Bundesrat Alain Berset hat wohl viele auf dem linken Fuss erwischt, als er heute Mittag vor den Medien ankündigte, er werde im Dezember nicht mehr für eine weitere Amtsperiode kandidieren. Was lässt sich dazu sagen?

Man merkte zum Beispiel, dass er sehr genau und lange überlegt hat, wie er diesen Abgang aus der Politik mit 51 Jahren ankündigen soll. Während der Pressekonferenz betonte er immer wieder, wie wichtig für ihn der Respekt vor den Institutionen, also vor Bund und Parlament, ist. Auch deswegen will er am Ende der laufenden Legislatur aufhören, wie es eben den institutionellen Gepflogenheiten entspricht. Dass für Berset Macht und vor allem die Insignien der Macht wichtig sind, hat man schnell einmal gemerkt.

Aber von einer Ehrfurcht vor den Institutionen dieses Landes oder dem Amt des Bundesrats hat man wenig gemerkt: Berset hat so viele Skandale aneinandergereiht wie kein anderer Bundesrat vor ihm. Angefangen bei der robusten Verhaftung einer Ex-Geliebten, die ihn erpresst hatte, über seine amourösen Schwarzwaldausflüge in der Dienstlimousine, seinem Irrflug im Privatflugzeug über Frankreich bis zur Weitergabe vertraulicher Informationen an den CEO des Ringier-Konzerns durch seinen engsten Mitarbeiter – besser bekannt als «Corona-Leaks» –, da ist einiges zusammengekommen.

Daran wird man sich in Zukunft erinnern. Wie auch an seine Rolle als Gesundheitsminister und Krisenmanager während der Corona-Pandemie, die anfänglich viel Lob, später aber auch Schimpf und Schande eintrug. Fragen zu einzelnen Skandalen wich er bei der heutigen Presse-Konferenz geschickt aus, verneinte aber einen Zusammenhang mit seinem Rücktritt.

Es wäre allerdings falsch zu sagen, Berset gehe, weil er eingesehen habe, dass die vielen Skandale irgendwie nicht richtig zur Erzählung über seinen Respekt vor den Institutionen passten.

Alain Berset hat mit 51 Jahren alles erreicht hat, was man als Politiker erreichen kann. Er war Ständerat, Ständerats-Präsident, Bundesrat und zweimal Bundespräsident. Seine engsten politischen Weggefährten sind nicht mehr da – zum Beispiel SP-Parteipräsident Christian Levrat oder auch sein Spindoktor Peter Lauener, der seinen Platz räumen musste.

Er hat als Gesundheitsminister viele Reformen angestossen und einiges erreicht. Nur der grosse Wurf in wichtigen Dossiers wie der AHV-Reform oder in der Gesundheitspolitik ist ihm nicht gelungen.

Letztlich muss man sagen, Berset war zwar ein politischer Wunderknabe, die grossen Erwartungen in ihn konnte er aber nicht erfüllen.