Bei den Themen Energie und Strommangellage geht es in der politischen Diskussion zurzeit primär um Sparvorschläge oder um raschen Kapazitätsausbau bei Wind-, Wasser- und Sonnenenergie. Dabei gibt es daneben noch andere erneuerbare Energiequellen, die seltener zur Sprache kommen. Zu Unrecht, wie das Beispiel von Hanspeter Frey zeigt. Der 57-jährige Landwirt und Unternehmer aus dem zürcherischen Lindau betreibt schon seit 2007 zusammen mit Partnern erfolgreich eine Biogasanlage, in der aus organischen Stoffen wie Küchen- oder Gartenabfall, Mist, Gülle und Gras Strom hergestellt und ins öffentliche Netz eingespeist wird. Regional, nachhaltig und aus zu 100 Prozent erneuerbarer Energie. Dafür hat die Anlage den Innovationspreis der Gemeinde Lindau gewonnen.

Hanspeter Frey hatte früher für die Kommunen Grüngut entsorgt, da kam er auf die Idee. «2005 sah ich darin eine Möglichkeit zur Wertschöpfung, indem wir den vergärbaren Teil des Abfalls für die Stromproduktion nutzten», sagt er. Mit Idealismus habe dieser Schritt nichts zu tun gehabt, sondern primär mit der Aussicht auf ein zweites berufliches Standbein nebst seinem Landwirtschaftsbetrieb mit rund neunzig Hektar Land und hundert Kühen. Gesagt, getan.

Heute wird die Biogasanlage mit drei Personen betrieben, die sich 250 Stellenprozente teilen. Doch bis damals der Gestaltungsplan genehmigt und die Baubewilligung erteilt waren, dauerte es noch weitere zwei Jahre. Später, 2016, konnte ein Erweiterungsbau in Betrieb genommen werden.

Das Land, auf dem die Anlage steht, hat die Bio Gas Lindau AG, die zu gleichen Teilen Hanspeter Frey und zwei Partnern gehört, vom Kanton im Baurecht übernommen. Frey: «Für ein solches Projekt in der Landwirtschaftszone ist der Kanton ein guter Partner.»

Stabiles Geschäftsmodell

Als Hanspeter Frey zu Beginn seinen Businessplan erstellte, kalkulierte er lediglich mit den Erträgen aus den Entsorgungsgebühren, erst kurz darauf wurde die Abgeltung von Strom aus Erneuerbaren eingeführt. «Wir haben im richtigen Moment angefangen, denn zu Beginn des Jahres 2009 führte der Bund die kostendeckende Einspeisevergütung, die KEV, für Ökostrom ein», sagt er rückblickend. Das gab dem jungen Energieunternehmen Planungs- und Ertragssicherheit. «Unser Geschäftsmodell ist stabil, weil wir eine Abnahmegarantie zu einem fixen Preis haben.»

Später kam dann noch ein Landwirtschaftsbonus dazu. Um in den Genuss dieser Programme zu kommen, müssen 80 Prozent der verarbeiteten Stoffe aus dem landwirtschaftlichen Bereich stammen. «Bei uns kommt die Gülle hauptsächlich aus den Kuh- und Schweineställen der nahen Landwirtschaftsschule Strickhof und von zwei Landwirtschaftsbetrieben», erklärt Frey, der in Lindau bis 2020 für die SVP 22 Jahre dem Gemeinderat angehörte. Heute ist er Verwaltungsratspräsident des Elektrizitätswerks Lindau.

Die Gülle wird durch ein unterirdisches Leitungssystem in die Biogasanlage gepumpt, das zum Teil schon vorher bestand. Zudem werden noch Grüngutabfälle dazugegeben. Auch das Material von Hanspeter Freys eigenem Betrieb wird zum Zielort gepumpt. Insgesamt werden rund zwei Drittel durch die Leitung, der Rest auf der Strasse angeliefert. Zudem muss die Anlage mit Eigenstrom betrieben werden. Dass diese Vorgaben eingehalten werden, wird regelmässig von der Pronovo AG, der Zertifizierungsstelle des Bundes, kontrolliert.

Sie ist gleichzeitig auch die Abnehmerin des Stroms. Pro Kilowattstunde erhält die Bio Gas Lindau AG einen garantierten Betrag, der die Kosten deckt. Weil mit der Abwärme der Anlage im Winter der Strickhof geheizt und im Sommer Holz getrocknet wird, gibt es noch zwei Rappen mehr pro Kilowattstunde. Von der Energiepreissteigerung der letzten Monate hat Hanspeter Frey wegen des fixen Preises nicht profitieren können. «Ein paar Monate lang hätten wir auf dem freien Strommarkt deutlich mehr verdienen können», sagt er.

Weil der Düngerpreis in letzter Zeit gestiegen sei, verwendeten Bauern wieder vermehrt Gülle.

Das angelieferte Grünmaterial, rund tausend Kubikmeter jeden Tag, wird in der Vorgrube der Anlage im richtigen Verhältnis zu einer Biomasse vermischt, die zuerst in die Hydrolyse und dann in den Fermenter geleitet wird. Dort werden ihr für die Vergärung Bakterien zugeführt, die sich bei einer Temperatur von vierzig Grad Celsius am wohlsten fühlen. Zur besseren Kontrolle erfolgt die Vergärung nach Freys Worten in zwei Phasen.

