Zugegeben, Gianni Infantino, Fifa-Präsident und Skinhead des Weltfussballs, ist kein Sympathieträger. Gegenüber seinem Vorgänger und Walliser Kompatrioten Sepp Blatter, jovial, verbindlich, grossväterlich, wirkt er wie ein eiskalter Fisch, der auch in der Wall Street zu Hause sein könnte.

Umso mehr verblüfft die hochemotionale und hochintelligente Rede, mit der Infantino sogar die Eröffnungsfeier des Turniers in Katar medial überstrahlte. Der Boulevard nennt seine Rede «wirr», der Mainstream ist geschockt.

«Heute fühle ich mich katarisch, heute fühle ich mich arabisch, heute fühle ich mich afrikanisch, heute fühle ich mich homosexuell, heute fühle ich mich behindert, heute fühle ich mich als Arbeitsmigrant»: Diese Sätze sind schon jetzt Kult – und sie werden in die Annalen der Sportgeschichte eingehen. Hier spricht ein vermeintlich aalglatter Funktionär plötzlich mit der eruptiven Sprachgewalt eines begnadeten Polemikers. Wow!

Das ist beste Unterhaltung – und erst noch mit Mut und Tiefgang. Wie sagte er doch? «Für das, was wir Europäer in den vergangenen 3000 Jahren getan haben, sollten wir uns für die nächsten 3000 Jahre entschuldigen, bevor wir anfangen, den Menschen moralische Lektionen zu erteilen.»

Wie Infantino der scheinheiligen Hochnäsigkeit der westlichen Zeigefinger-Politiker und dem geschichtsblinden Moralismus der Fifa-Hasser auf den Redaktionsstuben den Spiegel vorhält, furchtlos in den perfekten Shitstorm surfend, das verdient Respekt. Und macht ihn schon fast wieder sympathisch.