Bern

Es kommt selten vor, dass sich das Büro des Nationalrates, dem der Nationalratspräsident, die Vizepräsidenten, die Fraktionschefs sowie Stimmenzähler angehören und das für die Organisation des Parlamentsbetriebes zuständig ist, bei der Planung eines Aufregergeschäftes einig sind. Am letzten Montag war einer dieser Momente. Auf Antrag der Fraktionschefs Thomas Aeschi (SVP) und Roger Nordmann (SP) entschied das Gremium, eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) zur Untersuchung des Credit-Suisse-Debakels einzusetzen.

Eine PUK ist das schärfste Instrument des Parlamentes. Sie kommt zum Einsatz, um Vorkommnisse von grosser Tragweite zu untersuchen, und verfügt über weitreichende Kompetenzen. Im aktuellen Fall ging es wohl vor allem um die Klärung der Verantwortung auf Seiten der Behörden, also von Bundesrat, Finanzdepartement, Finanzmarktaufsicht (Finma) und Schweizerischer Nationalbank (SNB). Der Vorwurf steht im Raum, man habe zu lange zugeschaut.

Viele wundern sich, dass der Bund trotz too big to fail-Regulierungen erneut den Crash einer Grossbank mit Steuergeldern verhindern muss. «Wenn die Präsidentin der Aufsichtsbehörde im Interview sagt, die Vorgaben der Finma seien von der Credit Suisse (CS) nur sehr schwerfällig und minimal umgesetzt worden, lässt das aufhorchen», sagt Mitte-Nationalrat und Gewerbeverbandspräsident Fabio Regazzi.

Wirklich die beste Lösung?

Die Schweizer Behörden taten nach tagelangen Verhandlungen, was sie nach der Rettung der UBS von 2008 nie mehr tun wollten: eine Grossbank mit staatlicher Hilfe retten. Dafür wurde eine ausgeklügelte Bankenregulierung ins Werk gesetzt. Die Folgen spürten auch die Kunden. Die Eröffnung eines Bankkontos sei heute bald komplizierter als der Erhalt einer Baubewilligung ausserhalb der Bauzone, spottet FDP-Vizepräsident Philippe Nantermod im Walliser Boten. Das bewahrte die Schweiz aber nicht vor einem weiteren Bankenbeben. Der Bund musste die Zwangsfusion von UBS und Credit Suisse mit 109 Milliarden Franken absichern.

Man wundert sich, dass der Bund erneut den Crash einer Grossbank mit Steuergeldern verhindern muss.Bundesrätin und Finanzministerin Karin Keller-Sutter (FDP) ist überzeugt, die beste aller Varianten gefunden zu haben. Sie sieht sich als Retterin des Finanzplatzes. «Der Absturz der CS hätte weitere Banken in den Abgrund gerissen», sagte sie der NZZ. «Die Schweiz hätte ein grosses Reputationsproblem gehabt.» Das bezweifelt niemand. Experten wie der frühere CS- und UBS-CEO Oswald Grübel bezweifeln allerdings, dass die Zwangsfusion die beste aller Lösungen war.

Wie konnte es überhaupt so weit kommen, wo doch der Direktor der Aufsichtsbehörde Finma, Urban Angehrn, versicherte, man habe die CS auf dem Radar gehabt? «Die Finma hat alles getan, was sie im Rahmen ihres Mandats tun konnte. Es gibt keine Vollkasko-Aufsicht, die jeden Unfall vermeidet», erklärte er gegenüber der Sonntagszeitung. Die Frage, ob die Finma die Politik in falscher Sicherheit wiegte, wird auch im Parlament zur Debatte stehen. Ab dem 11. April ist eine dreitägige Sondersession von National- und Ständerat angesetzt.

Diesen Donnerstag und Freitag wird die Finanzkommission (FK) des Nationalrates die Sache vorberaten. Für den kommenden Montag hat die Wirtschaftskommission (WAK) den Präsidenten der Nationalbank, Thomas Jordan, sowie Finanzministerin Karin Keller-Sutter vorgeladen. Diese warnt vorsorglich davor, «die ausgehandelte Übernahme mit neuen Bedingungen zu gefährden». Der Einwand war überflüssig und fehl am Platz. Grossen Spielraum hat das Parlament ohnehin nicht. «National- und Ständerat könnten die Verpflichtungskredite schon noch ablehnen, die Ablehnung wäre jedoch rechtlich wirkungslos», erklärt Roland Fischer (GLP), der Präsident der Finanzkommission des Nationalrates. «Die Zustimmung der Finanzdelegation zu den Verpflichtungskrediten ermächtigte den Bundesrat, entsprechende Verpflichtungen einzugehen.»

