Wirtschaft ist nie moralisch, sondern stets praktisch. Und manchmal erfindet sie Wege, auf die die Politik nicht gekommen wäre.

Ein hübsches Beispiel dafür zeigt sich an diesem Wochenende: Als Russland die Ukraine überfiel, beschloss die EU harsche Sanktionen, die eine Menge umfassten – nur einen Punkt nicht: Gas sollte weiter fliessen, und natürlich wollten die Empfänger auch dafür bezahlen.

Schliesslich sind – wie jeder inzwischen weiss – die russischen Energielieferungen die Achillesferse der EU und Deutschlands.

Putin erkannte das und verfügte darauf, dass Gas nur noch in Rubel bezahlt werden durfte. Das sollte der eigenen Währung helfen, die mit Kriegsausbruch abgestürzt war. Es entsprach aber nicht dem, was die EU von ihren Unternehmen forderte: Hier eine EU, die Russland wirtschaftlich mit allen Mitteln in die Knie zwingen wollte, dort ein russischer Machthaber, der das nicht zulassen konnte.

Das war die unversöhnliche Situation bis Freitag.

Dann endete eine Übergangfrist, bis zu der die Regelung in Kraft treten sollte – und siehe: Es gibt eine Lösung.

Das Gas fliesst, die Unternehmen in Europa, vor allem die deutschen Versorger, zahlen dafür in Euro oder Dollar, ganz wie es den EU-Sanktionen entspricht. Die staatliche Gazprom-Bank, bei der das Geld landet, hat spezielle Konten eingerichtet, auf denen das Geld in Rubel konvertiert wird.

Der Mechanismus ist ein bisschen aufwendiger als bisher, aber Hauptsache: Er funktioniert, und alle Seiten sind zufrieden.

Die EU bekommt weiter Gas, und ihre Unternehmen halten sich strikt an die Sanktionsvorgabe, nicht in Rubel zu bezahlen. Russland liefert weiter, erhält Geld, das vor allem in der Kriegskasse dringend gebraucht wird, und verzeichnet den schönen Effekt, dass der Rubel wegen der starken Nachfrage am Freitag auf ein Siebenjahreshoch im Vergleich zum Euro gestiegen ist.
Der Rubel-Absturz ist damit Geschichte.

Manchmal ist es eben nicht schlecht, die Moral hintanzustellen und das Machbare anzustreben. Den Menschen hilft das oft am meisten.

Die 3 Top-Kommentare zu "Praxis siegt über Moral: Wie die EU-Energieversorger weiter Russen-Gas in Euro kaufen und Putin trotzdem zufrieden ist"
  • rvva

    Russland hat die Ukraine nie überfallen! Russland ist ihren Brüdern und Schwestern in der Ostukraine zu Hilfe geeilt. Es war höchste Zeit dass man Hilfe bekam sagen die Ostukrainer! Seit acht Jahren wurde von den Kiewkriminellen der Osten bombardiert. Irgend wann musste dem Genozid ein Ende bereitet werden. Dass der Westen das nicht berichtet oder von einem Überfall berichtet ist typisch es ist aber eine Schande und eine Lüge!

  • Nordlicht48

    Wieso verstößt es gegen Moral, wenn westliche Länder russisches Erdgas kaufen? Der Wirtschaftsboykott ist ein aktuelle genutztes Machtinstrument, das gegen den russischen Angriffskrieg wirken soll. Er wirkt aber insofern nicht, als er die militärischen Entscheidungen der Russischen Regierung nicht beeinflusst. Die US-Regierung will Russlands Macht brechen, das hat mit Moral nichts zu tun. Ohne bezahlbares Gas werden etliche unserer Unternehmen ruiniert und und viele Haushalte verarmt sein.

  • stellaris

    Das Gesicht wahren steht im Vordergrund. Ob da jetzt eine Zwischen-Bank dabei ist, welche den Wechsel von Euro oder Dollar in Rubel vollzieht, scheint mir nebensächlich zu sein. Hauptsache man kriegt Gas und kann so tun, als würde man gegenüber Puttin stark bleiben. So handeln Kinder (und Politiker), aber nicht starke Persönlichkeiten. Letztere würden mit Putin an den Verhandlungstisch sitzen und hätten mit ihm und der Ukraine eine Lösung ausgearbeitet.