Im Internet wird das Individuum zum «Gläsernen Menschen». Doch nun geht Zoom einen Schritt weiter. Die US-Firma des gebürtigen Chinesen Eric Yuan setzt Algorithmen ein, mit denen die Gefühle der Teilnehmer an Videokonferenzen erkannt werden können. Mit Instrumenten der künstlichen Intelligenz will Yuan die Tiefen der Seele ausleuchten. Gesichter und die Sprache von Zoom-Usern werden gescannt, um deren Emotionen zu ermitteln.

Die Algorithmen will Yuan zunächst zwar lediglich bei Verkaufsgesprächen einsetzen. Mit Hilfe von Big Data will er herausfinden, wie Kunden auf Informationen reagieren, die ihnen präsentiert werden, ob sie aufmerksam zuhören, ob sie verwirrt oder verärgert sind. In einem weiteren Schritt könnte Zoom aber auch in die intimsten Privatsphären vordringen und zum Beispiel offenlegen, ob das Gegenüber gut aufgelegt, traurig oder deprimiert ist.

Mehr als zwei Dutzend Menschenrechtsorganisation schlagen bereits Alarm. In einem Brief an Firmenchef Yuan fordern sie, die Forschung einzustellen, mit der das Auskundschaften der Seele perfektioniert werden soll. Die invasive Überwachung der Emotionen verletze sowohl die Privatsphäre als auch die Menschenrechte und sei unethisch, werfen sie Yuan vor.

Da ist zwar was dran. Aber der Vormarsch künstlicher Intelligenz lässt sich nicht aufhalten. Er ist bereits voll im Gang und gehört bei Tech-Firmen zum Geschäftsmodell. Netflix, Amazon, Spotify, Facebook, Google etc.: Sie wenden künstliche Intelligenz an, um individuelle Präferenzen zu ermitteln. Die Algorithmen, die sich in unseren Alltag eingeschlichen haben, füttern wir pausenlos mit neuen Informationen über unsere Vorlieben. Zooms Vorstoss in die Intimsphäre ist lediglich eine Weiterentwicklung der bisherigen Techniken.

Doch niemand wird Menschen zwingen können, sich von Algorithmen aushorchen zu lassen. Denn jedem steht es weiterhin offen, für Treffen nicht den Cyberraum zu benutzen. Sondern stattdessen das Gespräch von Angesicht zu Angesicht zu suchen.

Die 3 Top-Kommentare zu "Die Kommunikations-Firma Zoom setze bei Videocalls unethische Instrumente ein, um ins Innerste der Individuen vorzudringen, behaupten Menschenrechts-Organisationen. Sind die Vorwürfe berechtigt?"
  • kurt.alfred.mueller

    Der letzte Abschnitt trifft in dieser Absolutheit nicht zu. Es gibt Situationen in denen ein sanfter Zwang bis zu einer Notwendigkeit besteht sich im Cyberraum zu bewegen und zu kommunizieren. Das ist ja auch das beängstigende an der Kombination “Draengen zur Kommunikation im Cyberraum” und “Big Data”.

  • r.vogler

    Es ist doch überal das Gleiche: Ach, wüssten wir doch von allen und allem alles. Anders sieht der umgedrehte Fall aus - wenn alle alles von uns wüssten! Für die Gutesten aus der "Ich habe NICHTS zu verbergen" Fraktion - eine vermeintlich problemlose Situation... Dennoch wäre es höchst interessant und evtl. sogar nötig, wenn im Fernsiech bei Politikern, Funktionären, Moderatoren durch einen deutlichen Farbumschlag die Lügen und Manipulationen sichtbar würden! Was du nicht willst, dass man dir tu.

  • meier

    „niemand ist gezwungen gespräche im virtuellen raum abzuhalten“; herr heumann, wo waren sie die letzen drei jahre?