Die meisten Linken sind stolz darauf, links zu sein. Hat einer in seiner Jugend den Massenmördern Mao oder Stalin zugejubelt, ficht ihn das in keiner Weise an. Auch die Allgemeinheit ist gerne geneigt, die ideologischen Jugend-Ausschweifungen vieler Linker zu entschuldigen. Obwohl die linke, sozialistische Politik nachweislich verheerende Resultate produziert, treten die Linken mit geschwellter Brust, moralischem Übermut und klirrendem Selbstvertrauen auf.

Ganz anders die Rechten, vor allem in Deutschland. Viele, die meisten von ihnen, vertreten einen händeringenden «Ja, aber»-Konservativismus, einen Konservativismus des schlechten Gewissens, einen Konservativismus, der nicht konservativ und schon gar nicht rechts sein will. Ein typischer Verfechter dieses Entschuldigungs-Konservativismus, der derzeit führende deutsche Entschuldigungs-Konservative, ist CDU-Chef Friedrich Merz.

Merz gilt landläufig als rechter CDUler. Merz vertritt, eigentlich, liberalkonservative Werte, ist für Freiheit eher als für Staat, für Marktwirtschaft, kontrollierte Migration, die klassische Familie. Mit dem Begriff «nationale Interessen» dürfte er kein Problem haben. Er sieht sicher vieles an der EU kritisch. Einst prägte er den Begriff «deutsche Leitkultur», bezog fürchterliche Prügel und ruderte, vor vielen Jahren, erstmals zurück. Damit fing das Unheil an.

Seither hat Merz Mühe, öffentlich zu seinen Werten zu stehen. Er windet und entschuldigt sich, wenn ihn die Medien auf rechte Positionen festnageln. Merz rechtfertigte sich sogar, als ihm von den Zeitungen seine erfolgreiche Tätigkeit für ein amerikanisches Finanzunternehmen angekreidet wurde. Heute wirkt Merz, angeblich konservativer Reformer seiner CDU, als Vorantreiber von Frauenquoten und Gleichstellung der Geschlechter in seiner Partei.

Macht Merz auf Merkel?

Merkel argumentierte, Deutschland sei ein sozialdemokratisches Land. Sie würde sofort abgewählt, wenn sie eine lupenreine liberalkonservative Politik betriebe. Die Ex-Kanzlerin stellte die Macht über die Werte, ihr Amt über die Grundsätze. Das war einigermassen merkwürdig für eine Politikerin, die immer wieder von «Werten» und von «Wertegemeinschaft» sprach. Im Alltag hatte sie keine Mühe, ihre «Werte» anzupassen, wenn es der Machterhalt erforderte.

Ich vermute, Merz leidet am gleichen Syndrom. Er stellt die Macht über die Grundsätze. Er will gut ankommen, gefallen auch dort, wo es ihm eigentlich egal sein könnte. Er orientiert sich weniger an Grundsätzen und Prinzipien als an seinem Image, an den Prozentzahlen bei den nächsten Wahlen. Anders ausgedrückt: Merz denkt zu sehr an sich selbst und an die Partei und zu wenig an Deutschland, an die Bürgerinnen und Bürger.

Gute Politiker haben die Kraft, zu ihren Grundsätzen zu stehen und Kritik nicht nur auszuhalten, sondern als unvermeidliche Folge ihrer Standhaftigkeit zu akzeptieren. Das ist die Stärke der Linken. Ihr Selbstvertrauen ist umgekehrt proportional zur verheerenden Bilanz ihrer Politik. Die Linken profitieren massiv davon, dass es den Konservativen an Selbstvertrauen fehlt. Enschuldigungs-Konservative wie Friedrich Merz sind wirksame Wahlhelfer der Linken.

Gesetzt, Friedrich Merz will in der deutschen Politik wirklich den Konservativismus stärken und dessen Werte. Gesetzt, er ist nicht einfach nur ein Opportunist, der eine abgeknickte Politkarriere aufpolieren möchte: Wenn es ihm tatsächlich um die Sache, ums Land geht, wird er mit seinem Konservativismus des Zurückruderns und der Frauenquoten, die ein linkes Anliegen sind, keinen Erfolg haben. Nur selbstbewusste Konservative können die Linken schlagen.

Was ist zu tun? Merkel fing als liberale Konservative an, aber nach einer Nahtoderfahrung bei ihren ersten Wahlen manövrierte sie, machtversessen, ihre CDU bis zur Unkenntlichkeit und Ununterscheidbarkeit nach links. Sie holte zwar Sieg um Sieg, schwächte die SPD, aber sie bescherte Deutschland eine Politik der Einfalt, Einheitsbrei, eine Demokratie unter der Käseglocke mit einem Machtkartell ungefähr gleichgerichteter Parteien, die nur so taten, als unterschieden sie sich.

