Die Freizeitgestaltung der Antifa ist bekannt: blindwütiger Vandalismus und exzessive Gewalt. Die Deutungshoheit, wer rechtsextrem oder gar ein «Nazi» ist, beanspruchen die Anarchos für sich. Das können Corona-Massnahmengegner sein – oder der Bassist der Reggae-Band «Lauwarm», der vor der Berner Reitschule zusammengeschlagen wurde.

Nun haben sich Personen aus dieser Szene ein neues Tätigkeitsfeld erschlossen: als vermeintliche Rechtsextremismus-Experten für Medienhäuser wie Tamedia oder CH Media. In der Basler Zeitung (Tamedia) und im St. Galler Tagblatt (CH Media) erschienen jüngst Artikel von Mirjam Kohler, Ex-Präsidentin der Juso Basel-Stadt, respektive Enrico Kampmann, in denen ein «Recherchekollektiv» namens «Betonmalerinnen» zitiert wird.

Die «Betonmalerinnen» sind Anna und Noah (Namen der Redaktion bekannt).Aktiv sind die beiden vorwiegend auf Twitter unter «@farbundbeton». Die «Betonmalerinnen» bezeichnen Weisse als «privilegiertes europäisches Weissbrot», tweeten den Antifa-Schlachtruf ACAT («All Cops Are Targets»), rufen zur nicht bewilligten «Sponti-Demo» gegen die Wahl von Albert Rösti auf («wer kann da hin!») und solidarisieren sich mit dem verurteilten Terroristen Alfredo Cospito, der für den Bombenanschlag auf eine Polizeischule und das Attentat auf den Atom-Manager Roberto Adinolfi in Italien inhaftiert ist. Ihre Gefolgschaft auf Twitter und Patreon grüssen die «Betonmalerinnen» mit dem Anarcho-A und «Alerta Antifa».

Angefragt, ob Tamedia eine solche Quelle als seriös erachte, antwortet Sprecherin Sofia Sabatini, die «Informationen aus dem genannten Twitter-Profil» seien «gemäss journalistischer Standards auf ihre Richtigkeit überprüft» worden. Samuel Althof, Leiter der Fachstelle für Extremismus und Gewaltprävention (Fexx), führte ein längeres Gespräch mit Anna und sieht das kritischer: «Was dieses vermeintliche Rechercheportal praktiziert, ist ein Internetpranger für Menschen, welche die ‹Betonmalerinnen› im Kontext ihrer einseitigen Perspektive als Nazis definieren», schreibt er auf Anfrage. «Diese öffentliche Diffamierung ist eine Form von psychischer Gewalt, die zu Selbstjustiz animiert und, wie bei der Antifa-Prügelmiliz von Zürich im März, in reale Gewalt umschlagen kann.» «Es ist fahrlässig, dass renommierte Medien sich auf derart zweifelhafte Quellen berufen. Das verunmöglicht der Leserschaft, zu unterscheiden, ob man über ein Zerrbild informiert wird oder ob die Informationen öffentlichkeitsrelevant sind.»

Auch 20 Minuten, das reichweitenstärkste Medium der Schweiz, bezieht sich auf das «Rechercheportal». Kommunikationsleiterin Eliane Loum-Gräser schreibt auf Anfrage, man habe den Twitter-Account «zu wenig eingeordnet», dies sei nun «im Artikel nachträglich transparent gemacht» worden. Dort ist jetzt zu lesen, das «aktivistische Rechercheportal ‹Farbundbeton 2.0›» sei «selber der Antifa zuzurechnen». Die Frage, ob 20 Minuten mit der prominenten Erwähnung das Antifa-Portal legitimiert hat, mag Loum-Gräser nicht beantworten.

Banalisierung des Nazi-Widerstands

Althof sieht ein weiteres Problem: «Die inflationäre Verwendung des Begriffs ‹Nazi› kommt nicht nur einer Verhöhnung der Nazi-Opfer gleich, sondern banalisiert auch den nationalsozialistischen Widerstand», betont er. «Die ‹Betonmalerinnen› skandalisieren eine Tagung der esoterischen Anastasia-Bewegung oder bauschen einen Auftritt von Daniele Ganser auf. Das sind aber Themenbereiche, denen sich unsere Zivilgesellschaft in ihrem Alltagsumgang stellen muss.»

In ihrem Gespräch mit Althof äusserte Anna die Absicht, mit dem Recherchekollektiv «SRF Investigativ» Kontakt aufzunehmen, um dort als Expertin «Geld zu verdienen». Die SRF-Medienstelle wollte dazu keine Stellung nehmen, ebenso wenig zur Tatsache, dass auch «Arena»-Moderator Sandro Brotz öffentlich auf die «Betonmalerinnen» verwiesen hatte. Brotz lässt eine Anfrage unbeantwortet. Dasselbe gilt für Patrik Müller, Chefredaktor CH Media.

Würde die NZZ Hinweise von dubiosen Twitter-Accounts aus dem rechtsextremen Spektrum als «Recherche» feilbieten, der Aufschrei bei Tamedia, CH Media und SRF wäre ohrenbetäubend. Doch bezüglich der eigenen Zusammenarbeit mit der linksextremen Szene gelten offenbar andere Standards.