Was war das wieder für ein Auftritt! Als Ueli Maurer während einer Sitzung der SVP-Fraktion gefragt wurde, auf welcher Basis der Bundesrat seine Entscheide zur Corona-Politik fälle, sagte er seinen Parteileuten ungeschminkt: «Der Bundesrat ist relativ faktenfrei unterwegs.» Unterlagen und Zahlen zur Entwicklung der Corona-Pandemie würden den anderen Departementen häufig auf den letzten Zacken zugestellt. Es fehle dann die Zeit für eine seriöse Analyse der Situation. Manchmal enthielten die Unterlagen nicht einmal die richtigen Daten, bemängelte er.

Maurer bezog sich dabei auf die unsägliche Diskussion um die Zahl der Betten auf den Intensivstationen. Dass seine Kritik nicht völlig aus der Luft gegriffen war, bewies Gesundheitsminister Alain Berset mit seinen Aussagen ein paar Tage später während der Covid-Debatte im Nationalrat. Der Bund sei nicht in der Lage, die erforderlichen Kapazitäten auf den Intensivstationen zu definieren, liess der SP-Bundesrat durchblicken. Und lieferte dafür folgende Erklärung ab: «Wir verfügen nicht über die Kenntnisse, Informationen und Statistiken, um das wirklich glaubwürdig tun zu können.»

Veränderung am Tisch der Macht

«Was hat er schon zu verlieren», heisst es in diesen Kreisen. Seine Amtszeit neigt sich dem Ende zu.

SP-Fraktionschef Roger Nordmann polterte trotzdem in unerschütterlicher Überheblichkeit drauflos, Maurer solle endlich seine Anhänger auffordern, sich impfen zu lassen, anstatt ständig den Bundesrat als Gremium mit Rückenschüssen zu schwächen. «Ob 250 oder 280 Patienten wegen Corona auf den Intensivstationen liegen», hält der Waadtländer für nicht entscheidend. Entscheidend sei, dass die Wahrscheinlichkeit, auf einer Intensivstation zu landen, für einen Ungeimpften 22-mal höher sei als für einen Geimpften. Philipp Matthias Bregy, der Fraktionschef der Mitte-Partei, reagierte etwas diplomatischer. «Für mich ist klar, dass der Bundesrat aufgrund von Fakten entscheidet», betont der Walliser zwar, hat aber gleichzeitig festgestellt, «dass die vom Bundesamt für Gesundheit veröffentlichten Zahlen teils für wenig Klarheit sorgen».

Tatsache ist: Es hat sich etwas verändert am Tisch der Macht – und das nicht erst seit ein oder zwei Wochen. Vorbei die Zeiten, als sich die Bundesräte öffentlich gegenseitig lobpreisten. So geschehen, als SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher Alain Berset diktatorische Allüren vorwarf. Sofort wurden die SVP-Magistraten Guy Parmelin und Ueli Maurer an einer der darauffolgenden Pressekonferenzen von Medienleuten dazu gedrängt, eine Art Berset-Glaubensbekenntnis abzulegen. Maurer liess sich dabei den Satz entlocken, die Zusammenarbeit mit Berset funktioniere bestens. Oder als er gegenüber Fernsehen SRF etwa zu Protokoll gab: «Der Weg, den wir eingeschlagen haben, stimmt für mich.»

Die Wirklichkeit sah schon zu diesem Zeitpunkt anders aus. Seit Beginn der Pandemie sickert praktisch jedes vertrauliche Dokument zu Corona vor den Bundesratssitzungen an die Medien durch. Diese Serie an Indiskretionen ist kein Zeichen für eine konstruktive Zusammenarbeit. Im Verdacht hatte und hat man hier auch das parteipolitische Umfeld des SP-Bundesrats – um mit dem Druck der Öffentlichkeit Entscheide in die gewünschte Richtung zu lenken.

Im Hirtenhemd der Freiheitstrychler

Je länger die Pandemie dauert, umso mehr entwickelt sich der Finanzminister zum grossen Gegenspieler des Gesundheitsministers. Maurers und Bersets Vorstellungen über das Krisenmanagement gehen fundamental auseinander. Das wurde dann offensichtlich, als der SVP-Bundesrat anlässlich einer Tagung der SVP-Sektionen Zürich, Thurgau und St. Gallen in Wald ZH im Hirtenhemd der Freiheitstrychler, der Speerspitze des Widerstands gegen die Corona-Massnahmen, auftrat. In seiner Rede vor den Delegierten kritisierte er, dass die Regierung in der Krise versagt und zu sehr auf Experten gehört habe. Jetzt setzte er vor der SVP-Fraktion noch einen drauf. Das tut der Finanzminister nicht einfach so, um seiner Basis zu gefallen, wie es von Beobachtern gerne und oft kolportiert wird.

Maurer ist felsenfest davon überzeugt, dass man zum Beispiel Impfkritiker in Schutz nehmen muss, statt, wie es momentan geschieht, sie in die Enge zu treiben. Sein Fanklub würde es gerne sehen, wenn er künftig noch stärker als bisher einen Kontrapunkt zur Corona-Politik des Bundesrats setzen würde. «Was hat er schon zu verlieren», heisst es in diesen Kreisen. Seine Amtszeit als Bundesrat neigt sich langsam dem Ende zu. Man kann nicht davon ausgehen, dass der heute 71-jährige Maurer 2023 noch einmal antreten wird. Warum also nicht noch ein bisschen das Corona-Massnahmen-Dickicht ausholzen – im Stil von Ferdinand Hodlers «Holzfäller»? Auch wenn man bezweifeln darf, dass sich die Landesregierung deswegen von ihrem für viele Menschen diskriminierenden Corona-Kurs abbringen liesse.

Die 3 Top-Kommentare zu "Einer holzt das Corona-Dickicht aus"
  • Mueller

    Was wird geschehen, wenn der ganze Corona- Wahnsinn in naher Zukunft einmal auffliegt? Ich befürchte gar nichts, jeder Politiker wird die Verantwortung auf die Wissenschaft schieben- und umgekehrt! Die Schafherden auf der ganzen Welt wurden in die Irre geleitet; und sie werden weiterhin brav blöken!

  • globe_trotter

    Es ist viel schlimmer. Der Bundesrat ist nicht faktenfrei unterwegs. Vielmehr ignoriert der BR vorhandene Fakten oder deutelt sie um. Ich verfolge jeweils die Pressekonferenzen von Bundesrat und der "Experten". Parallel dazu prüfe ich Aussagen via den offiziellen Quellen des BAG und des BFS. Alleine dieser banale Basis-Check enthüllt stets Lügengebilde und Projektionen auf Basis illegitimer Annahmen. Impf-Status bei IPS-Patienten wird nicht erhoben. Fragen zu IPS-Betten-Abbau nicht kommentiert

  • Melanie

    Die Abstimmung war ein totales Über-den-Tisch-Ziehen des Volkes: krass unverständlicher + absichtlich manipulierter Abstimmungstext, keine Einheit der Materie, Gehirnwäsche + Panikmache durch normierte und manipulierte Staatsmedien. Das Abstimmungsresultat war zwar dann eindeutig, richtig - aber eher in der Hinsicht, dass das Volksmehr rein gar nix gecheckt hat.