Nachdem die südafrikanische Medizinerin Angelique Coetzee als Erste das Omikron-Virus entdeckt und es als vergleichsweise harmlos bezeichnet hatte, wurde sie unter Druck gesetzt.

«Mir wurde gesagt, ich solle öffentlich nicht erklären, dass es eine milde Erkrankung sei», wird sie in einem Interview mit dem Journalisten David Jiménez zitiert, das in der Welt publiziert worden ist. Sie sei gebeten worden, von «derartigen Äusserungen» Abstand zu nehmen.

Sie wich aber nicht von ihrer Erkenntnis und ihrer klinischen Erfahrung ab: «Meine Argumente beruhten auf den Mutationen», schreibt sie in einer Mail an die Weltwoche. Wegen der vielen Mutationen und der schnellen Ausbreitung wollte man ihr aber nicht glauben, dass die Symptome bei den meisten Menschen mild sind.

In einigen europäischen Ländern sei sie für ihre Omikron-Einschätzung deshalb kritisiert worden. Sie nennt die Niederlande und Grossbritannien. «Wie können Sie erklären, dass es eine milde Erkrankung ist?», wurde ihr dort vorgehalten.

Die Weltwoche wollte von Coetzee wissen, wer hinter diesen Druckversuchen steht. «Ich möchte mich nicht auf eine politische Debatte darüber einlassen», meint Coetzee zunächst, schreibt dann aber in einer zweiten Mail: «Industrie=Wissenschaftler» und «politische Sprecher». Das ist zwar vage, lässt aber immerhin eine Richtung erkennen, aus der die Druckversuche kommen könnten.

Wissenschaftler und Politiker, die nicht aus Südafrika stammen, hätten ihr vorgeworfen, dass sie «keine Ahnung» habe, wovon sie spreche, und hätten sie immer wieder angegriffen. Darauf formulierte sie ihre Aussagen etwas weniger hart, wohl um sich aus der Schusslinie zu ziehen. «In Südafrika ist es eine leichtere Krankheit, aber in Europa ist es eine ernste, schwere Krankheit», habe sie dann gesagt, denn das sei es, was die Politiker von ihr hören wollen, ist sie überzeugt.

Eines hat sie gelernt: Es hänge viel von der Lage ab und davon, wie «einige innerhalb der Wissenschaft ihre eigene Agenda voranbringen wollen».

Ihre Forderung ist deshalb klar: Man müsse wissen, welche Interessen die Wissenschaftler verfolgen, «ob sie Verbindungen zu Pharmaunternehmen haben und ob sie finanziell belohnt werden, wenn sie bestimmte Produkte fördern».

In einem früheren Interview mit der Weltwoche hatte Coetzee, die Vorsitzende der südafrikanischen Ärztevereinigung ist, für eine «evidenzbasierte Medizin» plädiert, die sich auf die Erfahrungen und Empfehlungen der Ärzte stützt, die «an der Front aktiv sind». Das sei die effizienteste Grundlage dafür, Massnahmen gegen die Epidemie zu definieren.