Sie gelten nicht unbedingt als feurige Liebhaber, schmachtende Romantiker oder leidenschaftliche Don Juans: Als Frauenschwarm rangieren russische Männer im Weltvergleich ziemlich weit unten. Ein schütterer Strauss Nelken zum Weltfrauentag ist ungefähr das höchste der Gefühle, das sie für ihre Herzallerliebsten aufzubringen vermögen.

So gesehen ist Russlands Präsident Wladimir Putin ein typischer Vertreter seines Landes, jedenfalls wenn man den spärlichen Aussagen von Frauen Glauben schenkt, die ihm nähergekommen sind. Dreieinhalb Jahre lang habe sie um ihn geworben, erinnerte sich seine Ex-Frau Ludmilla, weil der wortkarge Wolodja keine Anstalten gemacht habe, die entscheidende Frage selbst zu stellen. Allerdings dauerte es auch bei ihr «drei, vier Monate», bis es funkte. Zu unscheinbar und langweilig erschien ihr der schlaksige junge Mann.

Vor ihr soll Putin, der immer lieber Kampfsport trieb als tanzte, nur ein einziges festes Verhältnis gehabt haben. Doch diese junge Dame liess er unmittelbar vor der Hochzeit – Ringe, Kleid und Anzug waren schon gekauft – Knall auf Fall sitzen. «So war es. Es war ziemlich hart», teilte er viele Jahre später lapidar einem Interviewer mit.

 

«Eigentlich kein angenehmer Mensch»

 

Alles andere als gefühlvoll muss auch der Abend verlaufen sein, an dem Putin seiner Ludmilla endlich einen Heiratsantrag machte. So sehr habe er herumgeeiert, erinnerte sie sich, dass sie glaubte, er wolle Schluss machen: «Ich bin eigentlich kein angenehmer Mensch. Du bist wahrscheinlich zu einem Entschluss gekommen», habe er gestottert. Aber völlig unerwartet platzte es dann aus ihm heraus: «Ich liebe dich und schlage vor, dass wir dann und dann heiraten.»

Ludmilla ist eine von nur vier Frauen, die dem 68-jährigen Putin im Laufe seines Lebens nahestanden: seine Mutter Maria, seine Ehefrau und die beiden Töchter Maria und Katerina. Fünf Frauen sind es, wenn man eine geheimnisvolle Geliebte hinzurechnet, mit der er seit seiner Scheidung liiert sein soll: Alina Kabajewa, mehrfache Goldmedaillengewinnerin in der Rhythmischen Sportgymnastik und 31 Jahre jünger als der Staatschef.

Für die Mutter war ihr Sohn Wladimir ein Wunder, nichts weniger als ein Gottesgeschenk, mit dem sie nicht mehr gerechnet hatte. Zwei Söhne waren im Kindesalter gestorben, sie selbst war schon 41 – ausgemergelt und noch immer gezeichnet von der mehr als zweijährigen Belagerung Leningrads durch deutsche Truppen.

«Er war ihre Sonne, ihr Mond und ihr Stern», sagte Ludmilla über ihre Schwiegermutter. Sie las ihm jeden Wunsch von den Augen ab und verwöhnte ihn weit über das in Sowjetzeiten mögliche Mass hinaus. So habe der Junge zur Einschulung bereits eine eigene Armbanduhr besessen – ein unerhörter Luxus. Noch ungewöhnlicher war, dass Maria für ihr Kind da sein wollte und deshalb nach Möglichkeit nur nachts arbeitete.

Seine Mutter ist die einzige Frau, über die sich Putin später ein wenig eingehender äusserte. Über den anderen liegt ein Schleier von Geheimnis und Desinformation. Dass es über die Freundin Kabajewa nur Spekulationen gibt, ist verständlich. Die russische Gesellschaft ist eher prüde. Eine Liebschaft des Präsidenten käme nicht gut an. Denkbar ist zudem ein weiteres Argument im Kalkül des Kreml: Viele Frauen finden Putin attraktiv. Ein zölibatärer, keuscher Mann an der Staatsspitze bedient diese Sehnsüchte besser als ein Frauenheld.

Eine geheimnisumwobene Geliebte ist das eine, aber auch über die anderen, legitimen Frauen in Putins Leben ist nicht sehr viel mehr bekannt. Es dauerte Jahre, bis sich Putin entlocken liess, dass seine beiden Töchter Maria und Katerina in Moskau lebten und «zeitweise» arbeiteten. Noch länger dauerte es, bis er preisgab, dass er zweimal Grossvater geworden sei.

 

Rolle im Schatten des Ehemanns

 

Als gesichert gilt, dass die Jüngere, Katerina, den Nachnamen ihrer Grossmutter mütterlicherseits (Tichonowa) trägt und das anspruchsvolle Technologieprojekt Innopraktika sowie einen milliardenschweren Wissenschaftsfonds leitet, der unter anderem die Entwicklung des Corona-Vakzins Sputnik V mitfinanzierte. Im Gegensatz zu ihrem Vater soll sie eine begeisterte Tänzerin sein, mit Schwerpunkt auf akrobatischem Rock ’n’ Roll.

