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Sprühende Magie und komplexe Technik bei der künstlichen Wolke in Yverdon, verträumter Charme in Neuenburg, und mit dem Monolithen in Murten eine rostige Intervention der Poesie. Die Expo 2002, die 1999 im finanziellen Fiasko zu versinken drohte, wurde mit Verzögerung doch noch zum Ereignis, das die ganze Nation in ihren Bann zog und an der Grenze zwischen West- und Deutschschweiz zur Begegnungsstätte der Landeskulturen wurde. Es war das Meisterwerk von Martin Heller.

Der Basler Kulturunternehmer hatte als künstlerischer Direktor der Landesausstellung den schwierigen Nachlass von Pipilotti Rist übernommen und das Generationenprojekt in die richtige Bahn gelenkt. Er tat es mit feinem Gespür für Zwischentöne und für die Nuancen der schweizerischen Eigenheit. Und er lebte das Credo vor, stets neugierig zu sein und die Welt aus einer ganzheitlichen Optik zu betrachten.

Den Blick schärfte er schon bei seiner Ausbildung an der Kunstgewerbeschule in Basel zum Zeichenlehrer. Später studierte er an der Universität seiner Heimatstadt Ethnologie, Kunstgeschichte und europäische Volkskunde. Parallel dazu schrieb er Kunstkritiken und leitete als Kurator Ausstellungen. Heller verlieh dem Alltäglichen einen überwältigenden Tiefgang, brachte Sinnlichkeit, Verspieltheit und Vergnüglichkeit zusammen. Er führte die Menschen mit seinem Schaffen auf eine neue Sinnesebene. In der Ausstellung «Dialog im Dunkeln» befasste er sich mit der unterschiedlichen Wahrnehmung von Blinden und Sehenden – und lieferte damit die Initialzündung zum Gastronomiekonzept «Blinde Kuh». 1990 wurde er Direktor des Museums für Gestaltung in Zürich. Später wirkte er als Dozent an diversen Hochschulen im In- und Ausland. Er verband Qualitäten, die auf den ersten Blick nicht zusammenpassen: Kreativität und Fantasie mit Organisationstalent und Realitätsbewusstsein. «Martin Heller besass eine Dimension mehr als die meisten seiner Mitmenschen», sagt ein langjähriger Weggefährte. Heller verantwortete als Kurator den Auftritt von Linz als europäischer Kulturhauptstadt 2009.

Das Konzept für das Humboldt-Forum in Berlin (2010) und das 500-Jahre-Jubiläum der Zürcher Reformation (2019) waren weitere Wegmarken seines Schaffens. Die tiefsten Spuren hinterliess er in der Schweiz aber als «Mister Expo.02». Franz Steinegger, der damalige Delegierte des Bundes im Steuerungskomitee, sagt: «Für mich war Martin Heller entscheidend, dass ich mich auf dieses Projekt einliess. Nur mit solchen Personen kann man es wagen. Er machte aus einer reinen Kulturveranstaltung eine Landesausstellung.»

Vergangene Woche ist Martin Heller – drei Tage vor seinem 69. Geburtstag – in Zürich seiner Krebserkrankung erlegen. Die Schweiz verliert einen grossen Denker und visionären Lenker. Thomas Renggli