Es ist ein Meer, eines aus Stein, und seine höchsten Gipfel sind gezuckerte Wellen. In den Bergen drängt die Erde in den Himmel, berührt ihn, badet in seinem Lapislazuli. Die Luft ist dünn und voller Klarheit, der Blick geht in beides, ins Unendliche und ins Nahegelegene. In diesen Höhen sprechen die Menschen gerne von Erhabenheit und Majestätischem. Golfer sprechen davon, dass der Ball weiterfliegt, fast in den Himmel manchmal.

Auf den Bergplätzen trennt sich die Spreu der Golfer noch mehr vom Weizen als im Flachland.Andere Länder haben das Meer, haben Küsten und Inseln, auf denen Golfplätze sind. Man könnte sagen, dass sie privilegiert sind, weil sie das Blau des Himmels haben und jenes des Meeres und weil da Palmen sind und vielleicht das Rauschen der sich brechenden Wellen an den Klippen. Wir haben die Alpen, und im Grunde ist das viel exklusiver – es gibt viel mehr Meer als Gebirge.

Im Mai hört man ihn, leise noch, aber doch, den Ruf der Berge, jenen sehnsuchtsgetränkten Ruf der Gebirgsplätze. Ein gutes Dutzend in die Landschaft gegossen haben wir in unserem Land überall dort, wo der Granitfels genug Tal gelassen hat. Panorama-Plätze sind es allesamt, atemberaubend, wie man so sagt. Ich spielte letztes Jahr im Engadin, in Zuoz-Madulain, da sagte einer im Flight: «Und wenn ich einen Ball verhaue, dann schaue ich mir einfach die Berge an, und alles wird gut.»

 

Zwischen Rausch und Einsamkeit

Auf den Bergplätzen trennt sich die Golfer-Spreu noch mehr vom Weizen als im Flachland. Oft, oder meistens, sind die Fairways schmal, abfallend oder ansteigend, eine an sich mühsame Geschichte, da sind die Hanglagen, die Kuppen, die man blind überspielen muss, das sind Bäume, Lerchen, Arven, da sind die künstlichen Hindernisse der sadistischen Platzdesigner, da sind die Wege, die man zwischen den Abschlägen gehen muss. Selten nur steht man auf waagerechtem Grund. Ständig gilt es, wie ein Artist seinen Stand anzupassen, die Ballposition auch. Ständig muss man die Balance finden, leicht bleiben im Anstrengenden.

Das helle Licht der Berge gibt einem Bilder mit auf den Weg, die im Flachland nicht verblassen.

Ein Golfer, der nie einen Gebirgsplatz gespielt hat, ist wie ein Skifahrer, der nie im Tiefschnee war. Er kennt nicht den Rausch, hat sie nie gefühlt, diese Einsamkeit im Monumentalen. Wenn man da steht im Gestein, links Berge und rechts auch, vorne und hinten, wenn man die Bergdolen zu glauben hört und den eigenen Atem und sonst nichts, wenn man da steht am Abschlag im Schweigen der Berge.

 

Lamborghinis und Dacias

Der höchstgelegene Golfplatz Europas liegt im Wallis im Art-Furrer-Land, es ist ein 9-Loch-Platz auf der Riederalp, für mehr war kein Platz. Auf 2000 Metern über Meer liegt er, nächstes Jahr wird er vierzig Jahre alt. Man sieht den Aletschgletscher und das Matterhorn, wie Gemälde liegen sie da bisweilen. Wer dort gespielt hat, erzählt vom Loch 4, dessen Green auf einer Insel liegt. Wie ein Befestigungsgraben umschliesst das Wasser die Erlösung vom Loch, und wenn man das Green trifft mit dem zweiten Schlag, schmilzt man ein wenig dahin wie der Gletscher im Sommer selbst.

Es würde nichts bringen, eine Rangliste der Gebirgsgolfplätze zu erstellen. Sie sind alle schön in ihrer Einzigartigkeit und Verbundenheit durch dieses existenzielle Alpenpanorama. Es gibt, natürlich, exklusivere und bodenständigere, solche, in denen die Golfer mit SUV-Lamborghinis hinfahren, und solche, auf deren Parkplätzen Dacias stehen. Und so begeben wir uns auf eine kleine Bergwanderung, besteigen die Gipfel des Golfes.

