Lassen sie uns nach vorn schauen. Nichts tun Politiker lieber, wenn die Abrechnung mit den zurückliegenden Taten unerfreulich ist. Und da diesmal der Jahreswechsel mit dem Wahlkampf in Deutschland zusammenfällt, ist vom ersten Tage 2025 an die hohe Zeit des Wollens, Brauchens und Müssens. Wir müssen wieder mehr in die Infrastruktur investieren. Wir brauchen mehr Geld für die Bildung. Die Ukraine muss den Krieg gewinnen … Sätze, für die sich die Wähler allesamt nichts kaufen können, weil sie Wünsche beschreiben und keine belastbaren Versprechen. Nur noch übertroffen von: Es geht um die Frage, wie wir die Konjunktur wieder ankurbeln … Um Fragen geht es immer, um Fakten fast nie, um Antworten noch viel seltener.

Was also bringt 2025? Eines ist sicher: vor allem Enttäuschungen. Das ist keine Düsternis oder verdunkelte Gemütslage, sondern nüchterner (Stösschen!) Realismus, weil es keinen denkbaren Wahlausgang gibt, der all die dringlichen Baustellen der Politik in Angriff zu nehmen erlaubt.

Wenn es nach den Wünschen der Menschen im Lande geht, liegen die Dinge klar: Inflation, Rente, Wirtschaftswachstum, Energiepreise, Migration, Terror, Frieden stehen laut einer Insa-Umfrage für Bild auf dem Wunschzettel der Deutschen. Doch die öffentliche Debatte dreht sich vor allem um die Frage der Koalition: Schwarz-Grün, die CSU-Chef Markus Söder gern ausschliessen möchte, oder Schwarz-Rot, was in Teilen der CDU bevorzugt wird. Die AfD bleibt als vermeintlicher Untergang der Demokratie weiter aussen vor.

Regiert nach der Wahl Schwarz-Grün, geht die Klimapolitik als Preistreiber der Energie weiter. Wird es Schwarz-Rot, rücken Arbeitsmarkt- und Reformen am ausufernden Sozialstaat (Bürgergeld) in weite Ferne oder werden allenfalls halbherzig angepackt. Migrationskontrolle wird in beiden Fällen schwierig.

Dabei wäre all das hoch dringlich, wenn Deutschland nicht weiter ökonomisch abrutschen soll. Ein Schulterschluss mit dem neuen US-Präsidenten Donald Trump für eine realistische Ukraine-Politik wäre genauso überfällig, wie die drastische Reduzierung der bürokratischen Gängelung, die allerdings zu grossen Teilen von der Europäischen Union ausgeht und auch dort durch massiven Druck gestoppt werden müsste. Das Gleiche gilt für das Aus des Verbrennungsmotors und die anhaltende Konfrontation mit Staaten in Osteuropa (Ungarn, Slowakei, Tschechien, Polen). Umsetzungschance: mittel bis mässig.

Gesellschaftspolitisch müsste das Selbstbestimmungsgesetz auf die wirklich betroffene, sehr kleine Gruppe von Intersexuellen begrenzt und zurückgedreht werden. Und auch das Staatsangehörigkeitsrecht, dass derzeit mit einer Einbürgerungswelle die Lunte an den gesellschaftlichen Frieden legt, bedarf dringender Korrektur. Eine verzagte Union, die es sich mit städtischen Links-Milieus nicht verscherzen will, wird auch hier nur Bruchstücke liefern. Auch der demonstrative Kampf für die Meinungsfreiheit in alle Richtungen ist kaum zu erwarten, weil die Bürgerlichen intern längst eingestehen, dass unzufriedene Bürger ihnen ein «blaues Wunder» in Gestalt steigender Werte für die AfD bescheren könnten.

Abschiebungen werden auch in Zukunft nicht in hinreichendem Masse funktionieren, weil sie in der Zuständigkeit der Länder liegen, die europäischen Grenzen werden weiter durchlässig bleiben, und auch am Drang zu weiterer Verschuldung wird sich nichts ändern, weil der wirkliche Wille fehlt und mit hoher Wahrscheinlichkeit Koalitionspartner politischen Geschenkeversand für ihre Klientel fordern. Von einem Umsteuern der Europäischen Zentralbank (EZB) zu einer harten Geldpolitik gar nicht zu reden, weil im Kollektivorgan EZB-Rat diejenigen Länder mitreden, die längst am finanzpolitischen Tropf hängen. Eine kluge, schrittweise Abnabelung von China stünde noch auf der To-do-Liste und eine rationale Russland-Politik, die nicht mit Anbiederung verwechselt werden sollte und trotzdem die geostrategischen Interessen Europas im Blick behält.

Wünsche und Visionen, die man getrost mit dem Silvesterfeuerwerk aufsteigen und genussvoll seufzend in der Neujahrsnacht verglühen lassen kann, bevor man mit einem Glas reinen Weins anstösst. Prost Neujahr 2025!

Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen. Sein neues Buch «Der Siegeszug der Populisten. Warum die etablierten Parteien die Bürger verloren haben. Analyse eines Demokratieversagens» erscheint im Herbst und kann schon jetzt vorbestellt werden.