London

Wie die meisten Menschen habe ich am Montag die letzte Folge von «Succession» geschaut, Jesse Armstrongs satirisches Drama über den Medienmogul Logan Roy und seine intrigante Familie, das auf dem Leben und der Zeit von Rupert Murdoch basiert. Im Gegensatz zu den meisten Menschen kenne ich jedoch die Wahrheit.

Ich kann mich an keine Zeit in meiner Jugend erinnern, in der die Familie Murdoch nicht zu meinem Leben gehörte. Das erste Mal, als ich Rupert, seine zweite Frau Anna und ihre drei Kinder Elisabeth, James und Lachlan (die Inspirationen für Logans Kinder Shiv, Kendall und Roman) traf, muss ich zwölf oder dreizehn gewesen sein. Murdoch und mein Vater, der verstorbene Politiker und Schriftsteller Woodrow Wyatt, waren eng befreundet, und man hoffte, dass ich mich mit der gleichaltrigen Elisabeth gut verstehen würde.

Damals besassen wir ein Bilderbuchhaus in Wiltshire, und an einem windigen Frühlingstag waren alle Murdochs zum Mittagessen eingeladen. Ich hatte erwartet, dass sie etwas Grossartiges oder Verbotenes an sich haben würden, aber das Gegenteil war der Fall: ihre scheinbare Normalität.

Goldene Eintrittskarte

Macht kann subtil sein und andere Formen annehmen als in den üblichen Hollywood-Darstellungen. Rupert hatte die sonnige Wärme seiner australischen Heimat. Sein Charme war betörend, und seine Anziehungskraft überschritt alle Grenzen, aber im Gegensatz zu Logan Roy war er ein Geizhals, was Schimpfwörter anging. Ich habe ihn nicht ein einziges Mal Logans berüchtigten Spruch «Fuck off!» sagen hören.

Anna Murdoch war eine schicke, schöne Blondine, die wenig Ähnlichkeit mit Harriet Walters spröder englischer Aristokratin Lady Caroline hatte, die Logans Ex-Frau ist.

James und Lachlan waren sehr gepflegt und äusserst höflich. Sie nannten meinen Vater «Sir». Liz war temperamentvoll und beneidenswert schön wie ihre Mutter. Es wurde viel gelacht, und plötzlich waren wir Freunde. Zum Mittagessen gab es Lammbraten, dann Apfelküchlein, und wir Kinder schlossen Wetten ab, wer die meisten heissen gezuckerten Ringe essen konnte.

Macht kann subtil sein und andere Formen annehmen als in den üblichen Hollywood-Darstellungen.Ich erinnere mich, dass das Ganze damit endete, dass James, der es schaffte, vierzehn Ringe zu verschlingen, sich zum kaum verhohlenen Entsetzen unserer Mütter unter einem Baum übergab. Aber es war der Anfang von etwas; eine goldene Eintrittskarte in die Welt von «Succession» mit Villen im Gatsby-Stil in Südfrankreich, Privatflugzeugen, uniformierten Chauffeuren, palastartigen Penthouses, Ranches, Superjachten und verschwenderischen Partys mit allzeit fliessendem Champagner.

In jenem Sommer begannen wir eine Tradition der gemeinsamen Ferien. Rupert hatte ein Haus an der Côte d’Azur, bei Saint-Jean-Cap-Ferrat, gemietet. Es lag auf einer Klippe, und alle Zimmer boten einen Blick auf das kristallklare Meer. Es gab einen Privatstrand und einen Steg mit Booten, die uns zur Verfügung standen. Ich erfuhr, dass die Murdochs – ebenso wie die Roys in der TV-Serie – strikt über ihre Privatsphäre wachten. Man konnte es ihnen kaum verdenken. 1969 hatte es einen Versuch gegeben, Anna zu entführen. Die Täter hatten die falsche Frau entführt, deren Leiche nie gefunden wurde. Kein Wunder, waren die Murdochs nervös.

Wir Kinder blieben auf dem Grundstück der Villa, und wenn wir in die Stadt fuhren, dann nur mit einem Fahrer. Es ist seltsam, wie schnell sich die Jugend an solche Dinge gewöhnt. Ich konnte nicht umhin, das Leben, in das ich eingeführt wurde, mit meinem bequemen, aber unglamourösen Leben zu vergleichen, ohne Chauffeur und ohne die Auswahl an Riviera-Immobilien.

