Sanktionen wurden in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach als ökonomische Waffe eingesetzt, um Verstösse gegen internationales Recht zu ahnden – aber meistens ohne Erfolg. Nur rund ein Drittel der von 1950 bis 2019 erfassten Sanktionen werden in Untersuchungen als erfolgreich dokumentiert. Sie zeigten beispielsweise keine Wirkung gegen Venezuela (während fünf Jahren), gegen Kuba (während Jahrzehnten), gegen Russland (seit acht Jahren) oder gegen Nordkorea (seit mehr zwanzig Jahren). Auch im Iran, dem Staat, der seit Jahren mit sehr harten Sanktionen belegt wird, haben sie ihre Ziele nicht erreicht. Teheran liess sich vor sieben Jahren zwar auf Verhandlungen über sein Atom-Programm ein, in der Hoffnung, dadurch das Sanktionsregime zu lockern. Aber das Regime hielt an seinen nuklearen Zielen fest, auch als die Sanktionen verschärft wurden. Teheran hat in den vergangenen Jahren zudem seinen aggressiven Vormarsch in der Region mit Stellvertreter-Kriegen ausgebaut– vom Irak über Syrien und den Libanon bis in den Jemen.

Dass Sanktionen die beabsichtigte Wirkung nicht erzielen, hat mehrere Gründe. Sie können erstens unterlaufen werden. Stets gibt es Schlupflöcher. Sanktionierte Unternehmen schalten zum Beispiel Zwischenhändler in befreundeten Nationen ein. Dort werden die Produkte umverpackt, um das Herkunftsland oder das Bestimmungsland zu verschleiern. Im Fall des Iran, weiss der aus Polen stammende Analyst Maciej Wojtal, Direktor der Investmentfirma Amtelon Capital in Amsterdam und London, waren vor allem die Türkei, die Vereinigten Arabischen Emirate und Oman Ausweichmärkte. Russland wird wohl ebenfalls versuchen, Zwischenhändler einzuschalten, um die Sanktionen zu unterlaufen, zum Beispiel Länder in Zentralasien oder China. Der negative Effekt aufs Sozialprodukt wird zudem abgeschwächt, weil inländisch orientierte Unternehmen expandieren: Sie gewinnen Marktanteile hinzu, weil die ausländische Konkurrenz wegfällt.

Für Swift, das einen globalen Zahlungsinformationsstandard anbietet und von dem Russland ausgeschlossen worden ist, gibt es ebenfalls einen Ersatz. Moskau kann auf das chinesische System Cips ausweichen, das grenzüberschreitende Zahlungen in Yuan abwickelt. Zudem wird Moskau versuchen, den Yuan als Reservewährung einzuführen. Sanktionen haben auch unerwünschte politische Nebeneffekte. So hat sich Teheran als Folge der westlichen Sanktionen Peking angenähert. Während 25 Jahren will die Volksrepublik 400 Milliarden Dollar im Iran investieren.

Je schärfer Sanktionen sind, desto mehr leidet zwar die Bevölkerung. Aber wenn das den Machthabern im Iran gleichgültig ist, verpufft der Effekt von Sanktionen, weil sie Unruhen und Proteste gegen das Regime mit Gewalt unterdrücken. Mehr als das: Die regimenahen Milliardäre profitieren, da sanktionierte Güter nur noch am Schwarzmarkt zu überhöhten Preisen erhältlich sind. Im Iran wird dieser Handel von der Elite beherrscht, die zu den Sanktions-Profiteuren gehört.

Sanktionen haben oft einen Bumerangeffekt, wie sich jetzt am Beispiel des Energiemarktes und seinen Rekordpreisen zeigt. Europa kann wohl derzeit nicht voll auf Energie aus Russland verzichten: Es hat sich fahrlässig in die Abhängigkeit von Russland begeben, auch bei Weizen. US-Präsident Joe Biden versucht deshalb wenigstens für sein Land, das Angebot im amerikanischen Markt zu erhöhen, indem er – ausgerechnet – mit Venezuela wieder ins Geschäft kommen will, mit dem Land also, zu dem das Weisse Haus vor drei Jahren die Beziehungen abgebrochen hat.