Vom Staatsanwalt über den Gerichtspräsidenten zum Richterschreck – über die treffende Schlagzeile zur Karriere des streitbaren Zürcher Juristen Bruno Steiner muss man nicht lange nachdenken. Als ich ihn 1991 kennenlernte, war Steiner gerade zum stellvertretenden Präsidenten des Bezirksgerichtes Zürich gewählt worden. Und es dauerte nicht lange, bis er für den ersten Tumult sorgte. Steiner liess mir eine statistische Auswertung von amtlichen Anwaltshonoraren zukommen, die nur einen Schluss zuliessen: Die Advokaten bescheissen zu ihren Gunsten, was das Zeug hält. Mein Bericht – ausgerechnet in der NZZ – machte Steiner zum meistgehassten Richter unter den Anwälten.

Es dauerte nicht lange, bis es sich Steiner auch mit den Staatsanwälten verdarb. Dabei nahm er, wie bei den Anwaltshonoraren, nur das Gesetz ernst. Und stellte als Haftrichter kritische Fragen. Die Strafermittler waren das nicht gewohnt, ihre Anträge wurden in aller Regel durchgewinkt. Bei Steiner bissen sie auf Granit.

Um die Jahrtausendwende brachte Steiner schliesslich auch noch die Richterkollegen gegen sich auf, mit einer Strafanzeige gegen den SVP-Politiker Christoph Blocher wegen einer angeblich rassistischen Aussage. Steiner hatte mir den Entwurf vorgängig gezeigt, in der Hoffnung, dass ich darüber schreibe. Ich lehnte ab. Weil die Anzeige erstens eine akademische Spiegelfechterei war, und zweitens, weil er sich damit als Richter unmöglich machte.

Steiner blieb stur. Wie absehbar, kostete ihn der Eklat den Richterjob. Fortan tauchte er als Verteidiger bei manch einem prominenten Strafprozess auf. Der bekannteste war der des Milliardenbetrügers Dieter Behring, den er durch alle Instanzen verteidigte.

Wo immer Steiner wirkte, waren rote Köpfe garantiert. Mit seinen Eingaben verdiente er sich den Ruf als Richterschreck redlich. Er kannte die Schwachstellen der Justiz wie kein Zweiter, und er legte den Finger stets auf den wunden Punkt. Oft divergierten unsere Standpunkte diametral, doch unsere Grundhaltung war deckungsgleich: Was keinen Widerspruch erträgt, kann nicht wahr sein; je empörender eine Anklage anmutet, desto wichtiger ist eine kompromisslose Verteidigung.

Bruno Steiner vertrat in den letzten Jahren vor allem jene, die am wenigstens Sympathien geniessen: illegale Immigranten, Vergewaltiger, Zuhälter, Drogenhändler. Und das konsequent an der Schmerzgrenze, bisweilen für Gotteslohn. Dank einer Nierentransplantation habe er 1991 ein neues Leben geschenkt bekommen, erklärte er mir einmal; dieses geschenkte Leben wolle er nun teilen.

Letzte Woche erlag Bruno Steiner einem Krebsleiden, zu Hause, in Zürich Nord, wo er als Sohn eines Handwerkers aufgewachsen war, in den Armen seiner Frau und seiner beiden Kinder. Noch auf dem Sterbebett diktierte er seine letzte Eingabe.