Düstere, komödiantische Anklage

In seiner nicht enden wollenden Parade von Luxus ist «Succession» unglaublich lebensnah, aber auch ergreifend und aufschlussreich.Meiner Meinung nach ist es die erschreckendste warnende Geschichte, die je auf die Leinwand gebracht wurde, denn sie zeigt anschaulich, was diese Art von Geld, Privilegien und Druck mit den Menschen macht. Neben dem alten Spruch, dass Geld die menschliche Seele zerstört (es sei denn, es befindet sich in den Händen eines Linken!), ist «Succession» eine düstere, komödiantische Anklage gegen den ungezügelten Kapitalismus und die ungesunden Gelüste, die er weckt.

Brian Cox’ Logan zeigt die Wut von Shakespeares Caliban, der sein eigenes Spiegelbild sieht. Er ist wütend und tragisch zugleich, während Shiv, Kendall und Roman sowie ihr älteres Halbgeschwisterchen Connor (inspiriert von Prudence Murdoch, Ruperts Tochter aus erster Ehe) gebrochene Wesen sind. Sie können sich nicht aus dem Kreislauf von Wettbewerb und Herzschmerz befreien. Sie können nicht wie der Rest von uns leben, während sie unter uns wandeln, was sie zu Untoten macht. Zuschauer, die die Roy-Kinder für Monster halten, verstehen das nicht. Sie können in dieser Welt nicht glücklich sein. Aber sie können auch nicht ausserhalb dieser Welt leben.

Obwohl Liz, Lachlan und James anscheinend die meisten Fallstricke des zügellosen Ehrgeizes umgangen haben, ist mir schon damals aufgefallen, dass die Kinder sehr wettbewerbsorientiert sind. Manchmal, wenn wir Tennis oder Tischtennis spielten, was ich sehr gut konnte, dachte man, die Zukunft der Welt stünde auf dem Spiel.

Das war nicht Ruperts Schuld. Manche sind da anderer Meinung, aber ich glaube nicht, dass er seine Kinder jemals absichtlich gegeneinander ausgespielt hat. Er war so magnetisch, dass du dich nach seiner Anerkennung gesehnt hast. Shiv sagte bei Logans Beerdigung, dass sie vor dem Büro ihres Vaters spielten, aber immer wieder ermahnt wurden, leise zu sein. Bei den seltenen Gelegenheiten, bei denen ihr Vater sie hineinliess, war es wie ein Bad im Sonnenlicht.

Rupert schloss seine Kinder nie aus, aber er war ein Sonnenkönig. Er hatte eine Macht, die ich nie zuvor gekannt hatte. Macht so viel Geld korrupt? Das ist schwer zu sagen. Mein Vater hatte andere Freunde, die reich waren, wenn auch nicht annähernd so reich wie die Murdochs, und einige waren völlig degeneriert.

Eines Sommers, als Liz und ich fünfzehn waren, kam sie zu uns nach Italien. Mein Vater hatte ein kleines Haus gemietet, das seinem Freund Tony Lambton gehörte, einem Aristokraten und ehemaligen Minister, der in den 1970er Jahren in einen Tory-Sexskandal verwickelt gewesen war und mit seiner Geliebten im Exil lebte. Ironischerweise spielte die Villa Cetinale, in der Tony in der Pracht der Renaissance lebte und in der wir viele Abende verbrachten, in den letzten beiden Folgen der vorletzten Staffel eine Rolle. Harriet Walters Lady Caroline mietet die Villa für ihre prunkvolle Hochzeit mit dem Unternehmer Peter Munion.

Sie enthält unbezahlbare Fresken und Gemälde, doch die Räume waren immer dunkel und abweisend. Es soll dort spuken. Eines Nachts hörte ich eine Frau schreien, und man sagte mir, es sei der Geist einer Frau, die von einem alten Kardinal im Schlaf ermordet worden war.

Mir war es lieber, wenn wir bei den Murdochs wohnten. Sie hatten ein Penthouse in New York mit Blick auf den Central Park, ein grosses Landhaus im Staat New York mit Swimmingpools und Ställen und ein luxuriöses Anwesen in Aspen, Colorado, das wir das Citizen Kane House nannten. Es hatte Zimmer, die durch Brücken im venezianischen Stil über fliessendes Wasser miteinander verbunden waren, und in einem der Salons befand sich ein riesiger Swimmingpool.