Beginnen wir mit dem ältesten Golfklub der Schweiz, dem Engadine Golf Club. 1893 wurde er gegründet, er liegt nahe bei St. Moritz in Samedan. Man schlägt wahlweise in Richtung Pontresina, St. Moritz, Zuoz oder hin zum Julier oder zu den Seen, vor dem Corvatsch. Der Platz ist geräumig, das Tal ist generös, selten eng, ein paar seiner Löcher sind legendär, die 14 etwa, weil sich da ein Engländer begraben liess. Ich weiss nicht, wie der Platz das macht, was es ist, dass man sich dort stets wie ein kleiner König fühlt, manchmal wie ein glücklicher, manchmal wie ein unglücklicher. Vielleicht ist es die royale Atmosphäre, mag sein. Und die Drinks im Clubhouse auf der Terrasse mit Blick auf den Abschlag am 1. Loch und dem Green des 18.

Zwölf Kilometer in Richtung Unterengadin, am Inn entlang, liegt der junge Bruder des Samedan-Platzes: Zuoz-Madulain. 21 Jahre alt ist er. Vielleicht einer der schwersten Plätze in den Alpen – eng, hügelig, da und dort verschlungen. Es ist ein Platz, auf dem man froh ist, wenn man zwischen den Abschlägen in einem Golfcart sitzt, und es ist ein Platz, auf dem an vielen Löchern ein Par so viel Wert ist wie anderswo ein Birdie.

Ähnlich stotzig, wenn man so will, ist der Golfplatz Andermatt, der jüngste aller Gebirgsplätze. Der Wind dort ist legendär, auch der Satz des Clubpräsidenten Bernhard Russi dazu: «Das ist kein Wind. Das ist nur Airconditioning.» Der wunderbar eingebettete Platz ist für alle Durchschnittsspieler ein Ballfresser. Die Fairways sind eng und oft begrenzt durch Biotope, in der ein Ball so untergeht wie das eigene Spiel an einem schlechten Tag. Das 3. Loch ist ein Bergaufwärtsspektakel, das 6. gleiche einer Abfahrtspiste, sagt Russi.

Wer dann ins Klubhaus kommt, fühlt sich wie ein Golfer, der noch eine Gebirgswanderung hinter sich hat.Die ersten fünf Löcher des Platzes sind wohl die härtesten in den Schweizer Alpen. Es geht nur bergauf, es hört nicht auf, das Herz pumpt, der Puls rast, es ist Golf unter erschwerten Bedingungen. Die Back Nine sind etwas angenehmer, weitläufiger auch, da und dort gar verträumt. Und wer dann ins Clubhouse kommt, fühlt sich wie ein Golfer, der gleichzeitig noch eine kleine Gebirgswanderung hinter sich hat.

Natürlich Arosa. Der Platz liegt auf fast 2000 Metern Höhe, nur einen softspotmässigen Schlag mit dem Wedge darunter. Das Loch 5 ist der höchste Abschlag einer 18-Loch-Anlage in Europa. Dieses Loch 5, ein kurzes Par 3, ist eines, das lange in Erinnerung bleibt. Sein Green, beschützt durch Wassertümpel ist eines jenes, von denen man nie weiss, ob man es mögen oder hassen soll.

Dort, wo die Luft dünn wird, wird der Alpengolfer zwar auch nervös und hektisch, wenn er einen Abschlag versaut oder einen Chip verhaut. Das ist die ewige Tragödie des Amateurgolfers; das Spiel bleibt viel zu lange oft eine Glückssache. Aber all der Ärger, der sich aufstaut und sich nicht wegen eigener Unfähigkeit am nächsten Loch in Luft auflöst, den man mit sich trägt von Schlag zu Schlag, der immer schwerer wird, und der droht, einen zu erschlagen; er ist nicht so aggressiv wie auf Plätzen auf Meereshöhe. Das ist meine Erfahrung.

 

Man selbst wird zum stoischen Berg

Es liegt wohl, ich habe es schon kurz anklingen lassen, an den Bergen, ihrer nonchalanten Gleichgültigkeit, ihrem Schweigen, ihrer Ruhe, die ewig zu sein scheint, besänftigend. Das ist wohl eine der angenehmsten Seiten des Alpengolfes, man wird hin und wieder selbst ein wenig zum stoischen Berg. Ausser ein paar kleinen Steinschlägen ist da nichts.