Zwei V8-Zylinder

Durch den Vergärungsprozess im Fermenter wird das Biogas produziert, das in einer elastischen Haube gespeichert wird. «Nach der Vergärung bleiben feste und flüssige Teile übrig, die als Kompost oder als hochwertiger Dünger verwendet werden», sagt er. Pro Tag fallen rund sechzig Kubikmeter Substrat in Form von homogener Gülle an, die weniger geruchsintensiv ist, weil ihr Ammoniak und Methan entzogen wurden. «Diese wird im Winterhalbjahr gelagert und im Frühling und Sommer auf die Felder ausgebracht», so Frey.

24 Stunden, sieben Tage

Weil der Düngerpreis in letzter Zeit gestiegen sei, verwendeten viele Bauern, so Frey, wieder vermehrt Gülle, mit der sogar ein besserer Ertrag resultiere. Trotzdem lohne sich für die Bio Gas Lindau AG der Verkauf von Gülle nicht: «Für uns ist es insgesamt ein Verlustgeschäft.» Aber eine bessere Lösung gebe es nicht. Die bei der Lagerung des Düngers entstehenden Gase aus der Nachvergärung werden auch landwirtschaftlich verwertet.

Schliesslich wird das aus dem Vergärungsprozess gewonnene Biogas aufbereitet, gereinigt und zwei Blockheizkraftwerken (BHKW) zugeführt, die mit einem V8-Zylinder-Dieselgenerator Strom produzieren. Es ist eindrücklich: Die zwei Motoren sind grosse Brummer im Dauerlauf, acht Zylinder treiben eine Kurbelwelle an, die den Stromgenerator dreht. Die Abwärme des Motors wird auch genutzt, um den Fermenter und den nahen Schweinestall zu heizen. Jährlich können so insgesamt über 1,2 Millionen Kilowattstunden an Wärme für externe Zwecke genutzt werden. «Diese Energiemenge müsste andernfalls mit einem herkömmlichen Heizsystem kostspielig und wenig umweltschonend produziert werden», führt Hanspeter Frey aus.

Die Biogasanlage in Lindau hat eine Leistung von gut 500 Kilowatt, womit sie in der Schweiz zu den grösseren ihrer Art zählt. Frey sieht sie von der Leistung her im obersten Drittel. Zum Vergleich: Wenn der Radrennfahrer Fabian Cancellara jeweils dem Feld davonfuhr, brachte er gut 500 Watt oder nicht ganz ein PS auf die Pedalen, Biogas Lindau ist also tausend Cancellaras stark. Grundsätzlich läuft die Anlage rund um die Uhr, sieben Tagen die Woche. Im Jahr produziert sie laut Frey etwa 3,3 Millionen Kilowattstunden Strom. Nur für Servicearbeiten muss sie ab und zu abgestellt werden. Mit dem Output können rund 730 durchschnittliche Haushalte mit Strom versorgt werden.

Für Hanspeter Frey ist klar, dass nur mit Biogas allein das Energieproblem der Schweiz nicht gelöst werden kann. Denn der Aufwand sei für den erzielten Output relativ gross. Und das Grünmaterial, das für die Produktion gebraucht werde, sei begrenzt verfügbar. «Hier muss man technologieoffen sein, um die Gesamtsituation zu verbessern», findet er. Aber die Stromproduktion mit Biogas trägt einen relevanten Teil zur Landesversorgung bei. «Zudem liefert sie die so wichtige Bandenergie, was sonst mit grünen Alternativen nicht möglich ist.» Bandenergie heisst: Stetige Produktion ohne Schwankungen, ohne Flattern, die Motoren brummen monoton rund um die Uhr.

Zusätzlicher Absatzkanal

Der Blick auf die kommenden Jahre erfüllt Frey gleichwohl mit Sorge. Der KEV-Vertrag, der die Abnahme des Stroms zu einem fixen Preis garantiert, hat eine Laufzeit von zwanzig Jahren und läuft somit 2029 aus. Ob es dann ein Anschlussprogramm geben wird, weiss er noch nicht. «Falls nichts passiert, ist die Zukunft offen und unsere Anlage höchst gefährdet», da gibt er sich keinen Illusionen hin.

Die Teuerung hat sich auch auf die Beschaffung von Ersatzteilen ausgewirkt. Immerhin dürfte die Amortisation in zwei bis drei Jahren abgeschlossen sein. «Unsere Hoffnung auf eine vernünftige Lösung ist im Moment noch gross.» Ein zusätzlicher Absatzkanal für einen Teil des Biogases wäre sonst anstelle der Verstromung die Einspeisung in das Erdgasnetz. Hanspeter Frey kann sich diese Möglichkeit in Zukunft gut vorstellen. Denn im benachbarten Effretikon gibt es eine Erdgastankstelle für Autos, die mit diesem Treibstoff angetrieben werden. Allerdings würde diese Absatzerweiterung Investitionen mit sich bringen. «Und weil Biogas einen tieferen Brennwert als Erdgas hat, müsste es aufwendig aufgewertet werden», erklärt er. Seine Arbeit für eine nachhaltige Energieversorgung bleibt spannend.