Wer die Lage in Chiasso beobachtet, kommt zum Schluss: An den Schweizer Grenzen gibt es grössere Probleme als Rückkehrer aus der Schweiz, die ein Schnitzel zu viel im Kofferraum haben.

Der Bundesrat hat dennoch vor allem die Einkaufstouristen aus dem eigenen Land auf dem Radar. Nach seinem Vorschlag, der nun in die Vernehmlassung geht, muss man künftig Waren ab 150 statt wie bisher ab 300 Franken verzollen.

Das hiesse, dass die Schweizer Mehrwertsteuer schon ab einem Einkauf über 150 Franken fällig wird. Ginge es nach den Detaillisten im Land, sollte das sogar bereits ab 50 Franken gelten.

Kommt der Vorschlag so durch, wird es zu einer Verdoppelung der Zahl der Verzollungen kommen. Vorausgesetzt, die Zollbeamten kontrollieren fleissig. Damit ist ein administrativer Mehraufwand an den Grenzen programmiert. Ebenso, dass sich dort der Verkehr noch mehr stauen wird als heute.

Dass die Schweizer Grossverteiler es nicht gern sehen, wenn man im Ausland einkauft und dafür noch belohnt wird, indem man die Mehrwertsteuer zurückfordern kann, ist verständlich.

Aber statt auf die Hilfe des Staats zu setzen, könnten sich die Detaillistenverbände auch einmal Gedanken darüber machen, ob wirklich alle Preisunterschiede in dieser Höhe gegenüber dem Ausland gerechtfertigt sind.

2021 stellte das Bundesamt für Statistik fest, dass die Schweiz das teuerste Land Europas ist. Für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke bezahlte man hier 58 Prozent mehr als in Deutschland. Solche Unterschiede lassen sich allein mit den höheren Personalkosten nicht rechtfertigen.

Der Bund sollte die Hochpreisinsel Schweiz nicht durch Heimatschutz absichern. Der Einkaufstourismus ist nichts anderes als eine Reaktion auf die übertriebenen Gewinnmargen im eigenen Land.