Der Ausstoss der weltweiten Treibhausgasemissionen liegt heute um rund 40 Prozent über dem Wert von 1990. Irgendetwas läuft schief. An der öffentlichen Aufmerksamkeit kann es nicht liegen. Von den meisten Menschen wird der Klimawandel als grösste Herausforderung unserer Zeit bewertet.

Was läuft dann schief? Es klafft eine Lücke zwischen Moral und Verstand. Ein bisschen härter noch: Es könnte sein, dass der ehrenwerte Wille vieler Menschen, klimapolitisch Gutes zu tun, am Ende den Klimawandel nicht abmildert, sondern verschlimmert. Grüne und linke Klimaaktivisten setzen auf guten Willen und schlechtes Gewissen. Klimafreundliche Ökonomen setzen auf Preissignale und ein kluges Marktdesign. Es ist der alte max-webersche Konflikt zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik. Hier das Reden, da das Tun. Leider haben die Gesinnungsethiker häufig das lautere Organ, wogegen die zumeist besseren Argumente der Verantwortungsethiker überhört werden.

So wie wir leben, emittieren wir grosse Mengen Treibhausgase, die verantwortlich sind für die Erderwärmung. Es entstehen hohe Kosten durch sogenannte externe Effekte, für welche die Verursacher keinen (oder einen zu geringen) Preis bezahlen. Daraus folgt: Man müsste diesen Preis sichtbar machen und allen, die ihn verursachen, in Rechnung stellen. Jedes Flugzeug in der Luft, jedes Auto auf der Strasse, jede Kuh auf der Alm müssten zahlen.

Dafür wurde von Ökonomen der Emissionshandel erfunden. Der funktioniert in der EU so: Für Emissionen aus der energieintensiven Industrie und aus dem europäischen Flugverkehr, die in Europa insgesamt etwa 40 Prozent der Emissionen ausmachen, müssen die Verursacher Zertifikate kaufen. Wenn ein Gaskraftwerk zum Beispiel im Jahr eine Million Tonnen CO2 freisetzt, braucht es dafür eine Million Zertifikate. Die Zertifikate bekommen die Unternehmen teilweise von ihren Regierungen geschenkt. Das ist nicht schlimm. Denn so oder so ist ein Unternehmen gezwungen, zu fragen, ob es günstiger ist, mit Emissionen plus Zertifikaten zu produzieren oder aber sauber, ohne Emissionen und Zertifikate. Wenn das Unternehmen klimafreundlich produziert, kann es die geschenkten Zertifikate zu Marktpreisen verkaufen und bekommt für das Staatsgeschenk bares Geld.

Nimmt man den Zertifikatehandel ernst, ist es nicht mehr nötig, planwirtschaftlich Termine für den Kohleausstieg vorzugeben, erneuerbare Energien zu subventionieren oder ein Verbot des Verbrennungsmotors zu erlassen. Den Briten ist der Kohleausstieg dadurch gelungen, dass sie den CO2-Preis hochgesetzt haben. Kohleförderung plus Verschmutzungsrechte wurde dadurch teurer als Gas mit weniger Verschmutzungsrechten. Der hohe Gaspreis in der aktuellen Energiekrise müsste folglich ebenso «automatisch» die Transformation zu regenerativen Energieformen beschleunigen, würden die Staaten aufhören, den Gaspreis zu deckeln oder zu subventionieren.

Für viele Menschen klingt eine CO2-Steuer kontraintuitiv. Sie verstehen nicht, was Preise und Klimarettung miteinander zu tun haben, und präferieren direkte Investitionen in Wind- und Sonnenenergie. Danach richten sich dann auch viele Politiker, die zeigen wollen, dass sie «etwas unternehmen» – auch wenn es lediglich Symbolcharakter hat oder sogar für das Klima kontraproduktiv ist. Womöglich würde die Akzeptanz der CO2-Steuer erhöht, wenn der Staat die Einnahmen an seine Bürger umverteilen würde. Denn es sollte ja nicht um mehr Staatseinnahmen gehen, sondern um das Klima. Doch zumeist ist das Geld längst anderweitig verplant.

Viele Menschen verstehen nicht, was Preise und Klimarettung miteinander zu tun haben.

Wo ist der Klimaclub?

Der Zertifikatehandel funktioniert allerdings nur, wenn alle Länder mitmachen. Länder, in denen heute schon ein zum Teil hoher Preis für Emissionen fällig wird (Schweden, Norwegen, Schweiz, Deutschland), sind lediglich für einen sehr kleinen Teil der globalen Klimaverschmutzung verantwortlich (Deutschland bekanntlich für etwa 2 Prozent). 80 Prozent der Emissionen werden in Ländern erzeugt, die keinen CO2-Preis berechnen. Sie sind Trittbrettfahrer der «tugendhaften» Staaten, weil sie billiger produzieren und exportieren können.

Um Trittbrettfahrern ihr Geschäft zu versauern, schlägt der Ökonomie-Nobelpreisträger William Nordhaus vor, dass die reformwilligen Länder sich zu einem Klimaclub zusammenschliessen und einen einheitlichen CO2-Preis für alle Mitglieder festlegen. Das würde den Verbrauch fossiler Energien schrittweise verteuern. Weil dies jenen Ländern einen finanziellen Vorteil verschafft, die nicht Mitglied im Club sind, müssten Importe aus Drittstaaten von den Mitgliedern des Clubs mit einem Strafzoll verteuert werden. So entsteht ein Anreiz, dem Club beizutreten. Normalerweise sind liberale Ökonomen strikt gegen Kartelle und Marktzugangsbeschränkungen (Zölle). Beim Klima scheint es ihnen der einzige Weg zu sein, um der Unverbindlichkeit internationaler Abkommen einen Riegel vorzuschieben.

