Laut einer aktuellen Umfrage der Konrad-Adenauer-Stiftung hält ein Viertel der Deutschen die Nachrichten in öffentlich-rechtlichen Medien für nicht glaubwürdig. Auch in der Schweiz nimmt das Vertrauen in die Medien stetig ab. Die in grossen Teilen unkritische Berichterstattung zur Corona-Politik, aber auch die Betrachtung der Welt aus einer überwiegend linken Perspektive sind Kritikpunkte.

Seit das Buch der Polit-Wissenschaftlerin Emilia Roig «Das Ende der Ehe» erschienen ist, lassen die Leitmedien – von ARD über NDR bis SRF – kaum eine Gelegenheit aus, ihre Thesen, in denen sie die Abschaffung der Ehe fordert und Männer oft pauschal in Täter, Frauen in Opfer einteilt, zu verbreiten. Selbstverständlich darf die Autorin die Abschaffung der Institution fordern, das ist legitim. Man kann ihr auch keinen Vorwurf machen, sie hat, wie sie selbst sagt, schlechte Erfahrungen gemacht. Es geht mir auch nicht um ihr Buch. Ulkig ist, wie weite Teile der Medien Roigs Ansichten nicht im Ansatz kritisch hinterfragen, obwohl Skepsis angebracht wäre.

Ja, gewisse Männer sind gewalttätig, aber die grosse Mehrheit ist es nicht.

Die in Berlin lebende Aktivistin sieht die Ehe als hierarchische Institution, in der Frauen von Männern unterdrückt werden. Hier könnte man nachhaken: Wie passt diese Behauptung zu einem aktuellen Bericht, laut dem die Zahl der Eheschliessungen in der Schweiz (aber auch anderswo) wieder steigt? Ehe bedeutet Verbindlichkeit, Verantwortung und ist ein Modell, das Menschen Orientierung gibt. Wie erklärt Roig ihre Forderung angesichts der Studien, die belegen, dass Männer und Frauen, die nach dem traditionellen Familienmodell leben, ihr Leben als glücklicher bewerten als die anderen und dass mehr von ihnen das Gefühl haben, ihr Leben habe einen klaren Sinn?

Dass die Ehe problematisch sei, würden auch die Zahlen zu häuslicher Gewalt bestätigen, die fast ausschliesslich männlich sei, so Roig. Ja, gewisse Männer sind gewalttätig, aber die grosse Mehrheit ist es nicht, warum also hält sie es für eine gute Lösung, alle pauschal miteinzuschliessen? Und wenn man die traditionelle Ehe aufgrund häuslicher Gewalt angreift: Studien zeigen, dass «schwule und lesbische Paare häusliche Gewalt in einer viel höheren Frequenz erleben als heterosexuelle Paare» (Wikipedia). Ausserdem, Gewalt findet auch bei Paaren ohne Trauschein statt.

Weiter müsse «die Männlichkeit verschwinden, wenn wir das Patriarchat überwinden wollen». Ist es sinnvoll, das Patriarchat-Narrativ zu kultivieren angesichts der Tatsache, dass Frauen heute in allen wichtigen Machtpositionen – in Politik, Wirtschaft, Akademie und Medien – vertreten sind? Sie glaubt auch, dass glücklich verheiratete Frauen dem Irrtum unterlägen, die Ehe sei etwas Positives. Also alles Närrinnen, die sich an der Nase herumführen lassen? «Frauen neigen dazu, ihren Selbstwert von ihrem Mann [. . .] abzuleiten», erklärt Roig im ARD-Podcast. Im Jahr 2023? Im Westen? Nach der ganzen erfolgreichen Emanzipation? Manche Frauen ja. Aber doch nicht Frauen grundsätzlich. Mit der Behauptung spricht man jeder Frau Eigenständigkeit und Unabhängigkeit ab und stellt sie als Wesen dar, das sich einzig über den Gatten definiert. Nicht gerade ein fortschrittliches Frauenbild, das Roig hier transportiert, oder?

Natürlich haben viele der Journalisten Roigs Ansichten nicht anhand solcher Gegenperspektiven herausgefordert, obwohl diese in der Gesellschaft durchaus verbreitet sind; unter Medienschaffenden sind sie es häufig nicht. Dafür werden, bewusst oder unbewusst, Ansichten viel unkritischer und leidenschaftlicher ans Publikum weitertransportiert, die man selbst ansprechend findet. Das ist menschlich, nur ist die Beeinträchtigung eines ausgewogenen Journalismus die Folge davon. Ausserdem macht man sich so leicht zur PR-Abteilung von populären Bewegungen oder Aktivisten. Andererseits ist es aber auch kein Zufall, dass so viele Beiträge mit Empörungspotenzial erscheinen, denn Medien profitieren von Empörung und Spaltung. Auf Klicks kann man sich dabei immer verlassen.

Ich habe meine eigene These: Der beste Weg, sich als Frau vor unterdrückenden und aggressiven Männern zu schützen, ist nicht, die Ehe abzuschaffen. Sondern zu lernen, sich nicht mit solchen einzulassen, und auch herauszufinden, wie man Männer kennenlernt, die sich nicht so verhalten.