Die Frage ist: Kann es sich Merz überhaupt leisten, feste konservative Grundsätze zu vertreten und damit einen Teil seiner Wähler und seiner Partei zu verärgern? Sind die CDU wie auch die anderen deutschen Mainstream-Parteien zu einer reinen Maschine der Machtgewinnung von Pöstchenjägern und Berufspolitikern geworden, die lieber vom Staat als für Deutschland leben? Hoffentlich nicht.

Falls Merz tatsächlich etwas für die Deutschen bewegen will, muss er aufhören, unter einer konservativen Tapete linke Anliegen wie Gleichstellung oder Frauenquoten zu vertreten. Eine Fortführung eines nur rhetorisch umdekorierten Merkel-Kurses stärkt die Linken – und die AfD, die einzige konservative Partei Deutschlands, die sich für ihr Konservativsein nicht entschuldigt. Und gerade deshalb aufs Übelste verteufelt wird. Die meisten Medien spielen dankbar mit.

Nur selbstbewusste Konservative können gegen die Linken und Grünen gewinnen, Konservative, die der Linken nicht den moralischen Hochsitz überlassen, die sich nicht in die Defensive drängen lassen, Kämpfer, die Überzeugungen haben, die sich fundiert auskennen in den Grundsätzen und auch den Mut haben, diese gegen Widerstand, der massiv, giftig und ungerecht sein wird, zu vertreten. Windige, geländegängige Karrieretypen aus dem Windkanal der PR-Büros werden scheitern.

Auf die deutschen Wähler kommen interessante Zeiten zu. Dank der AfD, einer CDU-Abspaltung, hat sich das Angebot rechts der Mitte erweitert. Die Nazi-Keule als Argument- und Programmersatz gegen die wieder aufstrebende rechte Opposition nützt sich ab. Die Linken und Grünen dürften in den kommenden Monaten von der Realität überrollt werden, der grüne Sozialismus scheitert wie jeder Sozialismus an der Wirklichkeit.

Was macht Merz? Vielleicht sollte der Vorsitzende mehr Bücher lesen über den Konservativismus, um sich mit dem faszinierenden Denken vertraut zu machen, für das er und seine Kollegen stehen sollten. Die CDU nach Merkel braucht wohl eine Bereinigung ihres Programms und Rückbesinnung auf ihre soliden Grundsätze. Merz’ Entschuldigungs-Konservativismus ist auch eine Folge mangelnder Überzeugung und fehlender Begeisterung. Nur wer überzeugt ist, kann überzeugen. Nur wer selber begeistert ist, kann andere begeistern. Die Zeiten wären günstig.

Die 3 Top-Kommentare zu "Das grosse Problem der Konservativen ist, dass viele sich nicht trauen, zu ihren konservativen Überzeugungen zu stehen. Ein typischer Entschuldigungs-Konservativer ist CDU-Chef Friedrich Merz. Davon profitieren am meisten die Linken und die Grünen"
  • Bobby42

    Merz kommt mir vor wie ein Kind, das sein liebstes Spielzeug wütend zertrampt, so wie er mit der AfD umgeht, deren grosse Mehrheit so wenig Neo-Nazis sind wie er selbst. Sie haben ihm aber die konservativen Grundsätze und die Argumente der Opposition „gestohlen“. So bleiben ihm so nebensächliche Themen wie Gleichstellung oder Frauenquoten. Mit den enormen Fehlleistungen der Merkel-Regierung rechnet er auch nicht ab, obschon er von ihr nach DDR-Manier abserviert wurde. Wo ist sein Mut geblieben?

  • hondo

    Hier kann man mich ignorieren bis zum Untergang oder abwerten, aber auch Sie Herr Köppel verstehen immer noch nicht oder wollen nicht zugeben, daß dieser Linksruck politisch gewollt ist. Würden die Mächtigen dies so nicht wollen, dann gäbe es keine grüne Politik. Nein, man finanziert ja WHO oder IPCC extra zur Massensteuerung. Deindustialisierung, Umvolkung, Entsouveränisierung, Feminismus, Staatstiefe sind gewollt und bewußt herbei geführt und jeder der nicht Widerstand leistet macht mit.

  • galgenstein

    Mit dem Konservatismus ist es wie mit dem Kapitalismus: klingt schlecht, funktioniert aber gut. Beim Sozialismus ist es umgekehrt.