«Ich war immer der Lustige, warum sollte ich nicht noch mehr Leute unterhalten?»
Ein schwarzhaariger Mann öffnet die Tür. Die Fotografin müsse noch kurz die Bikinibilder von ihm fertigmachen, sagt er, Zeki Bulgurcu. Dann sei er «ready». Mit breitem Grinsen stellt sich der 29-Jährige mit dem unverkennbaren Vornamen Zeki vor und führt durch seine Wohnung im Grossraum Zürich. Pizzaschachteln türmen sich auf dem Balkon – «Die sind nicht alle von mir», rechtfertigt er sich und lacht erneut. In der Küche liegt eine Packung türkischer Würste. «Zekis Original Sucuk», steht darauf. Es sei seine Lieblingswurst.
«Sucuk» ist einer von vielen Trends, die der Internetstar etablierte. «Und das als Ausländer in seiner Schweizer Heimat», betont er. Auf «Zekisworld», wie er sich online nennt, spielt er mit dieser exotischen Konstellation. Es sei eine «Pionierleistung», wenn er – als Türke – eine Geschichte rein aus Schweizer Ortsnamen konstruiert. Oder wenn er mit Sepp, dem 75-jährigen Bauern – bekannt aus der Sendung «Bauer, ledig, sucht ...» – einen Jugendsprache-Dialog führt. In Filmchen fachsimpelt der Urner Senior mit ihm über «Schischa-Trube», eine Wasserpfeifengeschmacksrichtung, und anstatt «Gopferdeckel» zu rufen, empört er sich auf Türkisch. «Amina koyim», sagt Sepp, was Millionen zum Lachen bringt. «Das ist so speziell, dass das Video in den sozialen Medien viral geht», kommentiert Zeki.
Zeki, der sich selber als Komiker bezeichnet, wird von der Schweizer Jugend geliebt. Seit Jahren. Ob auf Instagram, Facebook, Snapchat oder Youtube – er erreicht sie millionenfach. Auf seinem Handy zeigt er ein Facebook-Video, das über sieben Millionen Views anzeigt. Über das aufstrebende Tiktok, das chinesische Videoportal, hat er mit seinen kurzen Sketchen seit März über 6,2 Millionen Likes ergattert.
Zum Vergleich: Auf Storyclash.com, der Influencer-Vergleichsplattform, wird Zeki mit seinen Kanälen gar nicht erst aufgeführt. «Ich habe mich rausnehmen lassen», sagt er. Weil er sich nicht gerne vergleiche. Dass er aber stets an erster Stelle rangiert habe – vor Radio Energy (über 4 Millionen Interaktionen), vor SRF (über 1 Million) und um Welten vor den klassischen Medien wie der NZZ oder dem Blick –, bemerkt er nebenbei. Diesen September gewann er den Swiss Comedy Online Award, dabei erwähnte er in seiner Rede beiläufig seinen «eigenartigen Humor». Dazu sagt er: «Ich war immer der Klassenclown» und fragt plötzlich: «Bro, willst du eine Schischa?»
Nachdem Zeki in der Küche zwei Wasserpfeifen präpariert hat, pflanzt er sich aufs schwarze Ledersofa. «Zieht die Schischa?», will er wissen und erzählt, dass er 1990 in der Türkei geboren sei. In Konya, südlich von Ankara. Als Dreijähriger sei er dann in die Schweiz gekommen. Der Vater habe als Chemievorarbeiter in Basel eine Stelle gefunden. Heute habe er seine eigene Reinigungsfirma, sagt Zeki. Er sei ein «humorvoller Mensch». Er schätzt, dass er zu 80 Prozent wie der «Papi» und zu 20 Prozent wie «Mami» sei.
Aufgewachsen ist Zeki in der Stadt Basel, in Kleinhüningen, einem «harten Pflaster», fügt er an und lacht. Dort hätten viele Ausländer gewohnt. Probleme habe er nie gehabt. Respekt sei ihm stets wichtig gewesen, worauf er auch heute in seinen Beiträgen achte. «Bei Rassismus und Diskriminierung hört der Spass auf», sagt er. Damals in der Schule habe er die humoristischen Grenzen ausgelotet. Er habe stets Witzchen gemacht. Auch mit den Lehrern, weshalb er seine Lehre mit zwei Verwarnungen abgeschlossen habe.
Zeki hat fortwährend Sport betrieben. Als Fussballer brachte er es bis zu den Junioren des FC Basel. Als seine Eltern in die Provinz, ins basellandschaftliche Bättwil, zogen, wechselte er zum FC Ettingen. Bevor er 2013 als Online-Comedian durchstartete, betrieb er Krafttraining. Zeki zückt sein Handy. «Schau mal», sagt er und zeigt ein Bild von sich in Bodybuilder-Pose und ohne T-Shirt. «Ich habe gute Gene, wenn ich trainiere, kommt das schnell.» Seine Zeiten als Muskelpaket seien passé, das sei seinem Instagram-Kanal «Swissmeme» geschuldet. Dafür habe er viel Zeit investiert. «Wenn ich etwas mache, dann leidenschaftlich – ich bin vielleicht etwas extrem.»