Picknick am selbstgemachten Feuer

Wie die Roys benutzten auch die Murdochs ihre Privatjets wie Taxis. Wir kreuzten in ihrer köstlichen Üppigkeit durch Amerika. Es geht nichts über Privatflugzeuge. Man wird von ihnen schneller süchtig als von jeder anderen Droge. Es ist wie der Unterschied zwischen Jahrgangschampagner und billigem Prosecco. Wenn man einmal die Ledersitze, die Betten und die Abwesenheit von Hektik am Flughafen gespürt hat, will man nie wieder mit einem kommerziellen Flugzeug fliegen.

Es geht nichts über Privatflugzeuge. Man wird von ihnen schneller süchtig als von jeder anderen Droge.

Mit den Ferien ist es dasselbe. Die Superreichen übernachten nicht in Hotels oder Ferienanlagen, auch nicht in den besten. Sie kaufen grosse Häuser an schönen Orten oder mieten sie für mehrere Monate. In jenem Sommer gaben die Murdochs im Staat New York eine Party zu unseren Ehren, zu der hundert Gäste eingeladen waren. Man trug Abendgarderobe, und es wurden Festzelte und eine Tanzfläche aufgebaut.

Liz und ich waren heimliche Raucher, und ich schlich mich vom Parkett, um an einem Zaun eine Zigarette zu rauchen. Rupert erwischte mich, aber ich segnete ihn dafür, dass er es meinen Eltern nicht erzählte. Er hat mich auch nicht verpetzt, als ich einen meiner Tanzpartner unbedacht geküsst habe. Das Gewöhnlichste an diesem aussergewöhnlichen Mann war seine Freundlichkeit, ein Charakterzug, der bei seinem fiktiven Alter Ego Logan weniger ausgeprägt war.

Rupert war umgänglich und ein guter Sportsmann. Er wollte, dass seine Kinder so «normal» wie möglich aufwuchsen, und so machten wir ganz normale Dinge wie Picknicks, selbst wenn ein Privatflugzeug bereitstand, um uns wieder nach Hause zu bringen. Die Jungs schleppten Kühlboxen mit Getränken und Steaks in den Range Rover, und abends kuschelten wir uns in Decken an selbstgemachte Feuer. Einmal mussten wir hungern, weil Lachlan all unsere Steaks auf einen Felsen gelegt hatte und die Berghunde sie mit triumphierendem Heulen weggetragen hatten.

Heidenangst vor Drogen

Ein anderes Mal nahm Rupert uns zum Wildwasser-Rafting mit, und wir standen mit anderen Besuchern in der Schlange für unser gemeinsames Floss. «Hallo, ich bin Rupert», pflegte der mächtigste Medienmogul der Welt zu sagen. Er sprach gerne mit Menschen. Wie Logan Roy war er auf der Seite des einfachen Mannes und wollte wissen, was dieser dachte. Er war kein Snob, sondern respektierte die Menschen, die seine Zeitungen kauften oder seine Fernsehsender schauten.

Einige meiner liebsten Ferien verbrachte ich in New York City. Murdochs Penthouse am Central Park war atemberaubend. Es schimmerte in seinem gläsernen Berg und erinnerte mich an F. Scott Fitzgeralds Kurzgeschichte «Ein Diamant, so gross wie das Ritz». Abends gingen wir in die angesagtesten Restaurants, bevor Liz und ich uns davonschlichen, um in einen Klub zu gehen. Ich war noch nie in einem Klub gewesen, und in einem Lokal gab es ein Seil, das nur aufgehoben wurde, wenn man das Gesicht von Miss Murdoch erkannte.

Ich war Spirituosen nicht gewohnt und wurde sehr betrunken. Um vier Uhr morgens musste ich mich übergeben. Meine Eltern waren entsetzt. Rupert trank nicht viel und hatte eine Heidenangst vor Drogen. Ich habe nie eines seiner Kinder gesehen, das sich wie die Roy-Sprösslinge verhielt und Kokain schnupfte.

Eines Sommers fuhren wir auf Murdochs Jacht. Sie lag in Italien in einem Hafen in der Nähe eines Hauses, in dem wir wohnten. Die Jacht war hochmodern. Wir segelten zu einer Insel mit römischen Ruinen und assen dort im Mondschein zu Abend. Die schweigsame Crew servierte Champagner und endlose Mengen an Kaviar. Wir hörten Musik und segelten dann gesättigt zurück, betrunken weniger vom Wein als von der Herrlichkeit der Sternschnuppen.