Megabank zu gross für die Schweiz

Die Finanzdelegation (FinDel) ist ein Parlamentarier-Grüppli, bestehend aus drei Ständeräten (Thomas Hefti, Peter Hegglin, Eva Herzog) und drei Nationalräten (Jean-Paul Gschwind, Ursula Schneider Schüttel, Pirmin Schwander), das für die Überwachung des Finanzhaushaltes zuständig ist. Diese sechs Politikerinnen und Politiker, die nicht unbedingt zu den politischen Schwergewichten gehören, haben an einem Sonntagnachmittag stellvertretend für das Parlament und das Volk über die Beschlüsse zur UBS/CS-Fusion entschieden, die der Bundesrat, gestützt auf Notrecht, am 19. März verfügte. Allerdings, so gutinformierte Kreise, fiel der Entscheid nicht einstimmig. Es gab Bedenken einzelner Mitglieder, die finanzielle Absicherung der Turbo-Fusion abzusegnen. Namentlich SVP-Nationalrat Schwander soll sich kritisch geäussert haben.

SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi findet, dass man die Beschlüsse und den Verpflichtungskredit trotzdem ablehnen sollte. «Damit kann das Parlament ein Zeichen setzen, dass man den Entscheid desavouiert. Es wäre auch eine Rüge an die Adresse der Finanzdelegation.» Die SVP-Fraktion werde auf jeden Fall so verfahren. Aeschis Partei verfolgt noch andere Ziele. Sie will die Nationalbank dazu bringen, dass sie auf die 100-Milliarden-Garantie des Bundes verzichtet, damit diese ihre Unabhängigkeit bewahrt. Alt Bundesrat Christoph Blocher hat dies bereits gegenüber der NZZ durchblicken lassen.

Es geht jedoch auch die Angst um, dass die neue Megabank UBS für die Schweiz zu gross ist, als dass sie vom Staat überhaupt noch gerettet werden könnte. Einer der wenigen National- und Ständeräte, die vom Bankengeschäft etwas verstehen, ist der Zürcher SVP-Nationalrat Thomas Matter, der selber eine Bank führt. Für ihn darf es in Zukunft keine Bank mehr geben, die so gross ist, dass man sie nicht in Konkurs gehen lassen kann. Ein Weg wäre, nach der Fusion das Schweiz-Geschäft der alten Credit Suisse von der neuen UBS abzutrennen und unter ihrem alten Namen Kreditanstalt an die Börse zu bringen. Matter brachte diesen Vorschlag erstmals in der SRF-«Arena» ein. FDP-Präsident Thierry Burkart stand daneben, hörte gut zu – und lancierte die Idee als FDP-Vorschlag. Das Gute an diesem Ideenklau ist, dass der Vorschlag so mehrheitsfähig geworden ist, zumal auch die SP für ein Trennbankensystem eintritt.

Das Gute an Burkarts Ideenklau ist, dass der Vorschlag so mehrheitsfähig geworden ist.Matter und die SVP verlangen ausserdem, dass der Verwaltungsrat systemrelevanter Unternehmen mit Leuten besetzt wird, welche die Schweizer Volkswirtschaft berücksichtigen und mehrheitlich den Schweizer Pass besitzen. «Die Erfahrungen bei der CS haben gezeigt, dass ausländische Verwaltungsräte sich nicht um den Wirtschaftsstandort und Finanzplatz Schweiz sorgen.» Man müsse in Zukunft auch sicherstellen, dass die Stimmenmehrheit solcher Unternehmen in Schweizer Händen bleibt.

Kurt Schiltknecht weist den Weg

Mitte-Präsident Gerhard Pfister überraschte am Sonntag dagegen mit der Forderung nach einer Eigenkapitalquote von mindestens 20 Prozent. Dabei war nicht eine zu tiefe Eigenkapitaldotierung das Problem bei der CS, das haben die Bankexperten wiederholt betont. «Am Ende war es nicht die zu tiefe Eigenkapitalquote, die der CS den Todesstoss gab. Das ist richtig», sagt Pfister, gibt aber zu bedenken: «Eine tiefe Eigenkapitalquote ist ein falscher Anreiz. Je tiefer die Quote, desto höher unter Umständen die kurzfristige Eigenkapitalrendite, die dann ein Faktor für überhöhte Boni ist.» Die Linke will wie schon in der Vergangenheit Boni verbieten.

Das Parlament muss indessen aufpassen, dass es trotz aller Empörung und allem Ärger nicht mit einem kostspieligen Ausbau der Aufsichtsgremien und mit Hilfe vieler neuer Regulierungen das Problem lösen will. Das nützte schon in der Vergangenheit nicht viel. Es führt wohl kein Weg daran vorbei, die Banken in der Schweiz auf ein vertretbares Risiko zu schrumpfen, wie es der ehemalige Chefökonom der Nationalbank, Kurt Schiltknecht, nach der UBS-Rettung in der Weltwoche vorgeschlagen hatte.