Precht: Talkshow. Abrufbar in der ZDF-Mediathek.

Was für ein Mann: gutaussehend, charmant, wortgewandt. Und was er alles weiss. Zu Gott und der Welt hat er eine Meinung, vom Elektroauto bis hin zum Sinn des Lebens. Er redet über Tiere, Bildung, Politik, und er redet ohne Unterlass, vom Schreiben ganz zu schweigen: Seine Bücher belegen Spitzenplätze auf Bestsellerlisten, kaum eine Talkshow ohne ihn. Dazu hat er seine eigene Sendung im ZDF mit dem knappen, aber aussagekräftigen Titel «Precht». Ein Name, eine Marke, ein Programm.

Richard David Precht ist der Deutschen liebster Philosoph: kein knurriger Habermas, kein emporragender Nietzsche, kein unzugänglicher Heidegger. Er ist ein Philosoph zum Anfassen, ach was, zum Ankuscheln. Mit dem schulterlangen Haar und den gepflegten Bartstoppeln, den verständnisvollen Augen und der weichen Stimme verleiht er Philosophie etwas Verführerisches. Ein Denker als Sexsymbol.

Den Durchbruch hatte er 2007 mit dem Buch «Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?». Praktisch im Jahrestakt folgten weitere Werke, einschliesslich einer auf vier Bände angelegten Geschichte der Philosophie. Freunde prechtschen Wirkens bezeichnen seine Schriften als populärphilosophisch. Kritiker reden von banalen Selbsthilfebüchern, in denen sich kein origineller, eigenständiger Gedanke finde. Oder wie es die FAZ einmal beschrieb: «Als ob Bertelsmann ihn aus dem Marketingbaukasten» zusammengesetzt habe. Prechts Popularität tat das keinen Abbruch. Das Publikum hing an den Lippen des «Bürgerphilosophen» (Die Zeit), weil er alles so leichtverständlich erklären konnte. Doch plötzlich schlug die «mediale Allzweckwaffe» (Der Spiegel) andere Töne an: Der Mann, der nie aneckte, schien aus dem Mainstream auszuscheren.

«Dr. Wirrkopf»

In einem Podcast mit Markus Lanz, dem anderen Schwiegermutterschwarm der Talkshow-Szene, meldete er Zweifel an den Corona-Massnahmen an. Vor allem die Impfung von Kindern sah er kritisch. Gen-Impfstoffe könnten das junge Immunsystem dauerhaft schädigen. Der Shitstorm, der schlagartig über den Publikumsliebling hereinbrach, sagte – wie üblich – mehr über die Urheber als über das Opfer aus. Für den Tages-Anzeiger hatte Precht «den Schritt ins Reich der Corona-Mythen getan». Karl Lauterbach, Corona-Alarmsirene und neuerdings Bundesgesundheitsminister, zeigte sich ebenfalls entsetzt. Hatte der Philosoph nicht noch im April die harten Corona-Massnahmen des Staates ausdrücklich verteidigt?

Der Spiegel nannte Precht einen «intellektuellen Scheinriesen», der «gedanklich ungefilterten Unsinn» erzähle. Dieser «Dr. Wirrkopf» sei «schon früher mit befremdlichen Äusserungen aufgefallen, die darauf hindeuten, dass er das Denken nicht in allen Fällen dem Reden voranstellt» – eine höflich formulierte Aufforderung, zuerst das Hirn einzuschalten und dann den Mund zu öffnen.

Es war nicht Prechts einzige Verfehlung der letzten Wochen. In einem Gespräch mit der Philosophin Svenja Flasspöhler hatte er die woken Genderisten gegen sich aufgebracht. Flasspöhler hat in ihrem jüngsten Roman eine Figur geschaffen, die eigentlich Precht nachempfunden sein konnte: Jan, gehobene Mittelklasse, ein sensibler, einfühlsamer Mann neuen Typs, ein anschmiegsamer Softie. Doch plötzlich kehrte Precht den Macho hervor. Sensibelchen wie Jan seien «so erotisch wie Löschpapier», wie «alkoholfreies Bier». Von hier war es nur ein kleiner Schritt zur Allgemeinabrechnung mit dem «dämlichen» Genderwahn, einer «der dümmsten Ideen unserer Zeit»: «Weil die Linke nicht mehr daran glaubt, dass man die Welt besser machen kann, versucht sie, die Sprache besser zu machen.»

Was geschieht nun mit Precht? Wird er ausgegrenzt, verfemt, geschmäht werden wie andere vor ihm, die der Herde den Rücken gekehrt haben? Keine Bange, so schlimm wird es nicht kommen, schliesslich weiss Precht, wo, wie und mit wem er sein Geld verdient. Eilfertig hat er bereits zerknirscht Selbstkritik geübt. Er habe wohl «zu laxe Formulierungen» benutzt und werde «künftig vorsichtiger» sein.

Mit anderen Worten: Er hat wohl wieder mal schneller geredet als gedacht.

Die 3 Top-Kommentare zu "Kreuz- und Querdenker"
  • Geronimo

    Mir sind Prechts allemal lieber, als Gendergrüne oder die ungezählten Lauterbachs und Drostens, die keine zusammenhängende und verständliche Aussagen machen können oder schlichtweg Lügen und Betrügen und trotzdem, oder gerade deswegen, in den höchsten politischen Ämtern ihr Untaten zum Schaden der Allgemeinheit, ungestraft und Steuersubventioniert betreiben.

  • Ludwig Detusch

    Welchen Sinn macht es, Precht zu lesen, wenn ich Nietzsche oder Heraklit lesen kann? Mehr als ein Philosophieerklärer für Arme ist er nun wirklich nicht. Darum ist es völlig verfehlt, von ihm die grossen Worte zum grossen Thema zu erwarten. Der ist doch bloss schlau und verkauft sein dünnes Süppchen den einen so gut wie den anderen.

  • mazzola

    Wie Hermann Hesse in seinem Vorwort zum Glasperlenspiel sagte: in jener Zukunft wuerde es Professuren fuer Tennis geben. Precht ist von dieser Richtung ein praechtiges Exemplar.