Der Blutdruck lag bei einigen im hochtourigen Bereich, als sie von der Umfrage gelesen haben, nach der «die meisten Studentinnen lieber einen erfolgreichen Mann wollen als selber Karriere machen» (Rico Bandle, Sonntagszeitung). Verständlich. Hätte ich die letzten fünfzig Jahre damit verbracht, die naheliegendste Schlussfolgerung von vornherein auszuschliessen, würde ich die Welt nach solchen Befragungen auch nicht mehr verstehen. Und würde selbst jetzt, wenn alle anderen Erklärungsversuche scheitern, behaupten, die Untervertretung von Frauen in Top-Positionen sei der unerschütterliche Beweis für frauenfeindliche Strukturen. Biologische Ursachen? Unterschiedliche Bedürfnisse? Aber nein! Dinge, die das eigene Weltbild zum Wackeln bringen, will man nicht glauben. Auch wenn sie durch wissenschaftliche Befunde belegt sind – zumindest teilweise.

Die Untersuchung, bei der 10 000 Studenten an der ETH und der Uni Zürich befragt wurden, hat ergeben, dass nicht etwa Diskriminierung der Grund ist, dass Frauen in Top-Positionen untervertreten sind, sondern der Umstand, dass viele Studentinnen keine oder nur geringe Karriereambitionen haben. Ausserdem haben viele der Frauen ein «konservatives Rollenbild»; sie bevorzugen einen Partner, der erfolgreicher ist als sie und der, sobald sie Mutter sind, als Haupternährer der Familie fungiert, damit sie Teilzeit arbeiten können.

Einige deuten die Ergebnisse um, behaupten, Frauen würden einfach einen Sugardaddy suchen. Das besagt die Umfrage nicht, sondern vielmehr, dass sie sich einen erfolgreichen Partner wünschen, damit sie sich um den Nachwuchs kümmern und ihre Verantwortung als Mutter wahrnehmen können.

Aber, nein! Dinge, die das eigene Weltbild zum Wackeln bringen, will man nicht glauben.

Die Befragung ist natürlich prädestiniert, um von feministischen Kreisen als «mangelhaft» kritisiert zu werden, und tatsächlich wurde beanstandet, sie sei noch nicht peer-reviewed, auch könne man von ihr nicht ableiten, ob der Entscheid der Frauen, Teilzeitverdienerin zu sein, «wirklich ihre erste Wahl» sei oder ob sie sich «einfach der Realität anpassen».

Wer in seinem Leben schon einmal mit einer Frau gesprochen hat, weiss natürlich, dass da berechtigte Zweifel bestehen. Welche Frau will schon freiwillig mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen und deshalb Teilzeit arbeiten? Welche Frau wählt schon von sich aus einen Partner mit solidem Einkommen, damit er die Rolle des Hauptversorgers übernimmt und sie ihren Lebenstraum verwirklichen kann? Vor allem: Welche normale Frau würde ihr Glück und ihren Erfolg im Leben im Muttersein sehen, in einer Rolle, die der Moderne komplett hinterherhinkt, wo doch Millionen von Karrierefrauen, die Familienzeit für einen hohen Lohn opfern, für mehr Verantwortung, Belastung, Leistungsdruck und lange Arbeitszeiten, so viel glücklicher sind?

Es gibt zwar diese bizarren Studien aus Norwegen, dem Land mit angeblich mustergültiger Geschlechtergleichheit. Da entscheiden sich Frauen seltsamerweise massenhaft für frauentypische Berufe, über 90 Prozent des Pflegepersonals sind weiblich, obwohl die Regierung seit vielen Jahren mit intensiven Förderprojekten versucht, Männer für den Pflegeberuf zu begeistern und Frauen für das Ingenieurswesen. Und genauso wie in der Schweiz entschliessen sich auch dort Studentinnen häufig für ein konservatives Familienmodell.

Was läuft da schief? Na ja. Einerseits sind diese Studien misogyn. Anderseits, und da kann man noch lange sagen, die Geschlechter treffen aufgrund von unterschiedlichen Interessen andere Berufs- und Lebensentscheide, ist es letztlich ein Zeichen dafür, dass eben noch nicht genug getan wurde, um mündige weibliche Wesen dazu zu bringen, die richtigen Entscheide zu treffen. Dass noch immer nicht alle alten, internalisierten Rollenbilder gesprengt wurden, die Frauen manipulieren und in falsche Lebensmodelle zwängen, sie an Herd, Haus und Hund ketten, ihre steilen Antikarrieren fördern statt des routinierten Einbrechens in Männerdomänen. Und dass das gönnerhaft grinsende Patriarchat seinem Ende leider doch noch nicht nahe genug ist.

Genauso wie Kinder wissen auch Frauen nicht, was das Beste für sie ist. Darum müssen sie auch der Verantwortung über die eigenen Entscheide entbunden werden. Wie wunderbar, dass es fortschrittliche Kreise gibt, die sich genau das mit Nachdruck zum Ziel gesetzt haben.