nur eine Gefahr für die Schifffahrt, sondern würde es überdies dem Iran erlauben, «die Grenzen von Saudi-Arabien zu bedrohen».

300 000 Menschen getötet

Die aufständischen Huthi-Milizen haben seit 2014 einen grossen Teil des Landes unter ihre Kontrolle gebracht. Ihre führenden Köpfe wurden im Iran in der islamischen Hochschule von Qom ausgebildet. Sie bekämpfen die Regierung Hadi, aber auch die sunnitischen Muslimbrüder und die saudischen Wahhabiten, die einen fundamentalistischen Islam im Jemen verbreiten. Es geht aber, wie im gesamten Mittleren und Nahen Osten, nicht wesentlich um Religionskriege, sondern um politische Machtkämpfe entlang ethnisch-konfessioneller Grenzen.

Die Huthis gehören zu den Haschemiten, einer Elite von politischen Führern und Religionsgelehrten, die sich auf direkte Abstammung vom Propheten Mohammed beruft. Bis zur Ausrufung der Republik im Jahr 1962 hatte dieser Stammesadel über Jahrhunderte die politische Macht inne. Westliche Regierungen geben sich überzeugt, dass die Huthis – trotz Waffenembargo und Seeblockade der jemenitischen Küsten – vom Iran mit Raketen und Kampfdrohnen beliefert werden. Teheran weist jede Beteiligung an dem militärischen Geschehen im Jemen kategorisch zurück.

Der Krieg im Jemen geht ins achte Jahr. Er wurde von der Uno als die grösste humanitäre Katastrophe dieses Jahrhunderts bezeichnet. Mehr als 300 000 Menschen seien getötet worden, zwei Drittel des 30-Millionen-Volkes seien nicht mehr in der Lage, sich ohne externe Hilfe ausreichend zu ernähren. Im Jemen wird – trotz aller Dementis auf beiden Seiten – in einem Stellvertreterkrieg der Machtkampf zwischen den USA und dem Iran der Ajatollahs ausgetragen.

Wo sind die Jemen-Flaggen?

Die saudischen Kampfjets und Helikopter aus den USA sind in dieser Hinsicht nicht mehr und nicht weniger als das militärische Werkzeug westlicher Geostrategie. Saudi-Arabien führt einen Krieg, der es täglich 200 Millionen Dollar kostet, um zu verhindern, dass der Feind Iran eventuell zu nah an die saudische Grenze kommt. Klingt diese Art von Argumentation seit dem 24. Februar nicht irgendwie bekannt?

In London oder Paris wurden bislang keine Jemen-Flaggen an den Balkonen gesichtet. In Zürich wurden keine Konten saudischer Geschäftsleute gesperrt. Keine Schulklassen singen in Berlin auf der Strasse, um Geld für den Jemen zu sammeln, und keine Parlamentarierin ist in den Jemen gereist, um vor den Ruinen der Luftangriffe Betroffenheit darzustellen. Der Westen ist eben stets bereit, die Konflikte, die man Russen oder Chinesen anlasten kann, mit grosser Empörung zu bewirtschaften. Bei den eigenen Kriegen nimmt man es weniger genau.

Die 3 Top-Kommentare zu "Stell dir vor, es ist Krieg, und niemand schaut hin"
  • maxag

    Warum nur, machen dieses fiese Spiel fast alle Journalisten mit ? Sind die alle gekauft, dumm, erpressbar oder unfähig ? In den USA hat es wenigstens einen, der das nicht mitmacht und fast immer Klartext redet. Er heisst Tucker Carlson und deshalb hier ein Link auf seine Sendung vor 2 Tagen, worum es beim Ukraine Krieg geht. Wenn doch unsere "Gescheitesten" wie Cassis oder Kälin sich die Mühe machen würden nur diese 10 Minuten Wahrheit zu Hören. https://www.youtube.com/watch?v=wGvO8b-tiaM

  • fredy-bgul

    Der Wertewesten hat seine Lämmer gut unter Kontrolle. Die Medien noch besser. Die UKR wird mit PR nach Wunsch des Westens bearbeitet und die grössere Tragödie in Jemen total ausgeblendet. Das sagt bereits alles. Wer die Macht über die Publikation hat, der hat die Macht über die Wahrheit. Ich glaube nicht mehr daran, dass die Medien es schaffen, ehrliche, ausgewogene Berichterstattung zu publizieren. Einzelne gute Ausnahmen beweisen auch hier diese Regel.

  • Harry Callahan

    Gleichzeitig reist Habeck nach Katar, das ebenfalls am Krieg gegen Jemen beteiligt ist, um dort nach Gas zu betteln. Kritik? Fehlanzeige. Mehr Verlogenheit geht nicht.