Die Übungsanlage wäre auch in einem herkömmlichen Auto eher ambitioniert: Zürich–Kopenhagen retour innerhalb von 48 Stunden. 1200 Kilometer trennen die Limmatstadt von der dänischen Metropole des guten und umweltbewussten Lebens. Das macht dann 2400 Kilometer. Schlafen muss der Mensch ja auch noch. . . Und er möchte, zumindest ein bisschen, in die touristischen Verlockungen seines Zielorts eintauchen.

Das Transportmittel, das diesen Härtetest über sich ergehen lassen muss, ist der neue Audi Q8 Sportback e-tron. Eine Weiterentwicklung des ersten rein batteriebetriebenen Modells aus dem Hause Audi, das seit 2019 auf den Strassen fuhr und lediglich Audi e-tron hiess. Jetzt wurde der e-tron also mit dem Namen Q8 ergänzt, und es ist ein wenig so, als sei er damit erwachsen geworden. Immerhin ist «Q8» bei den Verbrennungsmotoren Audis Chiffre für das grösste und komfortabelste SUV, das der Hersteller aus Ingolstadt zu bieten hat. Äusserlich ist der neue Elektrospross minimal kleiner als der herkömmliche Q8.

Die Aussichten auf das Abendessen in Kopenhagen schwinden, wenn sich nicht etwas tut. Im Morgengrauen eines sonnigen Samstags – geradeso an der Peripherie der sommerlichen Hauptferienzeit – lenken wir den Audi Q8 Sportback 55 e-tron geräuschlos durch die schlafende Stadt Zürich. Die Batterien sind bei der Abfahrt voll aufgeladen, also mit 114 Kilowattstunden – was in etwa dem Strombedarf eines durchschnittlichen Vierpersonen-Einfamilienhauses in einer Woche entspricht. Es ist kurz vor vier Uhr, als wir die Autobahn in Richtung Basel in Angriff nehmen. Durch den Kopf schwirren verschiedenste Fragen: Wie oft wird uns das Auto wohl auf der Fahrt nach Dänemark an die Ladesäule bitten? Reicht es zum Abendessen in der Foodie-Hochburg Kopenhagen? Wie lange dauert das Aufladen? Und wie lässt sich auf der deutschen Autobahn die Fahrzeit wirkungsvoll optimieren? In Verbindung mit der unbeschränkten Geschwindigkeit auf vielen Streckenabschnitten ist das ein nicht ganz triviales Problem. Schliesslich ist ja sattsam bekannt, dass mit zunehmendem Tempo der Energieverbrauch überproportional ansteigt, was dann mit zusätzlichem Laden kompensiert werden muss.

Maximal zehn Kilowatt

Der Tempomat in Verbindung mit dem stilsicheren Spurhalte- und Abstandsassistenten trägt uns unaufgeregt der Landesgrenze in Basel entgegen. Es hätte zwar keines Beweises mehr bedurft, dass ein moderner Oberklassewagen aus deutscher Herstellung das vollautonome Fahren auf der Autobahn technisch im Griff hätte – der Q8 Sportback e-tron erbringt diesen Beweis trotzdem spielend. Dass das Auto nicht ganz von alleine fährt, scheint allein den gesetzlichen Hürden geschuldet, die es bis dahin zu überwinden gilt. Aber das soll jetzt nicht unser Problem sein.

Unser Problem deutet sich möglicherweise an den ersten beiden Raststätten entlang der A5 von Basel nach Freiburg im Breisgau an. An der ersten findet sich die augenscheinlich einzige Ladesäule mit Absperrband abgeklebt. Und die Ladekapazität der zweiten stimmt uns alles andere als optimistisch: maximal zehn Kilowatt. Man rechne: Um die noch zu einem Drittel volle Batterie aufzuladen, würde man bis in den Nachmittag an der Säule stehen. Zum ersten Mal stellt sich so etwas wie Reichweitenangst ein. Umso mehr, nachdem ein kleiner Umweg zum nahegelegenen Autohof auch nicht die gewünschte Erleichterung bringt.