Fahren wir fort mit unserer Runde durch die Golferhöhen. Da ist Gstaad, das natürlich auch einen Golfplatz hat, ebenso, wie es einen Jachtklub besitzt, und das coolste Understatement der Schweiz wahrscheinlich. Der Platz liegt in Saanenmöser, wunderbar wie auf die Haut der Landschaft tätowiert, umgeben von geschützter Natur und einem Flachmoor. Der Platz ist so anspruchsvoll wie der Blick auf die Berner Alpen gehaltvoll. Wie all die andern Plätze in Gegenden mit ein wenig abgetauchter und schweigender Prominenz, ist das Flair geprägt von einem Fluidum des Kosmopolitischen.

Und all die andern Plätze; Lenzerheide, Bad Ragaz, Davos, Interlaken, das kleine Bijou Andermatt Realp, und natürlich Crans-sur-Sierre, das man aus dem Fernsehen kennt, weil dort seit Jahrzehnten European-Masters-Turniere gespielt werden. Welch ein Platz, dieser Parcours Severiano Ballesteros, der ihn designt hat, das 6. Loch mit der Waldschneise, an der 5 und der 7 muss man Bäume überwinden, um aufs Grün zu gelangen. Unweit vom Ballesteros-Court ist, welche Verschwendung im Grunde, der 9-Loch-Platz von Jack Nicklaus, ein kurzes Vergnügen mit langanhaltender Erinnerung.

Das ist ein kleiner Ausschnitt aus dem Ozean der Golfwelt in den Schweizer Alpen. Jeder Platz hat, trotz Enge und Schwierigkeit, vielmehr Potenzial einen glücklich, denn unglücklich zu machen, auch wenn das eigene Spiel mit der Schönheit der Landschaft nicht, nie, mithalten kann.

Das helle Licht der Berge verschafft eine seltsame Art von Durchblick und Intensität. Und es gibt einem Bilder mit auf den Weg, die im Flachland nicht verblassen. Diese Schläge, die Bälle, die sich aufmachen in Richtung Himmel und zu einem Berg und zu einem bisschen Gravitationsfreiheit, die nach all dem greifen und dann auf den saftgrünen Wiesen landen, und wenn man, wie gepolstert, seinem Ball hinterherläuft: Das ist, bei all dem Geld, das Alpengolf kostet, unbezahlbar.

 

Mount Everest des Alpengolfers

Der Ruf der Berge wird lauter, mit jedem bisschen Schnee, das wegschmilzt, mit jedem braunen Flecken Erde, der trocknet und grünt. Es kommt die Zeit der gestohlenen Tage, am Morgen früh ins Auto und dann hoch, an die Füsse der Berge in die kleinen, grossartigen Paradiese. Es gibt, wenn alles passt, das Wetter, das Spiel, der Flight, nur wenig Besseres.

Es gibt kaum etwas die Seele Sättigenderes, als wenn man nachmittags mit Sonnenbrille im Clubhouse sitzt, die schon tiefstehende Sonne im Gesicht, vor einem Wein oder Bier und den Bergen, die wie zu glitzern scheinen, und in den Knochen stecken 18 Löcher, das eigene Spiel, das die Herrlichkeit und auch den Schrecken der Berge in sich trägt. Man weiss ganz schnell um die Bedeutung des Wortes «Genussgolfer». Vielleicht hallen gar noch die Klänge von Alphörnern wider.

Wer nicht genug davon bekommen kann von der im Verhältnis zum Flachland doch kurzen Bergsaison hat für dreissig Tage noch die Engstligenalp ob Adelboden. Sie ist etwas für Puristen, sie ist der Mount Everest des Alpengolfers. Anfang September werden die 500 Kühe runtergetrieben, dann gehört die Alp für einen Monat den Golfern. Vermutlich ist die Engstligenalp der einzige 18-Loch-Pop-up-Golfplatz der Welt.

Da ist nicht viel, da ist kein Klubhaus, sind keine Carts, keine Grenzen auch, keine gemähten Fairways, nur solche, die von den Kühen gerupft wurden. Abgeschlagen wird auf Matten, die auf Paletten fixiert sind, das Green ist ebenfalls eine Matte, alle Schläge sind aufgeteete. Es kommt einem vor wie Golf zu Pionierzeiten, und vielleicht ist es eines der allerletzten Abenteuer, die einem im Golf, abgesehen von all den abenteuerlichen Schlägen, die man nie loswird, widerfahren kann in diesem Golf des Höhenrausches.