Wenn man die Inflationsentwicklung der Schweiz mit der Teuerung im Ausland vergleicht, stellt man eine seit Jahrzehnten nicht mehr erlebte grosse Differenz fest.

Im Juli lag die durchschnittliche Teuerung in den westlichen Industrieländern bei 7,2 Prozent, in der EU sogar bei 9,8 Prozent, in der Schweiz aber bei nur 3,4 Prozent. Noch dramatischer sieht es im Vergleich zu den «Emerging Markets» aus, wo die Inflation 13,4 Prozent betrug.

Diese Inflationsdifferenz ist zwar mit ein Grund für die Franken-Stärke. Aber wenn man die Inflation seit Mitte 2020 mit den Wechselkursen vergleicht, dann ergeben sich überraschend grosse Unterschiede.

Während die Kaufkraft im Euro-Raum bis Juli 2022 um 9,8 Prozent sank und der Euro zum Franken gleichermassen um 9,8 Prozente abwertete, ist dies für die anderen Leitwährungen nicht der Fall: In den USA sank die Kaufkraft um 13 Prozent, aber der Dollar wertete gegenüber dem Franken sogar um 1,5 Prozent auf. Ähnliches gilt für Kanada, wo die Kaufkraft um 10 Prozent abnahm, der kanadische Dollar gegenüber dem Franken aber 6,6 Prozent zulegte.

In Grossbritannien schrumpfte die Kaufkraft um 11 Prozent, aber das Pfund wertete in diesen rund zwei Jahren um nur 2,9 Prozent ab. Andererseits wertete der Yen um 21 Prozent ab, obwohl die Teuerung dort nur 2,3 Prozent betrug.

Mit den bisherigen Leitzinserhöhungen sind die Wechselkurs-Schwankungen ebenfalls kaum zu begründen: Sowohl die Europäische Zentralbank als auch die Schweizerische Nationalbank hoben ihren Leitzins um 0,5 Prozent an, in Japan blieb er unverändert bei −0,1 Prozent.

In den USA und in Kanada wurden die Zinsen um je 2,25 Prozente angehoben, was zur Festigung des US- und des kanadischen Dollars beitrug.

In Grossbritannien stieg der Leitzins um 1,75 Prozent an. Dennoch schwächte sich das Pfund ab.

Die Inflations- und Zinsdifferenz vermögen die jüngsten Währungsentwicklungen somit nicht schlüssig zu erklären. Es sind offensichtlich andere Faktoren, die überwiegen, vorweg die Nähe zu geopolitischen Brandherden, die Sicherheit der Energieversorgung, die Führungsstärke und die Schuldenpolitik der Regierungen.

Für eine zumindest temporäre Gegenbewegung wäre somit eine Veränderung dieser Faktoren Voraussetzung.

Aber weder ist ein Kriegsende in der Ukraine absehbar. Noch viel unwahrscheinlicher ist eine Trendwende bei den übrigen ungelösten Problemen.

Die 3 Top-Kommentare zu "Der Euro ist nicht nur unter die Parität zum Franken gefallen. Es droht ein fortgesetzter Krebsgang. Welches sind die Gründe?"
  • aliasmailster

    Ich glaube nicht, dass man in der heutigen Zeit noch nach Gründen für das Scheitern des Euro fragen muss, inzwischen dürfte auch der naivste Zeitgenosse erkannt haben, dass dieses Experiment von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Das wussten natürlich auch damals schon die Macher, allen voran Kohl und Chirac. Denen ging es auch nie um die propagierten "hehren Ziele", die Absichten waren gänzlich anderer Natur. Heute geht die Saat auf, die Länder Europas sind im Untergang vereint.

  • Werner Stauffacher

    Muss mühsam sein, den Leuten jedesmal die Gründe erklären zu müssen, wenn der Euro wieder noch weiter abserbelt… Dabei sind die Konstruktionsfehler seit 20 Jahren, spätestens seit 15, eklatant, jede Intervention maximal eine Problemverlagerung, der Wirtschaftsraum ein Flickwerk und den Mängeln kaum noch beizukommen. Aber setzen wir doch eine verurteilte Straftäterin, die multilaterale Frau Lagarde, an die Spitze der EZB… Wollen wir den Euro nicht endlich offen aggressiv in Frage stellen!?

  • Bobby42

    Schieben sie die faulen Kredite, die die EZB unter Lagarde in Billionenhöhe übernommen hat der SNB zu, dann wertet sich der CHF auch ab und die Importe verteuern sich entsprechend. Die EU-Bürger werden ihre blauen Wunder noch erleben. Die Finanzkrise wurde nicht gelöst, sondern aufgeschoben und damit noch verstärkt. Die ersten Folgen werden jetzt sichtbar. Man schiebt sie aber dem bösen Putin zu und täuscht so sich und das Volk. Der Euro ist ein Fehlkonstrukt und kann und darf nicht überleben!