Zum ersten Mal könnte ein nichtimpressionistisches oder nichtavantgardistisches Bild zum teuersten Gemälde in der Geschichte des Kunsthandels werden: Gustav Klimts Porträt von Adele Bloch-Bauer, das Ronald Lauder, der amerikanische Unternehmer und Erbe des Kosmetikkonzerns Estée Lauder, für 135 Millionen Dollar gekauft hat. Ob dies tatsächlich einen neuen Preisrekord markiert, wird man jedoch erst nach der Bestätigung des Erlöses wissen, den das Bild Nr. 5 von Jackson Pollock erzielte. Gerüchteweise wurde es kürzlich für 140 Millionen Dollar erworben.

Der für Klimts Gemälde bezahlte Preis ist überraschend, hatte der Maler doch zuvor noch nie die 30-Millionen-Dollar-Grenze überschritten. Verschiedene Faktoren trugen dazu bei: ein Meisterwerk, eine abenteuerliche Entstehungsgeschichte, ein amerikanischer Unternehmer auf der Jagd nach öffentlicher Aufmerksamkeit. Mir persönlich gefallen Klimts Gemälde offen gestanden nicht, und niemals würde ich für eines von ihnen eine derartige Summe bezahlen. Aber die Geschichte des auch «Goldene Adele» genannten Bildes ist bemerkenswert. Ferdinand Bloch-Bauer, ein jüdischer Zuckerindustrieller, beauftragte den damals äusserst beliebten Wiener Maler Gustav Klimt, seine junge Frau Adele zu porträtieren. Was er nicht wusste: Adele war seit mindestens drei oder vier Jahren dessen Geliebte. Klimt lieferte das Bild 1907 ab, Adele starb 1925 42-jährig an einer Hirnhautentzündung, sieben Jahre nach dem Künstler. Als Österreich 1938 dem Dritten Reich einverleibt wurde, floh Ferdinand Bloch-Bauer in die Schweiz, ohne dass es ihm zuvor gelungen wäre, seine Sammlung in Sicherheit zu bringen. Nachdem die Nazis sein gesamtes Vermögen beschlagnahmt hatten, starb er 1945 in Armut. Das Adele-Porträt erhielt die österreichische Nationalgalerie. 1948 forderten die Überlebenden der Familie den österreichischen Staat auf, die Sammlung zurückzugeben. Sie bekamen einige Krümel, doch die «Goldene Adele» blieb weiterhin in der Nationalgalerie hängen. Österreich rechtfertigte seinen Widerstand mit einer angeblichen Schenkung, welche die Porträtierte selber dem Staat gemacht habe.

Als 1988 das Kulturministerium seine Archive öffnete, fand der Journalist Hubertus Czernin heraus, dass die Geschichte von der Schenkung falsch war. Adele hatte zwar in einem Brief gewünscht, ihr Mann möge die Bilder dem Staat vermachen, weil das Ehepaar keine Kinder hatte. Doch Ferdinand war vom begeisterten Empfang, den seine Landsleute den Nationalsozialisten bereitet hatten, derart angewidert, dass er die Bilder seinen Neffen und Nichten vererbte. Nach dieser Entdeckung begann Maria Altmann, eine Nichte der Bloch-Bauers, einen unerbittlichen Rechtsstreit mit dem österreichischen Staat. Schliesslich entschieden die österreichischen Richter, dass das Adele-Porträt sowie vier andere Bilder Klimts Maria Altmann und deren Verwandten gehörten.

Ronald Lauder, ein Nachfahre ausgewanderter ungarischer Juden, hat seit je einen Teil seiner Millionen dazu verwendet, Kunstwerke aus Ländern zurückzuerlangen, die von Krieg und Kommunismus verwüstet worden waren. Unerschütterlich unterstützte er Maria Altmann in ihrem Kampf, und so erschien er nach der Rückgabe der Bilder als geradezu idealer Käufer. Doch die Erbin hatte bereits eine Offerte von 150 Millionen Dollar für sämtliche fünf Gemälde erhalten. Lauders Reaktion war schnell und überraschend: Er bot 135 Millionen allein für das Adele-Porträt. Ein exorbitanter Preis, den er mit der Behauptung rechtfertigte, für ihn sei dies eben ein besonderes Bild. In Wahrheit war die ganze Aktion eine hervorragende Marketingkampagne. Lauder stellte das Werk in der von ihm selber gegründeten Neuen Galerie in New York aus, wodurch er die Besucherzahl des zuvor unbekannten Museums versechsfachte.

Lorenzo de’ Medici ist Schriftsteller und der letzte Abkömmling der italienischen Dynastie der Medici.

Aus dem Italienischen von Sandro Benini