Auf der Autobahn genehmigen wir uns trotzdem ein paar unbeschwerte Experimente mit dem Gaspedal. Die Fahrdynamik, welche die beiden Elektromotoren mit einem Drehmoment von 664 Newtonmetern entfesseln, bereitet Freude. So ermöglicht der Q8 Sportback e-tron ein interessantes Wechselspiel von Beschleunigungs- und Trägheitskraft. Die brachiale Sportlichkeit des Supersportwagens aus Audis Elektrofamilie, des RS e-tron GT, erreicht er nicht ganz, aber unter Zuhilfenahme des Boost-Modus verkürzt sich die Beschleunigung von 0 auf 100 ​km/h auf 5,6 Sekunden, was angenehme Rennfahrerhormone freisetzt. Unterstützt wird das sportliche Fahren durch die schönen optischen Elemente der S-Line, wie beispielsweise die gut dimensionierten und fein konturierten Sportsitze.

 

Die Sonne lässt das Auto erstrahlen

Jetzt lässt die aufgehende Sonne das Äussere des Audi Q8 Sportback e-tron erstrahlen. In der Sportback-Ausführung legt er ein selbstbewusstes sportliches Statement ab. Die Karosserie ist in Soneirarot Metallic lackiert, eine eigens für dieses Modell kreierte Farbe, die Frische und Ambition ausstrahlt. Schön akzentuiert wird die Silhouette durch die keck betonten Seitenfenster, die dem Aussehen des Autos eine vorwärtsstrebende Dynamik verleihen.

Das Rezept bewährt sich, von Ionity-Station zu Ionity-Station zu bewegen und kurz zu laden.Was die Batterieladung angeht, bringen uns solche optischen Vorzüge leider im Moment nicht weiter. Im Navigationssystem suchen wir die nächstgelegene Ladesäule und werden in einem Örtchen grad neben der Autobahn fündig. Doch auch hier ist die Ladeleistung mit zwanzig Kilowatt eher bescheiden. Zwar ist ein ausgiebiges Frühstück zur Stärkung für den weiteren Weg nicht zu verachten. Aber es wird klar: Die Aussichten auf das Abendessen in Kopenhagen schwinden, wenn sich nicht etwas tut. Nach einer gut halbstündigen Frühstückspause erinnern wir uns an den Tipp, den wir bei der Übergabe des Fahrzeugs von Audi erhalten hatten: Nach Möglichkeit bei Ionity laden! In knapp 200 Kilometern Entfernung machen wir eine solche Einrichtung aus, und zwar an der Autobahnraststätte Reinhardshain. Nachdem der Ladestand wieder gegen 50 Prozent tendiert, können wir das wagen. Ein paar Minuten später sind wir wieder auf der Autobahn. Der Verkehr ist mittlerweile dicht geworden; mit zwischen 100 und 120 km/h bewegen wir uns gemütlich nordwärts.

Nicht über 80 Prozent laden

Die erste Begegnung mit Ionity entpuppt sich als die Lösung der erlebten Probleme – so etwas wie Liebe auf den ersten Blick für Langstreckenneulinge im E-Auto: Die Hochleistungsladesäulen befördern die Elektronen mit bis zu 170 Kilowatt in die Batterie. Nach gut zwanzig Minuten ist diese damit von unter 20 Prozent auf 80 Prozent geladen. Das Display der Ladesäule zeigt an, dass es jetzt mit der Ladeleistung rapide abwärts geht. Also: besser weiterfahren! Es ist noch nicht einmal Mittag, und wir haben bereits die zwei wichtigsten Lektionen gelernt: Nur die wirklich schnellen Säulen nutzen. Und die Batterie nicht über 80 Prozent aufladen. Vielleicht kommen wir ja doch noch vor dem Abendessen in Kopenhagen an.