Über ihre zwei Jahre ältere Schwester, die 36-jährige Maria, ist noch weniger bekannt. Unter dem Namen Woronzowa studierte sie Biologie und veröffentlichte einige Papiere zur Endokrinologie. Ihr Mann ist der niederländische Banker Jorrit Joost Faassen, der eine führende Position bei der Gazprombank in Moskau bekleiden soll. Das Paar soll einige Jahre in Den Haag gelebt haben, bevor Feindseligkeiten nach dem Abschuss einer malaysischen Passagiermaschine mit überwiegend niederländischen Passagieren über der Ost-Ukraine eine Abreise erzwangen. Heute ist Maria Miteigentümerin von Nomeco, dem grössten russischen Investitionsprojekt in der Krebsforschung.

Auch über Putins Ex-Frau Ludmilla weiss und wusste man sehr wenig. Ihr Mann reihte sich in eine Tradition von Kreml-Herrschern von Stalin über Chruschtschow und Breschnjew bis Jelzin ein, deren Ehefrauen ebenfalls kaum in der Öffentlichkeit erschienen waren. Eine Ausnahme war Michail Gorbatschow, dessen selbstbewusste, modische Frau Raissa mit diesen Gepflogenheiten brach. Dass Gorbatschow bis heute in Russland so unbeliebt ist, liegt zu einem kleinen Teil auch daran, dass Raissa sich nach Ansicht konservativer Russen nicht mit ihrer Rolle im Schatten ihres Ehemanns zufriedengab.

Ob Putin seine Frau deshalb aus der Öffentlichkeit heraushielt, darf bezweifelt werden. Ludmilla selbst hasste es, im Scheinwerferlicht zu stehen. Als sie erfahren habe, dass ihr Mann Staatspräsident werden würde, sei «eine Welt zusammengebrochen». Sie habe den ganzen Tag geweint wegen dieser «Katastrophe», die «ihr Familienleben auf den Kopf gestellt» habe. «Nichts wird wieder so sein wie vorher», sei ihr durch den Kopf gegangen. Entsprechend unauffällig hielt sie sich im Hintergrund – so erfolgreich, dass zwischenzeitlich das Gerücht aufkam, sie habe sich als Nonne in ein Kloster zurückgezogen.

Immerhin hielt Ludmilla es noch dreizehn Jahre als Russlands First Lady an der Seite ihres Mannes aus. Die Trennung im gegenseitigen Einvernehmen gab das Paar eher beiläufig bekannt: in der Pause einer Ballettaufführung im Grossen Kremlpalast. Damit schloss sich der Kreis: Kennengelernt hatte sich das junge Paar ebenfalls im Theater.

 

Auch für die Töchter unerreichbar

 

Als Grund für die Trennung nannte Ludmilla das Arbeitspensum ihres Mannes: «Wir sehen uns kaum noch [. . .], unsere Kinder sind erwachsen und führen ihr eigenes Leben. Und ganz ehrlich: Ich mag die ganze Publicity nicht.» Nur wenig später heiratete sie erneut: den zwanzig Jahre jüngeren Verleger Artur Otscheretnyj. Abgesehen von einer Sichtung des Paares auf dem Londoner Flughafen Heathrow konnten Russlands Klatschblätter seitdem nichts über die beiden in Erfahrung bringen.

Bleibt die Frage, ob und wie viel Einfluss Putins Frauen auf den Vater, Ex-Gatten und Geliebten haben. Angeblich sollen sie ihn sogar aus Gesundheitsgründen zum Verzicht aufs Amt gedrängt haben. Gemunkelt wird immer wieder von Parkinson.

Angesichts der Geheimniskrämerei um diese Frauen ist eine endgültige Antwort wohl nicht möglich. Aber es gibt hinreichend Indizien dafür, dass Putin kein Mann ist, der sich irgendetwas sagen lässt – von niemandem. Seine geliebte Mutter beschwor ihn, nicht mit dem Kampfsport Sambo anzufangen – er setzte sich darüber hinweg. Seine Ehefrau nahm ihm das Versprechen ab, nie wieder für den KGB zu arbeiten – er brach es, als er Geheimdienstchef wurde.

Nicht einmal die Töchter konnten ihn erweichen, selbst als sie klein waren. Sie würden ihren Papa doch sicher um den kleinen Finger wickeln, wurde Ludmilla einmal gefragt. «Niemand kann Papa um den kleinen Finger wickeln», war ihre lakonische Antwort. Und sie fügte noch hinzu: «Er macht überhaupt nichts, ohne zu motzen.» Letzteres hätte er dann wieder mit vielen russischen Männern gemein.