Landtagswahlen sind Landtagswahlen, pflegen Politiker zu sagen, wenn es für ihre im Bund regierende Partei bei Landtagswahlen bergab geht. In schlechten Zeiten hat nichts mit nichts zu tun. In guten Zeiten ist es selbstverständlich das segensreiche Wirken der Mutterparteien, das auch in Ländern Schub gibt.
Bei den Landtagswahlen in Hessen ging es für die Parteien der Berliner Ampel-Koalition kräftig bergab (Stand Infratest-Hochrechnung 20 Uhr): Die Grünen rutschen ab auf 14,7 Prozent (2018: 19,8 Prozent). Die SPD landet nur noch bei 15,2 Prozent (2018: 19,8 Prozent), und die FDP muss mit 4,9 Prozent um den Wiedereinzug in den Landtag bangen (2018: 7,5 Prozent).
Deutlich zulegen konnte die AfD von 13,1 Prozent 2018 auf jetzt 17,7 Prozent. Und das ist durchaus bemerkenswert, weil die Alternative für Deutschland damit in gleich zwei westdeutschen Flächenländern (Bayern: 15,9 Prozent, 2018: 10,2 Prozent) zur zweitstärksten Kraft im Parlament wurde. Wer die Partei bislang als ein Phänomen demokratie-ungeübter Ost-Schmuddelländer sehen wollte, wird umdenken müssen. Wenn dieser Trend anhält, wird die AfD wegen der höheren Bevölkerungszahl in absoluten Stimmen demnächst womöglich im Westen mehr Unterstützer haben als im Osten.
Und in der Tat beobachten die Strategen der etablierten Parteien seit geraumer Zeit, dass ein wachsender Anteil von Menschen angibt, einen Politikwechsel zu wollen, keine Veränderung in Nuancen, Kompromissen und windigen Koalitionen. Hinzu kommt ein Gesamtverdruss am politischen System, den das Institut Allensbach seit Jahren mit steigenden Werten misst.
Und schliesslich muss man angesichts dieser Ergebnisse begreifen, dass weder der Versuch der Übernahme von Tonlage und Themen der AfD bei anderen Parteien als glaubwürdig empfunden wird noch die Strategie der Beschimpfung, Brandmauern, der Ausgrenzung und Beobachtung.
Und was ist mit dem grossen Gewinner der Hessenwahl? Der amtierende Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) legt ebenfalls kräftig zu und kommt auf 34,5 Prozent (2018: 27 Prozent), und das mit einem bemerkenswert unkonfrontativen Wahlkampf, in dem nicht einmal die schwer unter Druck stehende Bundesinnenministerin und SPD-Spitzenkandidatin Nancy Faeser attackiert wurde. Rhein gab sich als netter präsidialer Übervater, der gewissermassen zum natürlichen Polit-Inventar Hessens gehört, und liess die Erosionskräfte der Berliner Ampel-Regierung auf deren hessische Ableger wirken. Eine Rechnung, die in polarisierten Zeiten riskant ist, in diesem Fall aber aufgegangen ist: Rhein kann jetzt die geschwächten Grünen gegen die geschwächte SPD im Lande ausspielen und den gefügigeren Partner aussuchen.
Für das Land insgesamt sieht das alles nicht besonders rosig aus, solange die etablierten Parteien nicht begreifen, dass die Protestwähler keine Ruhe geben, solange man ihren Wählerwillen nicht berücksichtigt. Und es werden ganz offensichtlich immer mehr.
Ralf Schuler war mehr als zehn Jahre Leiter der Parlamentsredaktion von Bild und ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS. Er betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein neues Buch „Der Siegeszug der Populisten. Warum die etablierten Parteien die Bürger verloren haben. Analyse eines Demokratieversagens“ ist im Fontis Verlag, Basel erschienen.
das geisterdorf Calabrien muss ich mal besuchen. Gibt bestimmt gut zu essen dort :-)
Jetzt ist es soweit, bei der nächsten Bundestagswahl wird jeder fünfte Deutsche ein Brauner sein, trsut man dem thüringischen Landesamt für Verfassungsschutz. Weder in Hessen noch in Bayern kam die AfD auf über 50%, um tatsächlich regieren zu können. Die Partei, die sus dem Osten kam, dem Erfolg nach, hat jetzt die Weichen gestellt, für noch bessere Ergebnisse bei Wahlen. Zu erwarten sind bundesweit oberhalb von 20%. Trotz Höcke, Hücke oder Hucke oder wie er heißt, schreckt nicht ab.
Herr Rhein könnte natürlich auch Verhandlungen mit der AFD aufnehmen und den protestierenden Quatschköpfen in Berlin entgegnen, dass sie sich besser ums Land kümmern und Oppositionsarbeit leisten sollen, und ansonsten den Rand halten sollen. Spannend ist, dass Herr Schuler diese Option scheinbar nicht in den Sinn kommt. Schade eigentlich.