Dominic Miller: Vagabond. ECM 2704 4589048

Unter Avantgardisten, im Jazz und anderswo, gibt es kein brutaleres Urteil als das, etwas sei «Wohlfühlmusik». An dieser Stelle wurde schon mehrmals Peter von Matt zitiert, der in seiner Auseinandersetzung mit Lyrik einmal davon sprach, die Peinlichkeit, ja der Skandal des Gedichts sei dessen Streben nach Schönheit. Dies sei sein «Dorn im Auge des regierenden Kunstbegriffs». Der nimmt ja für sich in Anspruch, zwischen Kunst und Kitsch, zwischen Gefühl und Sentimentalität zu unterscheiden, und eine Musik, die ihrem Hörer erlaubt, «sich in ihr einzurichten», falle zweifellos unter Letzteres. Das ist, halten zu Gnaden, Unsinn. Es desavouierte, nur zum Beispiel, die gesamte Volksmusik, deren Merkmal unter anderen der Einklang zwischen Konsument und Produzent ist.

Nun ist die Musik des Gitarristen Dominic Miller, der viel mit Popsängern, allen voran mit Sting, gearbeitet hat, nur in dem Sinn «Volksmusik», als dies auch der Gesang von Luciano Pavarotti ist (auf dessen CD «Pavarotti and Friends» er auch zu finden ist). Zweifellos entfaltet sein jüngstes Album, «Vagabond» (das dritte beim Label ECM), eine Musik, bei der sich der Hörer wohlfühlt. Allerdings in keinem Moment unter seinem Niveau.

«Dank der grossartigen Sängerinnen und Sänger, mit denen ich zusammengearbeitet habe, sehe ich mich eher als instrumentalen Songwriter», sagt Miller. Mit seinen Partnern, seinem langjährigen Bassisten Nicolas Fiszman, dem schwedischen Pianisten Jacob Karlzon und dem Schlagzeuger Ziv Ravitz, gelingen ihm Erzählungen mit grossem Atem; weite Landschaften, welche die Fantasie des Hörers zu gelassenen Spaziergängen mit betörenden Ausblicken einladen. Das erinnert gelegentlich an musikalische Tableaus des Impressionismus: immer schön, aber nie ohne Spannung in Raum und Zeit (um denn doch ein Kriterium zu nennen, das Kunst vom Kitsch trennt).

Bezaubernd ist das subtile Geflecht im Zusammenspiel der vier Partner, zumal das zwischen Millers Gitarre und Karlzons Piano. Die beiden bestehen den Hochseilakt, der die Begegnung von zwei Harmonieinstrumenten immer ist, mit Brillanz und Grazie. Jeder öffnet hier dem anderen die Räume, und alle zusammen dem Hörer. Der dritte Titel des Albums heisst «Open Heart». Was daran erinnern mag, dass Dominic Miller Mitautor von Stings Song «Shape of My Heart» ist.