Schon wieder wurde die Schweiz vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verurteilt. Das Gericht befand, dass durch das Verfehlen früherer Emissionsreduktionsziele einige Menschenrechte verletzt worden seien. Hier geht es nicht mehr nur um Geld oder darum, dass wir einen kriminellen Straftäter mehr nicht des Landes verweisen dürfen. Hier geht es um den Kern unserer demokratischen Ordnung. Die Euphorie, nach dem Zweiten Weltkrieg beim Aufbau eines neuen Europa mitzuhelfen, ist verflogen.

So wichtig die Judikative in einem Rechtsstaat auch ist: Eine Demokratie darf unter keinen Umständen zulassen, dass sie zum Richterstaat verkommt. Selbst unter der Annahme, dass «Klimaschutz» ein drängendes Thema sei, müssen wir uns der Usurpation der Eidgenossenschaft durch eine politische Justiz widersetzen. Das ist es, was unter Wehrhaftigkeit zu verstehen ist.

Ausgerechnet FDP-Präsident Thierry Burkart, der noch vor wenigen Jahren das Primat des Völkerrechts proklamierte und vehement gegen die Selbstbestimmungsinitiative der SVP kämpfte, erinnerte auf X daran, dass das Bundesgericht den klagenden Klimaseniorinnen entgegenhielt, dass «Anträge auf eine bestimmte Gestaltung aktueller Politikbereiche […] auf dem Weg der demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten eingebracht werden können». Strassburg sieht es offenbar anders. Und Strassburg geht vor – auch dank Burkart und seiner Partei.

 

Acht Jahre später gehörten wir dazu

Es lohnt sich, zurückzublicken, wie unser Land in diese Falle tappen konnte und welche Versprechen des Bundesrates sich als Schall und Rauch erwiesen: Am 28. November 1974 ist die Schweiz nach elf Jahren Mitgliedschaft im Europarat auch der Europäischen Menschenrechtskommission (EMRK) beigetreten. Dem Bundesrat war dabei vor allem die Förderung individueller Rechte und der internationalen Solidarität ein zentrales Anliegen, wie auf der Website des Bundesarchivs nachzulesen ist.

Bundesrat Graber erklärte, es sei unvorstellbar, dass die Schweiz je verurteilt werde.Dieser Betrachtung schloss sich auch die Weltwoche an. In einem Leitartikel kritisierte Chefredaktor Lorenz Stucki 1955 die vorsichtige Zurückhaltung der politischen Schweiz: «Vor zehn Jahren fürchteten wir die Isolierung. Mit Recht. Aber haben wir sie heute nicht ebenso sehr zu fürchten? Wir sind weitherum die besten Europäer, solange es die andern betrifft. Aber was, wenn sich tatsächlich eine Art vereinigtes Europa mit der Zeit entwickelt? Die überaus harmlose Idee, an den überaus harmlosen Europarat in Strassburg einen schweizerischen Beobachter zu entsenden, wurde nicht einmal diskussionswert befunden, sondern mit dem Schlagwort der Neutralität erschlagen.» Acht Jahre später gehörte die Schweiz dazu.

Weil schon früh klar war, dass die Menschenrechtskonvention die Rechtsordnung tiefgreifend verändern würde, verlangten viele Politiker eine Volksabstimmung. Immerhin sollten künftig vom Bundesrat oder Bundesgericht getroffene Entscheidungen an den EGMR weitergezogen werden können. Das Parlament folgte allerdings dem Bundesrat und verzichtete selbst auf ein fakultatives Referendum, da die Konvention jederzeit gekündigt werden könne und die Bundesverfassung ohnehin praktisch kongruent sei mit der EMRK. Eine fatale Fehleinschätzung, der der sozialdemokratische Bundesrat Pierre Graber die Krone aufsetzte mit der Aussage, es sei unvorstellbar, dass die Schweiz mit ihren hohen Standards wegen Verletzung von Menschenrechten verurteilt werde.

 

Himmeltraurige Bilanz

Mittlerweile ist das Unvorstellbare an der Tagesordnung. Längst mischen sich die Strassburger Richter in Dinge, die sie nichts angehen. Schlimmer noch: Sie schaden der ursprünglichen Idee, ein immer besseres, «in Vielfalt geeintes Europa» aufzubauen.

Ein Beispiel gefällig? 2014 verhinderte der EGMR die Ausschaffung einer afghanischen Familie aus der Schweiz nach Italien, wie es «Schengen/Dublin» vorsieht. Das Gericht war der Ansicht, angesichts der prekären Zustände im italienischen Asylwesen sei die menschenwürdige Behandlung und Unterbringung nicht gewährleistet.

In der Konsequenz bedeutet ein solches Urteil, dass das Land mit den schlechtesten Zuständen in seinem Asylwesen am wenigsten Asylsuchende aufzunehmen hat. Anstatt Mindeststandards festzulegen und durchzusetzen, betreibt der EGMR eine sozialistische Umverteilungspolitik, die – wie immer – zu einer Nivellierung nach unten führt. Seit seiner Gründung 1949 hat es der Europarat also nicht geschafft, ein Europa aufzubauen, in dem die menschenwürdige Unterbringung von Asylsuchenden in sämtlichen Mitgliedstaaten gewährleistet ist. Eine himmeltraurige Bilanz.

Die 3 Top-Kommentare zu "Klimaschutz wird Menschenrecht"
  • reto ursch

    Wann kommt eine Volksinitiative für den Austritt aus dem Europarat?

  • das dritte auge

    Dieses Urteil ist sehr schlecht für unsere direkte Demokratie. Wieder hat sich eine von uns nicht gewählte " Instanz " angemasst, die schweizer Bevölkerung zu massregeln. Wir müssen zukünftig verdammt aufpassen, dass nicht noch mehr demokratisch unlegitimierte, sprich, nicht von uns gewählte, Institutionen meinen können, sie müssen uns das Wort reden, ja sogar meinen, sie müssen für uns entscheiden. Die nächste grosse Gefahr besteht im Pandemievertrag der WHO. Ein klares NEIN, auch von mir.🤛🏼

  • Eliza Chr.

    Die EU- und Europarat-Gerichte werden die Schweiz immer mit Schikanen verurteilen. Die Klimahysterie ist gesteuert, und das Menschenrechtsgericht mit Sicherheit gar nicht zuständig dafür, denn das Klima kann gar kein Privat- und Familienrecht sein! Einfach ignorieren. Aus dem Europarat austreten und das RA NIE annehmen, denn dieses Verhalten seitens der EU und Europarates wäre Usus gegenüber der Schweiz!