Vergangene Woche war ich in Schanghai. Der schwedische Automobilhersteller Volvo, der seit 2010 zum chinesischen Geely-Konzern gehört, stellte dort auf einer beeindruckenden Bühne in der «Science City» sein neues Modell mit dem Namen EM90 vor. Rund 200 Journalisten, Influencer, Schauspielerinnen und andere Filmleute sahen eine präzis orchestrierte Vorführung rund um das neue Modell.

Ob der EM90 auch in Europa verkauft werden wird, ist zurzeit ziemlich offen – und eigentlich bedauerlich. Das Konzept der grossen Vans, das in Europa in den achtziger Jahren unter anderem durch Renault mit dem Espace populär wurde, ist nicht mehr stark gefragt. SUVs mit der Aura des Abenteuers haben die praktischen Raumgleiter abgelöst. Aber Fahrzeuge wie der neue Volvo sind letztlich ehrlicher und irgendwie auch praktischer als grosse Geländewagen, die nie abseits befestigter Strassen bewegt werden.

Der EM90 ist sehr durchdacht auf die Bedürfnisse des chinesischen Marktes zugeschnitten, wo Entscheidungsträger unter der Woche gerne komfortabel unterwegs sind und am Wochenende dann im gleichen Auto ihre Familie sicher zum Ziel bringen. So beschreibt jedenfalls Jim Rowan, seit 2022 CEO von Volvo, die Anforderungen des Marktes.

Wer je mit dem Auto durch Schanghai oder eine andere asiatische Grossstadt wie etwa Bangkok gefahren wurde, weiss, dass es hier sehr viel angenehmer ist, gefahren zu werden, als selbst zu fahren. Ich gebe selbst das Steuer eigentlich nie aus der Hand. Seit ich aber in der zweiten Reihe des Volvo EM90 Platz genommen habe, kann ich mir das zumindest vorstellen. Bei dem elektrischen Gross-Van geht es vor allem um Grosszügigkeit. Die Passagiere können auf zwei unglaublich bequemen Einzelsitzen Platz nehmen, die sich auch in eine angenehme Schlafposition nach hinten neigen lassen. Ein grosser Bildschirm, der aus dem Dachhimmel herabgesenkt werden kann, ein Kühlschrank, ein fantastisches 3-D-Soundsystem von B & W oder clever konstruierte Tische gehören ebenfalls zur Standardausstattung. Die Tische etwa lassen sich schräg neigen, damit ein Tablet oder Smartphone in gut sichtbarer Position gehalten werden kann.

Mit einer Vielzahl von Kameras, Radar- und anderen Sicherheitssystemen lässt sich der EM90 sehr entspannt und teilautonom auch durch sehr dichten Verkehr steuern. Ohnehin scheint an dieser Stelle eine entscheidende Frage aufgeworfen zu werden: Die meisten Leute mit Auto, ich zähle mich wie erwähnt dazu, fahren am liebsten selbst. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass dies mit zunehmendem Verkehrs- und Bevölkerungswachstum eine immer unattraktiver scheinende Variante der Fortbewegung zu werden droht. Da ist es ganz beruhigend, zu wissen, dass man auch auf dem «Captain’s Chair» chauffiert werden könnte, wie er im Volvo EM90 angeboten wird.

 

Volvo EM90

Motor/Antrieb: Elektromotor; Leistung: 200 kW (272 PS); Hochvoltbatterie: 116 kW (bidirektionales Laden); Reichweite: 738 km (CLTC-Testzyklus); Beschleunigung (0–100 km/h): 8,3 sec; Preis: noch unbekannt, vorerst nur für den chinesischen Markt