Leider machen uns jetzt die äusseren Umstände zu schaffen. Der Verkehr ist mittlerweile zum Schneiden dicht geworden. Zwischen Hannover und Hamburg wird aus einer zähflüssigen Autokolonne schliesslich ein Stau von der Art, wie man ihn nicht erleben möchte. Kein Rad bewegt sich mehr. Höchstens alle zehn Minuten geht es ein paar Meter vorwärts.

 

Angenehmer Begleiter im Stau

Unser Auto erweist sich in dieser Situation als angenehmer Begleiter, der das Stau-Erlebnis ein wenig erträglicher macht. Im ultralangsamen Stop-and-Go nutzt es deutlich weniger Energie als ein Verbrennungsmotor. Und dank der inkorporierten Annehmlichkeiten wie einer sehr feingliedrigen Raumklimasteuerung und einer Hightech-Soundanlage von Bang & Olufsen sowie Massagesitzen vergeht die Zeit so schnell, wie es die Umstände eben erlauben. Und nach gut zwei Stunden fliesst der Verkehr wieder. Wenn auch langsamer als zuvor.

Das Rezept, sich von Ionity-Station zu Ionity-Station zu bewegen, kurz zu laden und unter 80 Prozent wieder loszufahren, bewährt sich im weiteren Verlauf der Fahrt. Nördlich von Hamburg erreichen wir den letzten Ladestopp in Deutschland, die Raststätte Buddikate. Allerdings hat sich in Fahrtrichtung Nord eine Fahrzeugtraube vor den Ionity-Säulen angesammelt. Schätzungsweise dürfte es eine Stunde gehen, bis unser Q8 Sportback e-tron angeschlossen werden kann. Unerfreulich! Doch dann ereignet sich eine witzige Begegnung. Ein ortskundiger E-Auto-Fahrer mittleren Alters fragt: «Kennen Sie den Trick nicht?» Auf einem verschlungenen Feldweg führt er uns, eine Autobahnunterführung nutzend, auf die andere Seite der Raststätte (Fahrtrichtung Süden). Nach ein paar Minuten lädt sich die Batterie für die kommende Etappe auf.

Die Hochleistungsladesäulen befördern die Elektronen mit bis zu 170 Kilowatt in die Batterie. Eine Etappe, die einen ersten touristischen Höhepunkt bereithält: Aus der Hamburger Gegend gelangt man nämlich am besten über die Fährverbindung Puttgarden–Rødby nach Dänemark. Die knapp vierzig Kilometer sind der einzige Streckenabschnitt, an dem wir nicht ganz ohne fossilen Treibstoff auskommen: Die Schiffe fahren mit einem Hybridsystem aus Elektrizität und Diesel.

Ein ereignisreicher Reisetag neigt sich dem Ende zu, als wir gegen 19.30 Uhr im strömenden Regen in Kopenhagen einfahren. Für ein allzu grosses Programm reicht es nicht mehr an diesem Abend. Aber immerhin: Wir haben es zu einem späten Abendessen geschafft. Die Startschwierigkeiten in puncto Laden und den Stau wollen wir unserem fahrbaren Reisebegleiter nicht anlasten.

Das Restaurant «Fishmarket» in einer gentrifizierten Industriebrache wird seinem Ruf und seinem Namen gerecht: Hier kann man die wohl beste Auswahl an frischem Fisch essen, die die Stadt zu bieten hat. Und in der «Curfew»-Bar, die in der speakeasy-Ästhetik der amerikanischen Prohibition aus den 1920er Jahren daherkommt, lassen sich hervorragende Cocktails geniessen.

Im Unterschied zum Platzregen am Vortag begrüsst uns Kopenhagen am Sonntagmorgen von seiner freundlichsten Seite. Es ist ein milder und sonniger Vormittag. Bei einem Kaffee lassen wir den Geist des Ortes auf uns wirken: skandinavische Gelassenheit in Verbindung mit hochmoderner Architektur und einer auffallend sauberen Stadt. Selbst viele Strassenparkplätze sind hier mit Lademöglichkeiten für Elektrofahrzeuge ausgestattet. Allgemein fällt die geringe Dichte des Verkehrs auf – und die hohe Anzahl an Elektroautos. Laut offizieller Statistik waren im letzten Jahr 38 Prozent aller neu immatrikulierten Autos in Dänemark entweder hybrid oder vollelektrisch (in der Schweiz waren es 28 Prozent).