Nordhaus entwirft diesen Klimaclub spieltheoretisch als Sanktionsinstrument zur Vermeidung von Trittbrettfahrerei, weniger als Verfahren zur Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen. Der Kardinalfehler aller internationalen Konferenzen seit Kioto besteht darin, dass die Preisverpflichtungen lediglich einseitig und freiwillig sind, anstatt dass man obligatorische Reziprozität verlangt getreu dem Motto: «Ich mache mit, sofern du mitmachst!»

Achim Wambach, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim, hat jetzt unter dem Titel «Klima muss sich lohnen» (Verlag Herder) ein kleines, gut lesbares Buch geschrieben, das für mehr ökonomische Vernunft und weniger moralische Appelle in der Klimadebatte wirbt. Wambach, von Haus aus sowohl Physiker und Ökonom, analysiert die unterschiedlichen Massnahmen der Klimapolitik und die Marktmechanismen, die dahinter wirken – manchmal gegenteilig oder ganz anders als von der Politik beabsichtigt oder den Verbrauchern erwartet. Selbstredend macht auch er sich für den Emissionshandel und die Gründung eines Klimaclubs stark. Viele wenig sinnvolle Einzelmassnahmen und Subventionen könnten die Staaten sich sparen, würden sie sich darauf konsequent konzentrieren. Überflüssig wäre zum Beispiel die sogenannte Taxonomie, mit der die EU sich anmasst, zu wissen, welche Kapitalanlagen «grün» sind und welche nicht.

In Wambachs Essay finden sich durchaus ökonomisch überraschende Erkenntnisse. Zum Beispiel jene, dass Fliegen innerhalb Europas keinen negativen Klimaeffekt hat. Denn der Flugverkehr nimmt am Europäischen Emissionshandel teil. Die Airline muss dafür Zertifikate kaufen in Höhe der Emissionen, die bei diesem Flug ausgestossen werden. Weil die Gesamtmenge an Zertifikaten gedeckelt ist, müssen andere weniger kaufen. Der einzelne Flug ändert Europas CO2-Emissionen nicht, ist somit klimaneutral. Wenn Unternehmen für Flüge ihrer Mitarbeiter dann zusätzlich (nicht selten problematische) Ausgleichszahlungen zum Beispiel zur Aufforstung des Regenwaldes leisten, dann erwächst dadurch sogar ein echter Vorteil für das Klima. Fazit: «Aus Klimagründen sollte man anordnen, auf Zugreisen zu verzichten, und mehr mit dem Flugzeug zu reisen», so Achim Wambach.

Der «Wasserbetteffekt»

Ähnlich desillusionierend fällt der Nutzen aus, den es für das Klima bringt, sich eine Fotovoltaikanlage auf das Dach zu montieren. Das führt zwar dazu, dass CO2-Emissionen zu Hause eingespart werden, die dadurch freiwerdenden Emissionsberechtigungen verbilligen jedoch den Preis im Zertifikatehandel. Andere kommen dann billiger an Verschmutzungsrechte, so dass die Emissionen im Saldo gleichbleiben. Die Ökonomen nennen dies «Wasserbetteffekt»: Wohlgemeinte Energieeinsparungen können die Emissionen nicht über das hinaus reduzieren, was der Emissionshandel sowieso erreicht.

Heisst das, wir sollten uns die Absicht abschminken, Gutes zu tun? Das wäre ein Missverständnis. Axel Ockenfels, Wirtschafts- und Verhaltensforscher aus Köln, wird nicht müde, zu erklären, dass es darum geht, «Gutes besser zu machen». Ist es nicht unsere moralische Verpflichtung, Herz und Hirn zu verbinden und den Kampf gegen den Klimawandel marktrational und nach allen Regeln der Wissenschaft zu führen?, fragt Ockenfels. Alles zu tun für die Gründung eines Clubs der Willigen wäre etwas, worauf die Bürger ihre Regierung moralisch (und mit ihrer Stimme) verpflichten müssten. Glückt es, ist es am Ende viel mehr wert als die Erreichung nationaler Klimaziele, die in den politischen Tagesdebatten zumeist im Zentrum stehen.

Die 3 Top-Kommentare zu "Fliegen hilft dem Klima"
  • eduardkeller

    CO2 befeuert den Ablasshandel und die Hehlerei. Dieser Unsinn greift massiv um sich. Auf das Klima hat dieser Aktionismus absolut keinen Einfluss. Erkannt wird, dass der unbestrittene Klimawandel mehr Vorteilen bringt als Nachteile.

  • Doofydoof

    Bitte hört doch endlich, endlich auf mit diesem Stuss…! Müsst auch Ihr diesen Mist immer und immer wieder bewirtschaften?? Das Klima wird sich immer und so oder so ändern. Hier geht’s nur um «Kohlen» holen, ganz gleich unter welchem Titel! NB: Befasst man sich wertefrei mit diesem Thema, wird’s sofort klar! Rücksichtsvoll und respektvoll mit den Ressourcen umgehen und es passt! Die Erde lacht und fragt den Menschen: «Wie alt bist du?»

  • tri

    Tatsache ist, dass Wasser bzw. die Meere CO2 in rauen Mengen aufnehmen und es den Algen etc. zur Verfügung stellen. Diese wiederum produzieren den meisten Sauerstoff und nicht die Bäume wie das alle glauben. Hätten wir ein CO2 Problem, so hätten wir auch ein Algenproblem, haben wir aber nicht. Die Natur reguliert CO2 also auf höchstem Niveau. Alles andere ist Politik und daraus finanzierte Unwissenschaft.