Das Murdoch-Kind, das nie mit uns in den Ferien war, ist Prudence, die die Macher von «Succession» in Connor verwandelt haben, der verrückte Ambitionen auf das Präsidentenamt hat. Die beiden haben oberflächliche Ähnlichkeiten. Ruperts erste Ehe mit Prudences Mutter Patricia ging in die Brüche. Prue, die heute zurückgezogen und glücklich in Schottland lebt, war etwa zehn Jahre älter als wir alle. Sie wohnte damals in London und mochte meinen Vater sehr. Sie war idealistisch, aber ehrgeizig und hoffte, im Imperium ihres Vaters etwas Grosses zu werden. Es hat nie geklappt, und mein Vater musste oft ihre Erwartungen bremsen.

Ich fand immer, dass Liz Rupert sehr ähnlich war, auch wenn sie vom Aussehen her Anna ähnelte. Sie ist mit ihrem dritten Mann, dem britischen Künstler Keith Tyson, verheiratet und lebt jetzt hauptsächlich in London.

Alle Kinder haben einen beneidenswerten Lebensstil. Wie den Roys würde es ihnen schwerfallen, im Mangel zu leben. Es würde ihnen schwerfallen, sich vom Geld zu lösen, und ich kann es ihnen nicht verdenken.

Es gibt in «Succession» eine tadelnde Seite, die besagt, dass Reichtum böse und verderblich ist. Das kann er sein. Wenn man alles kaufen kann, was man will, sind die Versuchungen für die Schwachen gross, und ich habe gesehen, wie viele Kinder der reicheren Freunde meines Vaters drogenabhängig oder sogar kriminell wurden. Es ist hart, ein Roy zu sein, und es war hart, ein Murdoch zu sein. Die Erwartungen sind natürlich gross und kommen sowohl von der Aussenwelt als auch von der Familie.

Als wir alle unsere späten Teenager- und frühen zwanziger Jahre erreichten, wurde darüber spekuliert, welches Murdoch-Kind am ehesten sein Nachfolger werden würde. Das war sicher kein Zuckerschlecken, aber die Kinder haben sich zusammengerissen. Elisabeth hat sich ein unabhängiges Leben ausserhalb des Familienunternehmens aufgebaut und wurde für ihre Verdienste um die Kunst mit einem CBE ausgezeichnet. James trennte sich im Jahr 2020 vom Familienunternehmen. Lachlan, der Co-Vorsitzender von News Corp und CEO von Fox ist, gilt nun als der De-facto-Erbe.

Ruperts Bibelstelle

Sie sind viel nuancierter als die Roy-Kinder. Shiv, Kendall und Roman sind tragische, vertriebene reiche Kinder, Karikaturen der echten Murdoch-Geschwister, die gleichzeitig weniger attraktiv und unendlich viel beschädigter sind. Wenn ich ein Problem mit «Succession» habe, dann ist es das faule Ethos, dass Kapitalisten wie Logan und Rupert nur durch Egoismus motiviert sind und keine echten Freunde haben können. Auf Rupert trifft das nicht zu. Als mein Vater 1997 starb, war Rupert einer der Ersten, die meine Mutter und mich besuchten, um uns ihr Beileid auszusprechen.

Als ich die Trauerfeier für meinen Vater plante, hoffte ich, Rupert würde eine Bibelstelle vortragen. Der Text, den ich auswählte, war das Gleichnis von den Talenten, die biblische Befürwortung des freien Unternehmertums. Ich hätte nie gedacht, dass er zustimmen würde, aber er tat es, und er flog aus den USA herüber, um dabei zu sein. Er hielt sogar die Hand meiner Mutter.

Wie die Roys werden auch die Murdochs nie normal sein, so wie wir ärmeren und weniger bedeutenden Sterblichen normal sind. Es ist schwer, seltene Orchideen in den Hinterhof einer Sozialwohnung zu pflanzen und zu erwarten, dass sie gedeihen, aber sie scheinen ein Gleichgewicht im Universum gefunden zu haben.

Wenn ich auf diese Sommerferien zurückblicke, haben sie etwas Traumhaftes an sich. Ich weiss, dass ich nie wieder so leben werde. Bin ich nostalgisch? Ja, verdammt. Ich fahre nie an einem Privatflugzeug vorbei, ohne mir zu wünschen, ich wäre darin gesessen.

Wenn man seine Jugend in einem Diamanten, so gross wie das Ritz, verbracht hat, ist es lästig, sich mit Pappmaché zufriedenzugeben.

Petronella Wyatt ist eine britische Journalistin und Buchautorin. Sie ist die Tochter des Politikers und Schriftstellers Woodrow Wyatt und war einige Jahre mit dem späteren britischen Premierminister Boris Johnson liiert.

Dieser Text erschien zuerst in der Daily Mail.