Es sei 2013 gewesen, als er bis tief in die Nacht vor dem Computer gesessen sei, sagt Zeki. Das sei öfters vorgekommen. Nach der Arbeit habe er nach «Memes» gesucht, Bildern, die mit einem Spruch einen Witz ergeben, ein Bewusstsein auslösen. «Warum mache ich das nicht selber? Und auf Mundart?», habe er sich gefragt. Er habe Memes für die Schweiz kreieren wollen.
Das habe er sich zugetraut, sagt er rückblickend. «Ich war immer der Lustige, warum sollte ich nicht noch mehr Leute unterhalten?» Herausgekommen sei «Swissmeme», sein Instagram-Account, auf dem er sein erstes Bild um vier Uhr in der Nacht gepostet habe. Seine Botschaft: «Wenn du im Kino vergisst, dis Handy uf lautlos z’stelle, aber es egal isch, well du eh kei Fründe hesch.»
Zeki landete mit seinen Schweizer Memes einen Volltreffer, traf den Nerv der Zeit. Viele erkannten sich in den alltäglichen Situationen, was das Interesse der Öffentlichkeit weckte. 2014 folgten erste Berichte über ihn. Im Laden, wo er noch immer arbeitete, sei er regelmässig erkannt worden. 2015, als er die Regale aufgefüllt habe, sei ihm plötzlich etwas bewusst geworden. Er dachte sich: «Was mache ich da?» Noch im selben Jahr kündigte er, war danach bis 2016 arbeitslos. «Ich habe nicht gechillt», betont er, sondern er habe seinen Memes-Output verdoppelt. Immer mehr Menschen habe er erreicht, worauf ihn 2017 der Sender 3 plus engagiert habe. Sein Aufstieg sei zeitgleich mit der Influencer-Szene verlaufen, wie sich Zeki erinnert. Mit der grössten schweizerdeutschen Community im Rücken habe er fortan Social-Media-Inhalte für 3 plus gestaltet.
«Zieht deine Schischa noch?», fragt Zeki und bietet neue Kohle an. «Weisst du», fährt er fort, «die sozialen Medien sind Fluch und Segen.» Einerseits sei er dankbar. Finanziell gehe es ihm gut, den Job möge er. Was er ohne die sozialen Medien machen würde, wisse er nicht. «Wohl irgendwas im Detailhandel», vermutet Zeki. Dass die Netzwerke, über die er seine Fans erreicht, nicht perfekt seien, sei ihm klar. Facebook und die Probleme mit der Privatsphäre. Oder die chinesische Videoplattform Tiktok, die gewisse Inhalte von sich aus zensuriert und steuert: «Eigentlich könnte ich nirgends mehr nichts platzieren.»
Belastet werde aber vor allem seine Privatsphäre. «Es gibt keine Tabus», sagt er. Zeki zieht an der Schischa und bläst den Rauch langsam aus. Es gehe so weit, dass er Menschenmassen meide. «Du wirst immer angesprochen, im Kino, im Restaurant, in den Ferien auf Mykonos.» Was anfänglich eine Bestätigung war, hat sich geändert. «Heute will ich einzig und alleine meine Ruhe», gesteht er. Wenn er «den Fame» – seine Berühmtheit – abgeben könnte, er würde ihn keinen Tag vermissen. Darüber reflektiere er, der sich als nachdenklichen Menschen bezeichnet, momentan viel: sein Leben, seine Zukunft, sein Glück. Im kommenden März spielt er in seinem ersten Kinofilm mit, die Zekisworld GmbH hat er kürzlich gegründet, Stand-up-Comedy ist sein erklärtes Ziel.
Kürzlich habe er das Buch «Der kleine Prinz» gelesen, wobei ihm seine Kindheit wie ein Film vorgekommen sei. Er schaut zum Comedy-Preis, der auf dem Cheminée steht. Erleichtert sagt er: «Als ich auf der Bühne stand, dachte ich: ‹Fuck Mann, ich has gschafft.›» Er habe das so sehr gehofft, dass er sich kopfüber in die Arbeit gestürzt und plötzlich alles um sich vergessen habe. Im Eingangsbereich stehen ein Paar High Heels. Im April endete seine dreijährige Beziehung. Das Streben nach Erfolg sei in den Vordergrund gerückt, so Zeki. «Um dorthin zu kommen, wo ich bin, habe ich viel geopfert», sagt er, und die Kohle der Schischa erlischt.