Getreu der berühmten Aufforderung von John F. Kennedy frage ich mich ständig, was ich für mein Land tun kann. Doch nachdem ich unlängst nur mit einem staatlichen QR-Code essen gehen durfte und mein Land mich zwingen wollte, im öffentlichen Verkehr mir bei hochsommerlicher Hitze alberne Nastüechli vors Gesicht zu hängen, ist mein Kooperationselan erlahmt.

Ganz besonders, wenn sich die Kooperation auf die Herausgabe persönlicher Daten erstrecken soll, mit denen dann weitere QR-Code-Generatoren gefüttert werden können.

Aus diesem Grund habe ich mich entschieden, an der derzeit laufenden Erhebung Silc (Statistics on Income and Living Conditions) des Bundesamtes für Statistik nicht mitzuwirken, obwohl man mir im Einladungsschreiben erklärt hat, meine Teilnahme sei «für ein zuverlässiges Abbild der Lebensverhältnisse in der Schweiz» äusserst wichtig.

Nebenbei gesagt handelt es sich hier um ein EU-Projekt, und das schweizerische Abbild der Lebensverhältnisse soll vor allem in einen europäischen Datensalat eingepflegt werden.

Also nein. Schon beim ersten Telefon habe ich das der anrufenden Person gesagt, frei nach Herman Melville: «I would prefer not to.»

Sie scheint das nicht verstanden oder nicht verstehen gewollt zu haben, denn zwei Tage später rief mich wieder jemand vom Institut Demoscope an; da war ich gerade in einer etwas peinlichen Auseinandersetzung mit einem Familienmitglied und brüllte nur «Jetzt nicht!» in mein Handy.

Das war ein Fehler. Denn der Ausruf «Jetzt nicht!» lässt sich in Richtung «Gern ein andermal» interpretieren. Und so hatte ich die Quälgeister von Demoscope wenige Stunden danach erneut am Ohr.

Diesmal war ich konzentriert bei der Sache und erklärte ebenso freundlich wie eindringlich, dass es jetzt mit den Anrufen ein Ende haben müsse, sonst käme ich persönlich durch die Leitung gekrochen und würde weitere Kontaktversuche auf meine ganz besondere Weise unterbinden.

Nun kam gestern ein Brief vom Bundesamt für Statistik. Darin bestätigt mir Frau Sektionschefin Schweingruber, «dass Sie unsere Fragen nicht beantworten möchten». Ich bin erleichtert, Tränen der Freude quillen aus dem Aug, und im Wissen, dass es im schweizerischen Strafgesetzbuch noch keine Silc-Umfragen-Beantwortungsverpflichtung gibt, lasse ich mich in den Sessel fallen. Und sehe, ein paar Zeilen weiter, folgenden Satz: «Das Institut Demoscope wird Sie in den nächsten Tagen nochmals kontaktieren.»

So stelle ich mir heutzutage manche Behörde vor: Mit rauchender Dreistigkeit sich um den Bürgerwillen foutieren. Aber unentwegt «Statistiken zu Themen wie Wohlbefinden, Wohnbedingungen oder Ungleichheit der Einkommensverteilung» berechnen.

Schon die Formulierung ist verräterisch. Ungleichheit der Einkommensverteilung – ja wer möchte die nicht erst anprangern und dann beseitigen helfen? Am besten sofort per Telefon mit handfesten Auskünften. Wohnbedingungen? Wohlbefinden? Alte linke Schlagwörter!

Aber es braucht gar keine wissenschaftliche Statistik, um zu erkennen, dass die Wohnbedingungen besser wären und das Wohlbefinden grösser, wenn die Schweiz nicht vor lauter Fremden aus den Nähten platzen würde.

 

Burkhard Müller-Ullrich, 66, ist ein deutsch-schweizerischer Journalist, Schriftsteller und Podcaster. Er betreibt das Internetradio Kontrafunk.