Es hatte sich schon angekündigt: Nachdem die Regierung Ende November überhastet ein unausgegorenes Impfpflicht-Gesetz verkündet hatte, war sie von der Heftigkeit der öffentlichen Reaktionen überrascht worden.

Wöchentliche Grossdemonstrationen, Tausende Stellungnahmen gegen das Gesetz und zuletzt die Gründung einer neuen impfkritischen Partei, die bei Regionalwahlen Achtungserfolge im zweistelligen Bereich erringen konnte, waren für die Regierung Warnung genug, dass dieses Vorhaben wohl mehr Schaden als Nutzen bringt.

Das im Gesetz formulierte Ziel wurde bereits mit der Einführung klar verfehlt: Die Erhöhung der Impfquote wurde nicht annähernd erreicht. Im Gegenteil: Seit die Impfpflicht angekündigt wurde, stagniert die Quote bei etwa 70 Prozent. Die Österreicher lassen sich offensichtlich nicht gerne zwingen.

Juristisch war die Sache von Anfang an klar: Ein Gesetz, welches in Grundrechte eingreift, muss erforderlich, geeignet und im engeren Sinn verhältnismässig sein. Zudem, darf es keine weniger eingreifenden Mittel zum Erreichen des Ziels geben.

All dies konnte nie begründet werden. Als dann vor wenigen Wochen der Verfassungsgerichtshof hierzu konkrete Fragen an den Gesundheitsminister stellte, welche dieser inhaltlich nicht zufriedenstellend beantworten konnte, war für die Regierung klar, dass sie schleunigst einen Notausgang aus diesem Dilemma finden muss.

Sie tat es, indem sie eine typisch österreichische Lösung fand: Man liess den Gesundheitsminister zurücktreten und gründete ein weiteres Expertengremium, welches die Empfehlung ausgab, die Impfpflicht vorerst auszusetzen. Freilich kann dieses Gesetz jederzeit wieder scharf gemacht werden, etwa wenn im Herbst die nächste Welle droht.

Bis dahin fliesst allerdings noch viel Wasser die Donau hinunter. Und in der derzeitigen politischen Lage traut sich niemand mehr, irgendwelche Prognosen abzugeben.