Herr Gmür, der für die Mietzinsgestaltung massgebliche Referenzzinssatz ist von 3,5 auf 3,25 Prozent gesunken. Wann werden die Mieten sinken?

Wir rechnen nicht damit, dass es eine Mietzinssenkung in grossem Stil geben wird.

Warum?

Der Referenzzinssatz ist zwar gesunken. Doch es gibt noch 40 Prozent der angelaufenen Teuerung und die Unterhaltskosten, welche von den Vermietern aufgerechnet werden können.

Für den Mieterverband sind das keine Argumente.

Das Gesetz sagt, dass neben den Zinsen noch andere Kosten massgebend sind wie Teuerung, Unterhalt, Betrieb, Verwaltung. Nur wenn daraus im Ergebnis eine Kostensenkung resultiert, besteht ein Anspruch auf Mietzinssenkung. Zudem müssen Vermieter, die eine ungenügende Rendite erzielen, den Mietzins nicht noch weiter senken.

Konkret: Wie viele Ihrer Mitglieder werden die Mieten senken?

Vermutlich weniger als die Hälfte. Es wird vier Arten von Vermietern geben. Die einen werden die Situation abklären und reagieren. Die anderen werden die Situation abklären und nichts tun. Die Dritten werden erst dann etwas machen, wenn der Mieter reagiert, und die Letzten werden gar nichts tun.

Die Schweiz, ein Land von Miethaien?

Sowohl auf der Mieter- als auch auf der Vermieterseite gibt es halt eine Menge schwarzer Schafe. Ich sage immer, ich bin nicht der Vertreter eines Verbandes von schwarzen Schafen, sondern von dunkelgefärbten (lacht).

Was empfehlen Sie Ihren Mitgliedern?

Wir empfehlen, die Situation mit den Mietern proaktiv anzuschauen, und wenn es gerechtfertigt ist, eine Senkung auch vorzunehmen. Alles andere ist nicht fair. Die Mieter sind ja Kunden.

Viele Mieter fühlen sich eher als Bittsteller.

Unsere Jahresumfragen zeigen ein anderes Bild. Diese belegen, dass über 90 Prozent der Mieter zufrieden sind.

Sie vergessen das Gesetz der grossen Zahlen. Wenn bei 2,5 Millionen Wohnungen 10 Prozent der Mieter unzufrieden sind, also 250 000, ist das eine enorm hohe Zahl.

Dass es natürlich in angespannten Wohnsituationen wie Zürich mehr unzufriedene Mieter gibt als im St. Galler Rheintal, wo es zu viele Wohnungen gibt, ist klar. Alle wollen am Paradeplatz wohnen mit Seeblick für 1000 Franken. Wenn man den Leuten sagt, sie könnten günstig im Thurgau oder Aargau wohnen, wollen sie das nicht. Aber der Grossteil der Schweizer Wohnlandschaft hat genügend Wohnungen. Es gibt nur ganz wenige Hotspots mit unzufriedenen Mietern.

In den letzten Monaten konnten Vermieter von rekordtiefen Zinsen profitieren, gaben diese jedoch nicht an die Mieter weiter. Das ist ziemlich unbefriedigend für die Mieter, nicht?

Sie vergessen, dass über 70 Prozent der Hauseigentümer in der Schweiz eine Festhypothek abgeschlossen haben und deshalb nicht von den niedrigen Zinsen profitieren konnten.

Im letzten Jahr setzten viele Vermieter Mieterhöhungen durch, obwohl bereits klar war, dass der Referenzzinssatz wieder sinken würde und wir uns in einer der schlimmsten Wirtschaftskrisen seit Jahrzehnten befinden. Dadurch gingen der Schweizer Wirtschaft Millionen an Kaufkraft verloren.

Es stimmt nicht, dass im grossen Stil Mietzinserhöhungen erfolgten. Zudem sind wir uns unserer volkswirtschaftlichen Bedeutung sehr wohl bewusst. 2200 Milliarden Franken sind in der Schweiz in Gebäude investiert. Das ist im Vergleich zum Ausland enorm viel. Jedes Jahr werden 5 Milliarden für Umbauarbeiten aufgewendet. Das sind wichtige Impulse für die Bauwirtschaft. Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Immobiliensektors ist daher enorm. Es wäre schön, wenn auch die Politik zur Kenntnis nehmen würde, dass wir eine zentrale Bedeutung haben. Hört man Bern zu, wird man das Gefühl nicht los, dass es nur die Exportindustrie gibt. Es interessiert herzlich wenig, dass es dem Immobilienbereich noch äusserst gut geht.

Ein Grund mehr, jetzt die Mieten zu senken.

Wie gesagt, wenn es gerechtfertigt ist.