Es ist, als sei da einer auferstanden, der Geist des grossen Franz Josef Strauss (FJS).
Das werden sie jetzt in der CSU nicht gerne hören, aber es ist ausgerechnet Bayerns Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger von den Freien Wählern, der dieser Tage als Wiedergänger des weiss-blauen Urgesteins im Wahlkampf unterwegs ist.
Die grosse, schweigende Mehrheit im Lande müsse sich die Demokratie zurückholen, hatte Aiwanger unlängst auf der grossen Demonstration gegen das Heizungsgesetz der Bundesregierung in Erding erklärt und war dafür vor allem von links geprügelt worden, weil dies neurechter Populisten-Sprech sei und ja längst funktionierende Demokratie herrsche.
Operation Goldwaage marschiert! Verdammnis für alles, was den Kern trifft, richtig verstanden und nicht 100 Prozent korrekt formuliert wird. Eine probate Methode, die auch CDU-Chef Friedrich Merz («kleine Paschas», «Sozialtourismus») schon erfolgreich zum Rückwärtsrudern zwang.
Nicht so Aiwanger. Bei «Markus Lanz» liess er sich am Dienstagabend nicht aufs durchsichtige Bereue!-Rechter-Spiel ein. Wenn Menschen das Gefühl hätten, dass ihre Meinung in der Demokratie nicht berücksichtigt werde, müsse man das artikulieren können. Und auch sonst langt der Freie-Wähler-Chef dieser Tage in schönster FJS-Manier hin. «Lasst euch die Zukunft nicht kaputtmachen von irgendwelchen Ideologen», rief er beim Jubiläum der «Auer Burschen» vom Podium. «Baut Häuser, kriegt Kinder, fahrt Auto, esst Fleisch! Wenn wir mehr Leute in Deutschland hätten so wie ihr, dann brauchten wir in Deutschland keine Polizei, kein Gericht und keine Gefängnisse.»
Und: «Wir trinken lieber Bier, das Cannabis sollen die Berliner zu sich nehmen. Das passt zu denen!»
Was sie in Bayern derblecken (Zähne zeigen) nennen – in Hochkultur!
Und zu den Ernährungstipps aus Berlin: «10 Gramm Fleisch haben sie bei uns schon in den Salat reingeschnitten als Beilage zum Rollbraten. Da hat man wirklich den Eindruck, dass die das Volk aushungern wollen. Wer soll denn davon leben? Die sitzen dann magersüchtig hinter der Wärmepumpe rum. Aber wir müssen ja Holz hacken!»
Bayern pur.
Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen. Sein neues Buch «Der Siegeszug der Populisten. Warum die etablierten Parteien die Bürger verloren haben. Analyse eines Demokratieversagens» erscheint im Herbst und kann schon jetzt vorbestellt werden.
Auch im Kölner Stadt-Anzeiger vom 06.07.2023 wird der Schlagabtausch zwischen Aiwanger und Lanz abgehandelt. Schon die Überschrift jenes online-Artikels zeigt den grausigen Zustand des deutschen Gesinnungsjournalismus: "Markus Lanz lässt Hubert Aiwanger in Populismus-Debatte auflaufen".
Hubert Aiwanger schlägt sich hervorragend, keine Frage, und es ist gut, daß es ihn gibt. Aber mit Verlaub, Franz Josef selig war politisch wie rhetorisch noch ein ganz anderes Kaliber!
Lanz der Letzte.