 

Sämtliche Indikatoren verbessert

Charakteristisch für einen modernen skandinavischen Lebensstil ist das Wohnquartier Ørestad, dem wir einen motorisierten Besuch abstatten. Besonders speziell ist das «8 House», ein vor gut zehn Jahren fertiggestelltes Wohnprojekt auf zehn Stockwerken mit über 400 Wohnungen, 61 000 Quadratmetern Wohn- und 10 000 Quadratmetern gewerblicher Fläche. Ein Höhepunkt des preisgekrönten Baus ist seine unkonventionelle Architektur. Ein Fahrradweg, über den sich auch die obersten Stockwerke erreichen lassen, durchzieht das Gebäude. Designt wurde es vom dänischen Stararchitekten Bjarke Ingels, der auch das Google-Hauptquartier im Silicon Valley federführend mitgestaltet hat. In Kopenhagen hat er im Jahr 2019 die weltweit technisch führende Anlage für die Abfallverwertung zur Erzeugung elektrischer Energie fertiggebaut. In dieser Umgebung des technologischen Entdeckergeistes mit umweltbewusstem und modernem Anspruch blüht der Audi auf.

Der soneirarote Gast aus dem weit entfernten Helvetien zieht bewundernde Blicke auf sich.Weiter unternehmen wir eine Fahrt hinaus in den Strandpark Amager: Eine aufgeschüttete Insel beherbergt hier den mit über vier Kilometern längsten Strand Kopenhagens. Es ist ein beliebtes Ausflugsziel. Zahlreiche Besucher gehen hier ihren Leidenschaften wie Tauchen, Schwimmen und Windsurfen nach. Der soneirarote Gast aus dem weit entfernten Helvetien zieht bewundernde Blicke auf sich.

An touristischem Programm war es das für diesmal. Es ist kurz nach Mittag, als wir wieder aufbrechen. Anhand der bei der Hinfahrt bewährten Taktik bewegen wir uns durch das Autobahnnetz (s. Grafik) und laden dort, wo die Ladeleistung von 170 Kilowatt ausgeschöpft werden kann. Auf der deutschen Autobahn peilen wir eine konstante Geschwindigkeit zwischen 150 und 160 km/h an, was dank der guten Verkehrslage meistens gelingt. Um halb drei Uhr fährt das Auto summend in Zürich ein.

Eine Fahrzeit von dreizehn Stunden von Kopenhagen nach Zürich in einem E-Auto wäre noch bis vor kurzem unmöglich gewesen. Auch das Vorgängermodell von 2018 hätte hier kapitulieren müssen, wurden doch sämtliche elektrischen Leistungsindikatoren merklich verbessert: die Batteriekapazität von 95 Kilowattstunden auf 114, die maximale Ladeleistung von 150 auf 170 Kilowatt und die Reichweite im gemischten Betrieb (Autobahn ist ein anderes Thema) von 409 auf knapp 600 Kilometer. Nicht zu vergessen: Auch manch ein Benzinauto käme ins Straucheln, müsste es die rasante Rückfahrt aus Kopenhagen nachmachen. Die Grenzen der Technik verschieben sich. Und der Audi Q8 Sportback 55 e-tron besteht seine Feuertaufe.

 

Audi Q8 Sportback 55 e-tron quattro. 2 Elektromotoren, Allradantrieb quattro, 2-Gang-Getriebe; Leistung: 408 PS / 300 kW; max. Drehmoment: 664 Nm; Lithium-Ionen-Batterie: 114 kWh (brutto); Beschleunigung 0–100 km/h: 5,6 Sek.; Höchstgeschwindigkeit: 200 km/h; Reichweite: 594 km; Verbrauch: 20,2–24,1 kWh; Ladeleistung: max. 170 kW; Preis: ab Fr. 104 050.–